Freitag, Januar 15, 2016

Gute Manieren sind gefragt.

Wer am Kaffeetisch versehentlich seine Tasse auf den Boden fallen lässt, tut gut daran, die Tasse in die Spülmaschine zu räumen und sich eine neue zu holen. Hat er allerdings dabei den Kaffee auf die Hose seines Sitznachbarn geschüttet, ist der mit Recht erstaunt, wenn es bei einer neuen Tasse bleibt. Ein „Entschuldigung!“ und ein paar Servietten wären da nicht zu viel erwartet. Eher angemessen – alles andere wäre nicht nur unhöflich, sondern ließe den Ungeschickten zusätzlich als Egoisten erscheinen: Die Hose bleibt dreckig, Hauptsache, meine Tasse ist sauber. So weit – so einsichtig.

Wenn ein Nachrichtenportal versehentlich eine Falschmeldung bringt, tut es gut daran, die zu löschen. Hat es dabei allerdings einen unschuldigen Menschen mit Dreck beworfen, tut es gut daran, eine Richtigstellung zu bringen, verbunden mit einer Entschuldigung. Und das so, dass beides auch wahrgenommen wird. Alles andere wäre nicht nur unprofessionell, sondern auch unglaubwürdig: Der Dreck bleibt kleben, Hauptsache wir haben keine Fehler auf dem Portal. Ist doch klar – oder?

Bei Domradio scheint man das anders zu sehen. Eine dreckschleudernde Falschmeldung ohne eigene Recherche zu übernehmen – das geht. Das ist sogar verständlich: den Agenturen, von denen man seine Nachrichten erhält, vertraut man. Domradio ist kein Riesenunternehmen.
Ein Versehen dieser Art ist nun passiert. Man hat eine skandalöse Meldung übernommen: Erzbischof Rodriguez Plaza habe misshandelten Frauen in seiner Predigt mitgeteilt, sie seien an ihrer Lage selbst schuld. Diese Meldung ist offenbar falsch. Und ist sie falsch, ist sie bösartig und für den Bischof (und die ganze Kirche!) eine schwere menschliche Verletzung. Doch bevor man das offen korrigiert, braucht man offenbar erst einmal viel Zeit zum Nachdenken: Der Artikel sei aufgrund vieler Rückmeldungen vorerst offline heißt es lakonisch auf Facebook, man habe keine Zugriffsberechtigung heißt es auf der Website. Keine Richtigstellung, keine Entschuldigung.

Es ist verständlich, dass man jetzt gründlich recherchiert, sogar wichtig ist das. Doch eins geht nicht: nur das eigene Portal zu putzen. Liebes Domradio, hier wurde ein Schaden angerichtet. „Unsere Meldung, Erzbischof Rodriguez Plaza habe misshandelten Frauen die Schuld an ihrem Zustand gegeben, war falsch. Wir bitten ihn und unsere Leser um Entschuldigung. Eine Übersetzung seiner Predigt, auf die wir uns bezogen, finden Sie hier.“ Seid Ihr unsicher, dann schreibt eben „…war offenbar falsch. Für diesen Fall bitten wir…“. Aber schreibt!

Ohne eine solche Meldung an prominenter Stelle entsteht der Eindruck, oder besser: so wird klar, dass es mehr um die Firma geht als um die Inhalte. Dass man mit dem Werfen von Dreck schneller ist, als mit dem angesagten Aufräumen. Dass andere Schaden nehmen dürfen, nur man selbst nicht. Für ein katholisches und sogar kirchliches Unternehmen geht das gar nicht. Willst Du das sein, was Du zu sein vorgibst, Domradio, dann handele.


1. Ergänzung:

Inzwischen hat sich etwas getan (LINK). Nun, das ist sicher löblich, aber es ist feige.

Nein, das ist keine „mediale Fehlinterpretation“, sondern eine Falschaussage. Nein, es waren nicht „Einige Medien“, sondern KNA und Domradio selbst.
Der Bischof von Toledo weist keine Vorwürfe zurück – das täte jeder, gleich ob er recht hat oder nicht – sondern es ist klar, dass die Zitate falsch waren.
Wenn man erst jemanden unglaubwürdig macht und dann als Dementi in indirekter Rede, also im Konjunktiv, wiedergibt, wie er sich verteidigt, ist das unzureichend. Klare Zitate gibt es nur „laut dem vom Erzbistum verbreiteten Predigttext“. Verbreiten können die hinterher viel, denkt der Leser.
Um im Bild vom Kaffee oben zu bleiben: hier wird nicht "Entschuldigung" gesagt, sondern den anderen in der Runde wird mitgeteilt: "Mein Sitznachbar sagt, es sei eine gute Hose gewesen."
Komisches Verhalten!

Es geht hier nicht um das Aufklären eines Missverständnisses irgendwelcher Medien, sondern um Anstand, Entschuldigung und die Rücknahme einer eigenen Falschmeldung.
Nun, man kann nicht alles haben. Möglicherweise ist das so ja schon eine stramme Leistung.


2. Ergänzung:

Auf Facebook hat sich Domradio für die Falschmeldung entschuldigt. Man habe das auf der Website richtig gestellt. Der Link dorthin verweist allerdings nach wie vor auf die "mediale Fehlinterpretation".
Nun ja. Warten wir, ob da noch was kommt.

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