Dienstag, Januar 21, 2014

Für mich gibt es zwei Paar Schuhe.

[Von Bastian, der ziemlich unsicher wird, wenn er sich an dem Maßstab misst, den er hier aufstellt.]
Immer wieder wird darauf verwiesen, dass die Würdenträger der Kirche die Lehre nicht nachdrücklich und klar genug verkündigten. Dies wird als Grund für eine allgemeine Glaubenskrise genannt. Gerade habe ich es wieder auf Facebook gelesen: Die klare und verbindliche Lehre der Kirche, die im Katechismus der Katholischen Kirche niedergelegt ist, werde leider nicht von allen Bischöfen und Priestern in der gleichen Deutlichkeit in Predigt und Katechese verkündet, zuweilen sogar relativiert. Darin liege auch ein Grund für die gegenwärtige Glaubens- und Kirchenkrise.

Da ist sicherlich immer wieder etwas dran. Und ich habe durchaus nichts dagegen, Stellung zu beziehen und zu protestieren. Das tue ich selbst.

Oft jedoch mischt sich für mein Empfinden eine gute Portion Selbstgerechtigkeit dort hinein: die Bischöfe sind schuld. Man selber nicht – im Gegenteil: man prangert das sogar an und ist daher einer von den Guten. (Wieder: ich selbst inbegriffen. Leider.)
Im Paradies fragte Gott Adam, warum er gesündigt habe, und der verwies auf Eva. Eva ihrerseits verwies auf die Schlange. Rausgeflogen sind sie beide trotzdem: die Schuld anderer relativiert die eigene eben nicht.

Ich denke, es ist eine Sache, sich mit Fehlern, die man zu sehen glaubt, auseinanderzusetzen und zu diskutieren, auch hart, wenn es sein muss. Es ist jedoch eine andere Sache, diese Fehlentwicklungen als reine Angriffe von außen zu sehen und sich selbst als Opfer oder gar als einsamen Helden und Verteidiger der Wahrhaftigkeit anzusehen. Denn soviel ich mich auch gegen das „Außen“ wehre, muss ich mir doch Fragen gefallen lassen: wo war ich, als Christen gebraucht wurden, die die Lehre nicht verkünden, sondern auch leben?
Ich finde, die Kirche sollte sich entweltlichen? Prima, ich kann gleich damit anfangen. Die Kirche sollte einfach und klar sein? Da habe ich einiges vor bei mir. Und jetzt sagt der Papst, die Kirche solle arm sein? Das finde ich wirklich einleuchtend, solange es mir gut geht.
Laut Christus soll ich das Licht der Welt sein. Aber wo hat er gesagt, ich solle das dadurch sein, dass ich anderen vorwerfe, sie seien nicht hell genug?

So mischt sich bei vielen Blogbeiträgen von mir eine Portion schlechtes Gewissen hinein: wer bin ich, dass ich da irgendetwas anprangere? Die Antwort ist klar: ich bin ein Sünder, der eigentlich keinerlei Berechtigung hat. Der Balken in meinem Auge ist noch drin. Nur: das gilt wohl für jeden. Christus hat nur Sünder hier unten. Nicht, weil ich toll bin, schreibe ich, sondern weil Christus toll ist. Zumindest sollte es so sein.
Und weil es so ist, weil ich hier in einem Chor von Unfertigen, Uneinsichtigen und anderen Sündern die Stimme erhebe, sollte es mir fern sein, zu fest zu urteilen. Wir können ringen, mit uns und mit anderen, was, wie ich glaube, heute sehr nötig ist. Wir können kämpfen, wenn es um den Glauben, die Freiheit oder das Leben ungeborener geht. Aber was das Zuweisen von Schuld angeht: da gibt es für uns selbst die Beichte. Den Rest sollten wir Gott überlassen.

6 Kommentare:

  1. Julia8:40 PM

    Wie wahr, was du da schreibst! Durch das Beispiel zweier sehr unterschiedlicher Pfarrer, die bei uns waren, habe ich genau das gelernt: wie einfach es doch letzlich ist, zu kritisieren, wie bequem, Feindbilder zu haben, welcher Art auch immer (bei dem einen Pfarrer waren es die Bischöfe, der Papst.. - sie lenken so schön von einem selbst ab. Und wie schwer, aber gleichzeitig wie segensreich es sein kann, wenn man zunächst von sich selbst etwas fordert, auch wenn man vielleicht einiges zu kritiseren hätte. So hat es der zweite Pfarrer mal formuliert und in einer Predigt mal etwas gesagt, was ich auch für mich zutreffend fand: "Umkehren sollen immer nur die anderen". Und Jesus fordert doch erstmal mich auf, umzukehren! Und, noch erstaunlicher, dieser Pfarrer hat das auch selbst so gemacht, er hat sich z.B. auch zu seinem zu ihm wirklich konträren Vorgänger nie geäußert, auch wenn er darauf angesprochen wurde. So ungefähr nach dem Motto: selbst ein positives Vorbild sein statt andere beurteilen. Das kann ich natürlich für mich auch nicht in Anspruch nehmen, klar. Wie du ja treffend schreibst, kann das wohl zu 100% niemand. Immerhin, denke ich, ist die Erkenntnis und das Bemühen darum vielleicht schon ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Denn das Vobild dieses Pfarrers hat mich auf die Idee gebracht, dass auch ich immer gedacht habe: "die" spießigen" Kirchenbesucher, die nur aus Gewohnheit in die Kirche gehen, die "frommen Betschwestern" u.ä. Plötzlich hab ich mir gedacht: Mit welcher Haltung andere hier sind, weißt du ja gar nicht! Von dir selbst weißt du es! Du bist es doch, die oft mit einer gleichgültigen bis ablehnenden Haltung im Gottesdienst ist! Die treuen "Betschwestern" - die gefallen Gott vielleicht, ja wahrscheinlich besser als du!
    "Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet" - klarer geht's ja eigentlich nicht. Aber wie schwer es uns doch fällt, das auch zu befolgen - und vor allem gerade auf diejenigen anzuwenden, die uns nicht so passen.
    Ein sehr schöner Text von dir, der, glaube ich, etwas sehr Wichtiges anspricht!

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  2. Gute Gedanken, klasse geschrieben. Danke dafür :-)

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  3. Es kommt m.M. auch darauf an über was man urteilt. Wenn ich z.B. Abtreibungen als himmelschreiendes Unrecht bezeichne, dies auch öffentlich kund tue, dann ist er verlorene Liebesmüh, darüber nachzudenken, wie groß mein Balken im Auge ist, es sei denn ich habe an einer solchen teilgenommen. Mir wurde auch schon Selbstgerechtigkeit und Denunziantentum vorgeworfen, als ich einem Bischof während einer Gemeinde-Visitation, widersprochen habe. Es war zwar nur ein Weihbischof, aber immerhin. Alles das kann dazu führen, dass man in der nächsten Versammlung den Mund hält, weil man ja selber auch nur ein Sünder ist. Das kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

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    1. Julia7:09 PM

      @Gerd Franken
      kompromisslos gegen Abtreibung zu sein und dies auch unmissverständlich kundzutun, ist sicher richtig. Wenn ich noch nie an einer solchen teilgenommen habe, muss ich mich dessen natürlich auch nicht schuldig fühlen. Inzwischen denke ich mir aber manchmal auch: "Gott sei Dank war ich noch nie in einer Situation, in der ich selbst über Abtreibung nachgedacht habe, aufgrund widriger Umstände, aufgrund des Drängens anderer, z.B. meines Partners oder der Ärzte, oder was auch immer." Dann kann ich zwar gegen Abtreibung sein, aber ohne jede Selbstgerechtigkeit - denn kann ich wirklich zu 100 Prozent garantieren, was ich in einer verzweifelten Situation getan hätte? Wer kann das? Das ist vielleicht auch schon "nicht urteilen" - unabhängig von einer festen Einstellung.

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  4. @Julia

    Alles richtig. Es sei noch bemerkt, dass es mir auch oder gerade im Zusammenhang mit der Abtreibungsproblematik nicht um das Richten oder Verurteilen der betreffenden Personen in Notlagen geht, sondern um den Tatbestand dieses Verbrechens.

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