Freitag, August 17, 2012

Wieder hochgeholt: Gesellschaftliche Logik

[Von Bastian]
Die beiden Meldungen, auf die ich heute stieß (siehe letzter Beitrag) veranlassen mich, folgenden älteren Text noch einmal einzustellen.

Was ist eine kinderfreundliche Gesellschaft? Die heutige Definition sagt: das ist eine Gesellschaft, in der Kinder nicht zum Nachteil werden, eine Gesellschaft, in der man den Mut hat, Kinder in die Welt zu setzen. Kinder zu bekommen soll keine finanziellen Einbußen bedeuten und keinen Ausschluss aus dem Berufsleben. Es soll keine Abkoppelung von der beruflichen Weiterentwicklung geben: auch eine Karriere muss möglich sein. Kurz: Beruf und Familie sollen vereinbar sein. Alles wichtig. Aber: ist das kinderfreundlich?
Ist eine Gesellschaft wirklich kinderfreundlich, deren Botschaft im Klartext lautet: Gehe arbeiten, mache Karriere, bleibe bloß nicht zu Hause, lebe mit Kindern so, als hättest Du keine! Gerade in der Forderung, Kinder dürften kein Hindernis sein, wird der kinderlose Zustand als der erstrebenswerte hingestellt. Das Verständnis gilt nicht denen, die sich Kinder wünschen, sondern denen, die sie notfalls in Kauf nehmen.
Die Willkommensbotschaft an die Kinder lautet: wir haben deine Existenz ermöglicht, indem wir alles getan dafür haben, dass du nicht störst. Deshalb bezahlen wir dafür, dass du ganz schnell in einer Krippe von anderen versorgt werden kannst und später möglichst den ganzen Tag in der Schule bist und gefördert wirst.
Gefördert? Warum? Reicht das Kind denn nicht, wie es ist? Nein, es reicht nicht. Die Gesellschaft verlangt Qualifikationen, die ohne Förderung für viele nicht erreichbar sind, die wir aber brauchen. Kinder sind unsere Zukunft! Kindergeschrei ist bekanntlich Zukunftsmusik.
Moment, wessen Zukunft? Nun, unsere. Um es klar zu sagen: damit wir unseren eigenen Lebensstandard halten können, brauchen wir die Kinder. Nicht um ihrer selbst willen. Das Leben, dass die Gesellschaft möglichst wenig von Kindern beeinträchtigt wissen will, soll ihr im Alter von ebendiesen Kindern weiter ermöglicht werden. Die Kinder sollen die Folgen ihrer eigenen Ausgrenzung finanzieren. Dazu werden sie präpariert und gefördert, dafür bekommen sie Zuwendung. Finanzielle Zuwendung. Die Gesellschaft klopft sich derweil ob derart viel Fürsorge und Kinderfreundlichkeit stolz selbst auf die Schulter.

Wann wird diese Gesellschaft wirklich kinderfreundlich sein? Sie wird es an dem Tag, an dem sie unsere Kinder nicht einplant, sondern sie willkommen heißt, wie sie sind. Sie wird es an dem Tag, an dem sie nicht mehr sagt, die Zukunft werde durch Kinder ermöglicht, sondern sagt, die Gegenwart werde durch sie lebenswert.
Kinder sind unsere Gegenwart.

5 Kommentare:

  1. Anonym1:15 PM

    Zu der verqueren Geisteshaltung paßt, daß auch alles, was die Kinder lernen, "nützlich" sein soll. Das Kind lernt ein Musikinstrument, weil das die Feinmotorik und die mathematischen Fähigkeiten schult. Es geht in den Sportclub, weil das die Sozialkompetenz schult. Es lernt Sprachen, weil das die beruflichen Chancen verbessert. Nichts darf einfach Freude machen, nicht das Kind und nicht dem Kind.

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  2. WUN DER BAR !!! Kannst du das nich als offenen Brief an alle Bundestagsabgeordneten, besonders die hier Zuständigen, verschicken?

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  3. Danke genauso isses.
    Schon die erste Rassel muss pädagogisch wertvoll sein.

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  4. Anonym1:51 PM

    Der Artikel gefällt mir gut, vielen Dank.

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