Ich möchte euch zum Martinsfest aber auch etwas Geistlicheres »servieren«. Sankt Martin ist ja am Niederrhein ein ganz wichtiger Festtag. Für uns Kinder läutete er definitiv die kalte Jahreszeit mit den unbeschreiblichen Glanzlichtern »Nikolaus«, »Advent«, »Weihnachten« ein. Ich kann bis heute nicht den dumpfen Klang der Blaskapellen hören, ohne zu hinzulaufen so schnell es geht. So auch heute, als der Zug geradewegs unter unserer Haustür vorbeizog.
Aber Martin ist nicht nur der achtzehnjährige Soldat, der sein Letztes dahergab (»unser« Sankt Martin war sicher bereits jenseits der sechzig«) … und der Clou der Geschichte wird auch gerne verschwiegen: Christus, der ihm im Traum erscheint, mit dem Mantelstück bekleidet und ihm zu verstehen gibt, daß Martin, obwohl noch Katechumene, dem Herrn selbst die Liebe erwiesen hat: »Martinus, obwohl erst Katechumen, hat Mich mit diesem Mantel bekleidet.«
Ich teile eine Episode, die Sulpicius Severus, Martins Biograph, aufgeschrieben hat, mit euch. Der Text ist aus dem »Leben des Heiligen Martinus«, BKV, Band 20, Kösel 1914, Schriften des Sulpicius Severus:
Ich darf nicht übergehen, auf welch schlaue Weise der Teufel damals Martinus versuchte. Eines Tages stand er vor ihm in der Zelle, während er betete. Purpurlicht strahlte er vor sich her und war auch selbst ganz davon umflossen; mit diesem erborgten Lichtglanze hoffte er um so leichter täuschen zu können. Ein Königsmantel umwallte ihn, er trug ein edelsteinfunkelndes, goldenes Diadem auf dem Haupt, seine Schuhe waren golddurchwirkt; gewinnend war seine Miene, freundlich sein Antlitz, so daß man eher alles andere als den Teufel in ihm vermuten mußte. Auf den ersten Blick war Martinus höchlichst überrascht; beide schwiegen geraume Zeit. Dann begann der Teufel zuerst: »Erkenne, wen du vor dir erblickst. Ich bin Christus. Da ich im Begriff bin, auf die Erde herniederzusteigen, wollte ich mich dir zuerst offenbaren.« Martinus schwieg und antwortete mit keiner Silbe darauf. Da hatte der Teufel die Frechheit, sein frevelhaftes Bekenntnis zu wiederholen: »Martinus, warum zweifelst du. Glaube doch, da deine Augen es ja schauen? Ich bin Christus.« Jetzt ward es Martinus durch eine Geistesoffenbarung kund, der Teufel stehe vor ihm, nicht Gott. Daher sprach er: »Jesus, unser Herr, hat nicht gesagt, daß er in Purpur und im Glanze einer Krone wiederkommen werde. Ich kann nicht glauben, daß Christus anders gekommen wäre als in jener Haltung und äußeren Gestalt, so wie er gelitten, als mit den Wundmalen des Kreuzes«. Bei diesen Worten verschwand der Teufel plötzlich wie Rauch und erfüllte die Zelle mit üblem Geruch. Dieses Vorkommnis habe ich wortgetreu nach der Aussage des Martinus erzählt; das bemerke ich deshalb, daß niemand die Erzählung für ein Märchen halte.
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