Freitag, Februar 25, 2011

Was das Tagesevangelium verschweigt.





[ER]Ein mir namentlich bekannter Autor hat den Sitz im Leben des heutigen Evangeliums herausgefunden. Und ich freue mich sehr, das geneigte Publikum an den Früchten der mühseligen Rekonstruktionsarbeit theylhaben zu lassen. Herzlichen Dank an Anonymus!

"Von dort brach Jesus auf und kam nach Judäa und in das Gebiet jenseits des Jordan. Wieder versammelten sich viele Leute bei ihm, und er lehrte sie, wie er es gewohnt war. Da sagten seine Jünger: „Jesus, lass uns doch mal einen Dialog führen. Die Menschen möchten das. Von allen Seiten bedrängen sie uns. Dialog, Dialog – das ist es was sie wollen. Nicht immer nur zuhören.“ Und sogleich erhoben sich einige Theologen, nickten beifällig und eröffneten den Diskurs: „Darf ein Mann seine Frau aus der Ehe entlassen?“ Jesus antwortete ihnen mit einer Gegenfrage: „Was hat euch Mose vorgeschrieben?“ Die Theologen sahen sich an, lächelten fein und sprachen: „Mose hat erlaubt, eine Scheidungsurkunde auszustellen und (die Frau) aus der Ehe zu entlassen.“ Jesus entgegnete ihnen: „Nur weil ihr so hartherzig seid, hat er euch dieses Gebot gegeben. Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“ Da wurden die Theologen zornig und verfassten an Ort und Stelle ein Memorandum: „Die Kirche ist kein Selbstzweck. Sie hat den Auftrag, den befreienden und liebenden Gott Jesu Christi allen Menschen zu verkünden. Das kann sie nur, wenn sie selbst ein Ort und eine glaubwürdige Zeugin der Freiheitsbotschaft des Evangeliums ist.“ Da trat ein kleines Grüpplein hervor, schwenkte eine Petition in Richtung der Jünger und entgegneten den Professoren: „Aber die Freiheitsbotschaft des Evangeliums ist doch das, was Jesus gerade gesagt hat, oder?“ Die Professoren schmunzelten über diesen kindischen Einwurf, warfen sich beredte Blicke zu und antworteten wie aus einem Munde: „Der Respekt vor dem individuellen Gewissen bedeutet, Vertrauen in die Entscheidungs- und Verantwortungsfähigkeit der Menschen zu setzen. Diese Fähigkeit zu unterstützen, ist auch Aufgabe der Kirche; sie darf aber nicht in Bevormundung umschlagen. Damit ernst zu machen, betrifft besonders den Bereich persönlicher Lebensentscheidungen und individueller Lebensformen. Die kirchliche Hochschätzung der Ehe und der ehelosen Lebensform steht außer Frage. Aber sie gebietet nicht, Menschen auszuschließen, die Liebe, Treue und gegenseitige Sorge in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder als wiederverheiratete Geschiedene verantwortlich leben.“ Auch die Jünger Jesu waren nun sehr verunsichert. Wer hatte nun recht? Deshalb befragten die Jünger Jesus noch einmal darüber: „Also was sollen wir den Leuten denn jetzt sagen? Was ist denn jetzt deine Freiheitsbotschaft in dieser Frage? Nur damit wir es den Leuten nicht falsch erklären?“ Jesus sagte: „Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet.“ Und er stand auf und ging. Die Theologen aber riefen ihm nach: „Selbstgerechter moralischer Rigorismus steht der Kirche nicht gut an! Die Kirche kann nicht Versöhnung mit Gott predigen, ohne selbst in ihrem eigenen Handeln die Voraussetzung zur Versöhnung mit denen zu schaffen, an denen sie schuldig geworden ist!“ Jesus aber war schon auf dem Weg nach Jerusalem."

5 Kommentare:

  1. Jesus aber war schon auf dem Weg nach Jerusalem(*).

    * um sich kreuzigen zu lassen


    Sehr gut geschrieben!

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  2. Den Unterzeichnern und Unterstützern des Memorandums stünde es gut zu Gesichte, nicht nur über das Evangelium zu reden, sondern es auch mal zu lesen und als solches gelten zu lassen.

    Ich sehe ein, dass es Fälle gibt, die auch die Kirche herausfordern: die Frau, die von ihrem Mann misshandelt wird; der Mann, der von seiner Frau betrogen wird (ich verweise mal auf die Parallestelle bei Markus), Menschen, die eigentlich gegen ihren Willen geschieden wurden etc.
    Der (bzw. selbstverständlich auch die!) im Falle einer Trennung Unschuldige, der Betrogene oder Verstoßene darf nicht auch noch bestraft werden, indem man ihm Sakramente verweigert.
    Für solche Fällen eine Regelung zu finden, dürfte angesichts der deutlichen Worte des Evangeliums schwierig sein. Aber der Weg kann nur vom Wortlaut ausgehen, davon, dass eine Scheidung grundsätzlich falsch und immer Folge von Hartherzigkeit (d.h. fehlender Liebe) ist.

    Das dahingehend umzudeuten, es genüge, sich "entliebt" zu haben, ist ein logisch unzulässiger Rückschluss!

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  3. @Iris:

    Soweit ich das Kirchenrecht verstehe, sanktioniert das Kirchenrecht die betrogene/mißhandelte Partei nicht! Eine Sanktion würde erst dann eintreten, wenn diese Partei eine neue und damit ehebrecherische Beziehung eingeht. Es bleibt dieser Partei auch unbenommen, daß Eheband anzufechten, wenn Argumente dafür sprechen, daß der schuldig gewordene Partner nie die Pflichten einer katholischen Ehe annehmen wollte.

    Was meines Erachtens nicht geht (nach Auschluß der Ehebandsanfechtung nach derzeitiger Auslegung des Lehramts), ist die Suche nach einem "Schuldigen" am Scheitern der Ehe, der dann als Strafe Keuschheit oder Sakramentenentzug bekommt, während der andere Partner eine Do-it-again-Freikarte zum Heiraten bekommt.

    Transponiert man das mal auf eine andere Sünde, hier Diebstahl, wird es glaube ich deutlicher:
    Wenn A bestohlen wurde von B, dann darf A jemandem was wegnehmen (die Sünde des Diebstahls begehen), da A ja Opfer eines Diebstahls wurde.

    Problematisch ist das ganze ja in erster Linie deswegen, weil solche Verletzungen in Beziehungen tiefgreifender Natur sind. Und das Evangelium liefert nicht das einklagbare Recht auf eine glückliche, funktionierende Ehe, sondern nur die Hoffnung darauf, inklusive der Immanz der Möglichkeit des Scheiterns.

    Die Problematik der heutigen "Pastoral" mit dem Umgang der Lehre der Kirche von der Unauflöslichkeit der Ehe, ist der als "seelsorgerisch" falsch etikettierte pragmatisch-soziologische Ansatz der Problembehebung, der völlig an der sakramentaltheologischen Dimension des Problems und den Auswirkungen auf die Seelendisposition in den endzeitlichen Dingen vorbeigeht.

    Eine Standardmethode des Managements und der Sozialpädagogik ist es, Ursache und Wirkung umzukehren. Führst Du berechtigte Klage gegen das Fehlverhalten eines Anderen, kann es Dir leicht passieren, daß Du von Deinem Vorgesetzen attestiert bekommst, daß nicht das Verhalten des Anderen das Problem ist, sondern Deine kleingeistige Einstellung dazu, oder daß die Konvention, die das Verhalten als Fehlverhalten anprangert als ursächlich für die Probleme ausgemacht wird. Siehe die Argumentationsstruktur "Entkriminalisierung der Gesellschaft". So ein Plakat läßt sich mit fast 100%iger Sicherheit im näheren Umfeld eines jeden AStA-Büros finden.

    Das Credo einer Vielzahl von Menschen unter Berufung auf die "Freiheit" ist: State in peccato!
    Der Hinweis auf die insuffiziente Gewissensentscheidung die dem zugrundeliegt ist aufgrund der damit implizierten notwendigen Verhaltensänderung unerwünscht. Daher auch das Geschrei nach einer "positiven" "Pastoral" und sakramentalem Umgang mit Sündern, die genau genommen in ihrer Sünde bestärkt werden sollen und wollen. Mit Verweis auf die häretische Apokatastasis zirkelschließt man mit autoineffabiler Autorität, daß Jesus heute genauso entscheiden würde wie man selbst, sonst droht man den Liebesentzug und den Entzug der Attributierung Gottes als barmherzig an.

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