Samstag, Januar 09, 2016

Noch Fragen, Focus? Noch Fragen, Gesellschaft?

Am Freitag demonstrierte eine Frau vor dem Bahnhof, völlig nackt - auch so sei sie kein Freiwild!
Inhaltlich stimme ich ihr da völlig zu. Die Form kann ich zumindest verstehen: nach so einem Vorfall wie in der Silvesternacht schreit es sicher in vielen, durch eine deutliche Provokation ein Zeichen zu setzen. Doch auch, wenn ich sie verstehe, halte ich nichts von der Form: die Kollateralschäden sind zu hoch. Besser gesagt, sie bestimmen sogar die Wahrnehmung und überdecken den Zweck. Nein, nicht wegen lüsterner Migranten, sondern wegen einer durchsexualisierten Gesellschaft, die gar nicht mehr merkt, wie sie tickt.

Beweis gefällig?
Auf der Seite von FOCUS online befanden sich heute gleich untereinander zwei Berichte von gleicher Aufmachung und gleicher Wertigkeit: Die demonstrierende Künstlerin und – sensationell! - eine Art versehentlicher Busenblitzer in Übersee. Sogar die Fotos sind ähnlich: unbekleidete Frau, von hinten. Man ist schließlich diskret.



Für Focus zählt offenbar nur eines: die nackte Frau. Und die damit verbundenen Klickzahlen natürlich. Ob Auflehnen gegen üble Demütigungen bei uns im Land oder ein dummes Versehen am anderen Ende der Welt – egal. Hauptsache Fleisch. Und Berichte, die an Sex denken lassen.
So präsentieren große Teile der Presse unsere Kultur. Einen Zusammenstoß mit dem anderen Extrem haben wir gerade erlebt, oder besser: mussten einige Frauen erleben. Das Erlebte ist übel, darum verzichte ich aus Respekt auf bedauernde Worte, die ohnehin nicht treffen.
Mit Aktionen wie diesen macht Focus die Opfer von Köln erneut zu Opfern – von Spannern. Was hier betrieben wurde, ist öffentlicher Missbrauch. Nicht an einer bestimmten Person, sondern an den Frauen schlechthin. Und in gewisser Weise vieler Männer dazu, die angesichts einer großen Reizflut mehr damit beschäftigt sind, ihre Sexualität zum Schweigen zu bringen, als sich an ihr zu freuen.
Die Künstlerin muss sich leider klar machen, dass sie dafür Futter lieferte. Doch der Vorwurf geht an den Focus.

(Edit: um 11:47 hatte der Focus übrigens seine Prioritäten gesetzt: der Bericht über den Protest war weg. Der Busenblitzer war noch drin. Da ich keinen Screenshot von etwas machen kann, was nicht da ist, muss meine Behauptung den Beweis schuldig bleiben.)

Es tut mir übrigens leid, dass ich dieses Foto hier poste. Doch nachweisen musste ich das schon. Ich hoffe nur, dass ich damit nicht denselben Fehler mache, wie die Künstlerin.

7 Kommentare:

  1. Das Bild ist hier so klein und niemand ist verpflichtet, das anzuklicken.
    Ich habe nicht geklickt, das, was man in der "Kleinigkeit" sieht, genügt mir als Beweis.
    Ich als gerne katholische und gerne unverheiratete Frau fühle mich durch dieses kleine Bild nicht "mißbraucht" im weitesten Sinn des Wortes.

    AntwortenLöschen
  2. Die Analyse trifft ins Schwarze.
    Dieser "Protest" ist gar keiner, sondern ein Symptom unseres gesellschaftlichen Zustandes und quasi eine Bestätigung für die Täter.



    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das sehe ich nicht so. Selbstverständlich ist das ein Protest. Es ist ein Versuch, durch eine Provokation klarzustellen, was Sache ist.
      Ein Symptom unserer Gesellschaft ist er auch, sicherlich, aber weniger wegen der gezeigten Nacktheit. Eine Bestätigung der Täter ist er nur, wenn ich denen zugestehe, daraus irgendwelche Rechte oder Gründe abzuleiten. Das tue ich keinesfalls. Ich darf auch dann nicht klauen, wenn mein Nachbar sein Geld offen rumliegen lässt. Selbst dann nicht, wenn er damit angibt, dass er es rumliegen lässt, um mich zu provozieren. Sollte ich ihn schon einmal bestohlen haben, könnte ich das sogar verstehen, was er tut, und ich hätte es verdient.
      Nur - und hier zeigt sich das, was ich für die Gesellschaft für symptomatisch halte: klug ist etwas anderes. Es mag tausendmal sein Recht sein, das Geld rumliegen zu lassen - die Diebstahlquote senken wird er dadurch nicht. Und sowenig wir ihm einen einzelnen Diebstahl, der darauf folgt, anlasten können: man wird in diesem Zusammenhang an ihn denken.

      Löschen
    2. Na also, da sind wir uns ja einig. Vielleicht abgesehen davon, das ich den Vergleich einer sich entblößenden Frau mit herumliegendem Geld für fragwürdig halte. Und dass die Klugheit immerhin eine Kardinaltugend ist.

      Löschen
    3. Nachtrag: Bei "Bestätigung" vergaß ich den Begriff "subjektiv". Also: Die Täter dürfen sich - mit welchem Recht auch immer - subjektiv bestätigt fühlen. Insofern geht der "Protest" nicht nur ins Leere, sondern sein Effekt liegt unter Null!

      Löschen
    4. Den Unterschied zwischen herumliegendem Geld und einer sich entblößenden Frau kenne ich (und weiß genau, wann ich was von beidem bevorzuge).
      Eine Allegorie passt immer nur bezüglich des angestrebten Aspektes. Sie MUSS an anderen Stellen unpassend sein, sonst wäre sie mit dem Thema selbst identisch.
      (Ansonsten müsste ich zudem sich entblößende Frauen mit sich entblößenden Frauen vergleichen - ein für ein katholisches Blog höchst unpassendes Thema!)
      Im Ernst: Kaum was ist schwieriger, als einen Vergleich zu finden, der das Gemeinte gut illustriert, aber zugleich niemandem auf die Füße tritt. Jedesmal, wenn ich einen wähle, denke ich darüber nach. Immer wieder mal stört sich jemand daran - ich halte es dennoch für eine gute Weise, Dinge zu sagen.

      Löschen
    5. Geht mir ganz ähnlich. Habe in dieser noch nie dagewesenen Sache ebenfalls Mühe, meine Gedanken zu sortieren und adäquat zu formulieren.



      Löschen