[Ein Vorschlag für einen Bericht bei Spiegel Online, von Bastian, der dafür lange recherchiert hat]
Der Papst nimmt nie an Talkshows teil – er weiß, warum, denn: würde er sich der offenen Auseinandersetzung stellen, er wäre ein anderer. Anders zu werden aber ist genau das, was er sich und der von ihm geführten römisch-katholischen Kirche streng verboten hat. Und er und seine engsten Mitarbeiter achten darauf, dass seine Verbote befolgt werden, gleich was sich an der Basis tut.
Zölibat, Frauenweihe, Vertuschung von Missbrauchsfällen etc. etc. – die Liste der Themen, die durch Untätigkeit und Starrheit so lange ausgesessen werden, bis die Basis den Mut verliert, ist lang. Oft ist die nicht-katholische Presse, die Vielgescholtene, das letzte Sprachrohr, das denen bleibt, die die eigentliche Kirche darstellen – die über eine Milliarde (1.000.000.000!) Katholiken, die nicht Kleriker sind.
Nun ist es ein durch die Jahrhunderte bewährtes Instrument der Kirche gewesen, ihre Schäfchen erst einmal zu bremsen. Eine langsam ziehende Herde hat man unter Kontrolle. Man kann aussuchen, wo sie weiden, und was sie fressen. Man kontrolliert sozusagen ihre Substanz. Der Grund war und ist immer selbstlos: für die Schafe ist es so am besten. Oder, um das Bild zu verlassen: der rechtgläubige Katholik (Frauen sollen hier wohl inbegriffen sein) kann sicher sein, genau den Sinn für sein Leben zu finden, der dogmengeprüft und in der Glaubenslehre rein für ihn passend ist.
Doch was, wenn es zu (unvermeidlichen) inneren Konflikten kommt: was, wenn die Kirche Sinnfragen unbeantwortet aussitzen muss, um ihre eigen Sinnantwort geben zu können? Derzeit lässt sich das gut beobachten: am 21.12.2012, in wenigen Tagen also, endet der Jahrtausende alte Kalender der Maya. Unsere Zeit geht zu Ende. Wie die nichtchristlichen Sterndeuter an der Krippe haben Menschen anderen Glaubens und anderer Kultur die Zeichen der Zeit verstanden und gedeutet. Wie die Sterndeuter angeblich Gold, Weihrauch und Myrrhe schenkten – Bilder ihrer Erkenntnis – so schenken uns die Maya ihren Kalender. Und gerade so, wie schon damals Christus beim Besuch der Könige kein Wort verlor, sondern andere für sich sprechen ließ, schickt auch sein Stellvertreter andere nach vorne, um die eigene Sprachlosigkeit vergessen zu machen.
Die Menschheit jedoch „vergeht vor Angst“, wie es in der Bibel heißt, auf die die Kirche sich beruft. Sie erwartet eine Antwort von der Institution, die sich als Hüter der Wahrheit ausgibt. Josef speiste damals die Könige mit einem feuchten Händedruck ab und schickte sie ihrer Wege (natürlich nicht ohne die Geschenke einzubehalten). Josef speist heute die Ängstlichen mit einer pseudo-wissenschaftlichen Aussage ab: Josef, das ist der Direktor der „vatikanischen Sternwarte“, Jesuitenpater Jose(f) Gabriel Funes. Bis in die Namensgleichheit hinein rührt sich die Kirche nicht vom Fleck – warum auch? Sie sitzt dort seit ihrer Entstehung gut und bequem. Funes äußert ein paar wissenschaftlich halbgare Theorien, deren eigentlicher Sinn klar ist: der Weltuntergang wird schlicht geleugnet. Die Kirche schickt die Maya ihrer Wege, natürlich behält sie wieder das Geschenk: seit fast 2000 Jahren übernimmt sie die Idee einer eigenen Zeitrechnung. Billig?
Soweit die Fakten. Es fehlt der Kommentar.
Es gibt zwei Ansätze, aus denen heraus sich die derzeitige Kirchliche Lage einschätzen lässt. Da ist zum einen die Institution der Kirche mit der Tatsache, dass die Kirche in den Naturwissenschaften stets führend war, was sie gerne verschweigt. Der Anteil von Katholiken, insbesondere katholischer Priester, unter den bedeutenden Entdeckern und Erfindern ist unverhältnismäßig hoch. Wissenschaft und Kultur wären ohne die Kirche um Jahrhunderte zurück! Dass das unerwünschtes Wissen ist, ist verständlich. Wo wäre der Papst, käme heraus, dass seine Kirche Bewegung verursacht hat? Was sollte er schreiben, stünde fest, dass der Riss zwischen Glaube und Vernunft, den er ständig kitten will, gar nicht existiert? Er ist in dieser Situation nicht zu beneiden.
Und zum anderen sind da wir, die Gläubigen, die Schäfchen. Wir sind dabei, uns zu emanzipieren. Das alte, welke Gras schmeckt uns nicht mehr. Wir ziehen ohne euch weiter, liebe Kleriker. Wir wollen nicht „beschützt“ werden, sondern unsere eigene Weide finden. Wir verlassen euch und die, die unbedingt bei euch bleiben wollen – des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Der Untergang, den ihr nicht wollt – wir wählen ihn. Ohne euch.
Hervorragend-fehlt nur das übliche Spiegel-Gewürz: die identitätsbestätigende Häme. Gleich an die Redaktion weiterleiten! Die schwer an der alljährlichen atheistischen Weihnachtsdysphorie leidenden Redakteure werden diese Vorlage dankbar annehmen.
AntwortenLöschenVielleicht schließt sich ja auch die in finaler Abwicklung befindliche FR, die es gern mit dem "immer-noch-schweigen" des Papstes hat, abschließend an?
Um wieviel Uhr denn genau?
AntwortenLöschenGibt es vorher noch einen Austausch im Stuhlkreis?
Wer gestaltet die Mitte?
In dem Fall vielleicht der runde Kalender?
Müssen wir irgendetwas mitbringen? Fingerfood, Decken? Kommt ausser den Spiegellesern noch jemand?
Gut recherchiert! :)
AntwortenLöschenSo verwickelt sprunghafte Argumentationslinien wiederzugeben muss viel Beschäftigung mit der Vorlage gebraucht haben.
Es widerstrebt so der normalen Logik.
Äh... nein. Eigentlich nicht. Ich lese den Spiegel nicht und habe es auch nicht vor. Die Denke dort kapiert man nach wenigen Momenten: die eigenen Hypothesen dadurch zu festigen, dass man sie nicht zum Thema, sondern zu dessen Grundlage macht. So wird jede Diskussion über das Thema selbst zur Bestätigung, da man die Definitionen akzeptiert. Lücken werden mit Phantasie und behaupteten Zusammenhängen gefüllt.
LöschenEs ist erschütternd simpel.