Freitag, März 31, 2006

Stein des Nicht-Anstoßes

In unserer Firmgruppe wurde die Frage diskutiert, ob es Gott gelingen könne, einen Stein zu erschaffen, den er selbst nicht heben könne. Nach C. S. Lewis ist diese Frage weniger eine Frage nach Gottes Möglichkeiten, sondern vielmehr nach dem, was in sich sinnvoll oder in sich widersinnig ist.

In seinem Buch »Über den Schmerz« fand ich diesen Text:

Allmacht heißt »die Macht, alles und jedes tun zu können«. (Die ursprüngliche Bedeutung im Lateinischen mag gewesen sein: »Macht über alles oder in allen Dingen«. Ich gebe hier wieder, was ich für den landläufigen Sinn halte.) In der Bibel wird uns gesagt, daß »bei Gott alle Dinge möglich sind«. In der Erörterung mit einem Nichtchristen bekommt man häufig genug gesagt, Gott würde, falls Er existierte und falls Er gut wäre, dieses oder jenes tun; und wenn wir dann darauf hinweisen, daß »dieses« oder »jenes« zu tun unmöglich sei, dann hören wir die Entgegnung: »Aber ich dachte, von Gott würde angenommen, Er könne alles tun.« Damit sind wir bei der Frage, was unmöglich sei und was nicht.

Im gewöhnlichen Sprachgebrauch ist im Wort unmöglich durchweg ein unausgesprochener Nebensatz mitgemeint, der mit den Worten beginnt: »es sei denn...«. So ist es mir unmöglich (von dem Platz aus, an dem ich jetzt sitze und schreibe) die Straße zu sehen, »es sei denn«, ich steige in das oberste Stockwerk, von wo aus ich über das dazwischenliegende Gebäude hinwegblicken kann. Hätte ich das Bein gebrochen, so würde ich sagen: Aber es ist unmöglich, ins oberste Stockwerk zu steigen - womit ich meine: dies ist unmöglich, »es sei denn«, Freunde kommen und tragen mich hinauf. Nun wollen wir einen weiteren Schritt tun zu einer neuen Stufe von Unmöglichkeit. Wir sagen: »Es ist in jedem Fall unmöglich, die Straße zu sehen, sofern ich bleibe, wo ich bin, und sofern das dazwischenliegende Gebäude bleibt, wo es ist.« Es könnte aber jemand hinzufügen: »Es sei denn, die Natur des Raumes oder des Sehens wäre anders, als sie ist.«

Ich weiß nicht, was die Philosophen und Wissenschaftler hierzu sagen würden. Aber ich würde zu antworten haben: »Ich weiß nicht, ob der Raum oder das Sehen möglicherweise von der Art sein könnten, wie du es vorschlägst.«

Nun ist es klar, daß die Worte »möglicherweise... sein könnten« hier eine absolute Art Möglichkeit oder Unmöglichkeit meinen, verschieden von den nur relativen Möglichkeiten oder Unmöglichkeiten, die wir bislang betrachtet haben. Ich vermag nicht zu sagen, ob Um-die-Ecke-sehen in diesem neuen Sinn »möglich« ist oder nicht; denn ich weiß nicht, ob es widerspruchsvoll in sich selbst ist oder nicht. Ich weiß aber sehr genau, daß es absolut unmöglich ist, wenn es in ,sich selbst widerspruchsvoll ist. Das »absolut Unmögliche« mag auch das »in sich Unmögliche« heißen; denn es trägt seine Unmöglichkeit in sich selbst, statt sie von andern Unmöglichkeiten zu borgen, die ihrerseits wieder von andern abhängen. Hier kann nicht ein »es sei denn« hinzugedacht werden. Es ist unmöglich unter allen Umständen und in allen denkbaren Welten und für jeden. »Für jeden«: darin ist selbst Gott miteinbegriffen. Seine Allmacht bedeutet die Macht, alles zu tun, was in sich möglich, nicht aber zu tun, was in sich unmöglich ist.

Du darfst Ihm Wunder zuschreiben, aber nicht Widersinn. Dies bedeutet keine Begrenzung Seiner Macht. Wenn es dir einfällt zu sagen: »Gott kann einem Geschöpf einen freien Willen geben und gleichzeitig ihm den freien Willen vorenthalten«, - dann ist es dir einfach nicht gelungen, irgend etwas über Gott auszusagen. Sinnlose Wortverbindungen werden nicht plötzlich dadurch sinnvoll, daß wir ihnen die beiden Worte »Gott kann« voranstellen. Es bleibt wahr, daß alle Dinge bei Gott möglich sind; das innerlich Unmögliche aber ist nicht ein Ding, sondern ein Nichts. Es ist für Gott genausowenig möglich wie für das schwächste Seiner Geschöpfe, von zwei einander ausschließenden Alternativen beide zu verwirklichen; nicht weil Seine Macht behindert wäre, sondern weil Unsinn eben Unsinn bleibt, selbst wenn er von Gott handelt.


C. S. Lewis, Über den Schmerz, Brunnen-Verlag, Gießen 1998, ISBN 3-7655-3355-6, Seite 23f

1 Kommentar:

  1. An der Stelle mal meine Gedanken zum Thema zu schwerer Stein für Allmacht:

    1.) Ich finde es immer wieder witzig, wenn Atheisten mit der Frage ankommen und meinen, damit wäre die Allmacht widerlegt. Also: Wenn man eine Sache nicht versteht, heißt das erstmal vor allem, daß man selbst blöd ist. Dafür Gott verantwortlich zu machen, daß wir einem Paradoxon hilflos ausgeliefert sind, ist unfair und erinnert an den Fuchs, der Kirschen, die jenseits seiner Reichweite stehen, als zu sauer bezeichnet.
    Wenn ich mich recht erinnere, hat William von Ockham mal gemeint, Gott sei über ein Paradoxon erhaben. Ok, aber das ist eine unbefriedigende Antwort.

    2.) Es stellt sich die Frage, was für Gott bedeutet, etwas zu können. Wenn Gott allmächtig ist, gilt können=wollen. Und Gott kann einen Stein erschaffen, den er nicht mehr anheben will - er hat es mit unserem freien Willen gemacht, wenn man so will. Gott will daß wir ihn von uns aus lieben (bzw seiner Liebe antworten), und keine Roboter - auch wenn das manchmal leichter wäre und einiges an Leiden diesem Planeten ersparen würde. Wenn man so will, ist damit der Freie Wille und alle Konsequenzen desselben ein Stein, den Gott erschuf und nun nicht mehr aufheben kann. - weil er es nicht will.

    3.) Außerdem ham wir Christen noch zwei Ässer im Ärmel, nämlich die Dreifaltigkeitslehre und die Lehre der zwei Naturen Christi. Gottvater, Gottsohn und der Hl. Geist sind ein Wesen, aber Christus ist unter dem Kreuz, daß er (über Umwege, wenn man so will, sprich die Bäume etc.) selbst erschuf, dreimal gestürzt.

    Ich weiß nicht, ob das die Auflösungen des Paradoxons sind, ich persönlich gönn mir den stinkenden Luxus des Eigenlobes und meine, daß es jedenfalls ganz gute Denkansätze sind.

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