Mittwoch, Juni 29, 2016

Wieder hochgeholt

Irgendwie war uns danach, diesen Beitrag wieder einmal hoch zu holen.
Nicht ganz aktuell, aber er passt in die Stimmung der derzeitigen Diskussionen.

Es ist soweit: Herder gerät in Seenot. Nachdem der Prozess gegen Tolkiens Verlage wegen Namensrechtsverletzung („Herder Ringe“) verloren ging, sucht man verzweifelt per Umfrage nach einem erweiterten Kundenkreis. Dabei beschreitet man neue Wege: die Kompetenz der Macher dieser Umfrage wurde durch die Ankündigung eines „Dankeschöns“ ersetzt, das man sich sichern kann, indem man seine Emailadresse hinterlässt. Kaufen statt überzeugen – ein völlig neuer Missionsaspekt! Wie man auf diese Weise für die Kirche arbeiten kann, ist mir unklar. Ich finde das weder kirchentreu noch kritisch, sondern nur zum Kotzen. Oder, theologisch ausgedrückt: hier handelt es sich weder um eine Hermeneutik der Kontinuität, noch eine des Bruches, sondern um eine des Erbrechens.

Da man aber bekanntlich niemanden ausgrenzen soll, hier unsere Antwortvorschläge:

1. Brennen die Anliegen, die die Pfarrer-Initiative in Österreich vorbringt, vielen Gläubigen auf den Nägeln?
Mag sein. Interessanter ist die Frage, ob Nagelbrand dazu berechtigt, Bischöfen Feuer unterm Hintern zu machen.

2. Schaden die vielfältigen Forderungen nach Reformen bei uns der Einheit der Weltkirche?
Ja. Zugleich gefährden sie den Frieden, killen das Klima, schaffen Arbeitslosigkeit und Elend und stürzen Gott in Selbstzweifel. Soviel Selbstbewusstsein muss sein.

3. Gibt es zur Zusammenlegung von Gemeinden aufgrund des Priestermangels heute Alternativen?
Selbstverständlich: mehr Weihen vornehmen. Auf ähnliche Weise könnte man auch den Mangel an Landärzten, Statikern, Fluglotsen und OP-Schwestern beheben. Einfach ernennen.

4. Muss die Kirche vor Ort bleiben?
Natürlich! Nur wer vor Ort ist, kann von dort vertrieben werden. Ohne Kirche vor Ort würden ganze Zeitungen (Donaukurier) Konkurs gehen!

5. Schadet es der Liturgie, wenn Priester viele Gottesdienste an einem Wochenende feiern müssen?
Also wenn ich sehe, wie so manche Liturgie abläuft, meine ich, die können gar nicht genug üben!

6. Sind Wortgottesdienste mit Kommunionempfang am Sonntag eine Alternative zur Eucharistiefeier, wenn kein Priester zur Verfügung steht?
Sind Hochzeitstorten eine Alternative zur Hochzeitsfeier?

7. Sollte die so genannte Laienpredigt auch offiziell möglich sein?
Das würde ihnen den Charme des Aufmüpfigen nehmen. Zudem würde im Siegestaumel der predigenden Laien sofort die Frage laut, warum Hunde ausgeschlossen sind. Dasselbe Gekläff, doch mit was für treuen Augen!

8. Können neue Zugangswege zum Weiheamt die Probleme der katholischen Kirche lösen?
Die Mitarbeiter des neu zu gründenden Weiheamtes prüfen wohlwollend alle Anträge auf Weihe. Die Zugangswege sollten natürlich barrierefrei sein. Frauenparkplätze wären wünschenswert.

9. Sollten wiederverheiratete Geschiedene offiziell zum Kommunionempfang zugelassen werden können?
Der einmal im Jahr im Weiheamt stattfindende Große Kommunionempfang sollte jedermann offen stehen. Mit dem Erlös der Eintrittskarten und der Tombola wird das Hostienbäckereimuseum saniert.

10. Braucht es neue Gottesdienstformen, um auch jüngere Milieus anzusprechen?
Die Frage kann so nicht beantwortet werden, da es zum einen eigentlich keine Gottesdienstform mehr gibt, die noch nicht ausprobiert wurde (siehe auch Frage 5) und zum anderen in den entsprechenden Milieus noch die Abstimmung mit den Luftballons läuft.

11. Müssen die Gläubigen in der katholischen Kirche auf allen Ebenen besser an Entscheidungen beteiligt werden?
Eigentlich nicht. Die offizielle Einführung sogenannter Laiendogmen würde reichen, wenn diese mit der nötigen Autorität und Frauenpower durchgesetzt würden.

Freitag, Juni 24, 2016

Der Brexit ist da.

Der Brexit ist da, und was passiert?
Hofreiter fordert im Fernsehen mehr Demokratie und mehr Geld für Krisenländer. Beatrix von Storch hat „vor Freude geweint“ (widerlich!). Merkel muss weg oder endlich richtig ran, die Linken fordern mehr links, die Konservativen mehr Konservativismus – eben jeder mehr von dem, was er immer schon wollte. Jetzt erst recht.
So bleiben alle in ihren Strukturen kleben. Jeder sieht sich bestätigt. Jeder sagt, Europa müsse zusammenrücken, und meint damit, die anderen müssten näher zu ihm rücken. Niemand hat den Schuss gehört, denn jeder ist überzeugt, dass nur die anderen ihn hören mussten.

Jetzt gehen sie also raus, die Briten. Ab sofort läuft ein großer Teil der Abstimmungen ohne sie. Was wird passieren?
Keiner weiß es, doch eines fällt auf: Dass nämlich nahezu ausschließlich vom Geld und von der Wirtschaft die Rede ist, wenn über die Folgen gesprochen wird. Das Geld steht an erster Stelle. Und weil Europa von seiner Einheit lebt, Deutschland allen voran, wird man es den Briten richtig schwer machen. Man wird dafür sorgen, dass sie es spüren bis an den Rand des Tragbaren, und dass sie es schnell spüren, denn was sollte besseren Schutz vor weiteren Abspaltungen bieten, als diese eine, wenn sie wirtschaftlich misslingt?
Die Loslösung Englands vom restlichen Europa wird tiefer, als man jetzt glaubt. England kann dabei viel größere Probleme bekommen, als geplant, bis hin zu Spaltungstendenzen.
Wirtschaftlich dürfte das daneben gehen, sozial dürfte es ebenfalls sehr schwer werden für das Vereinigte Königreich. Es wird vielen Menschen dort materiell schlechter gehen.
Also ein Fehlschuss?

Ein klarer Fehlschuss, ja, wenn man das als Maßstab nimmt. Doch ist das der Maßstab? Es ist eines der größten Probleme Europas: dass die Vision eines friedlichen und geeinten Kontinents durch die Vision eines reichen Kontinents ersetzt wurde und die Vision von Menschlichkeit durch die Vision von Bürgerlichkeit. Die Aufbauphase eines zerstörten Europas ist im Suchen nach Wohlstand versickert. Übrig bleibt eine trübe Pfütze von „Gib mir genug Geld und ansonsten meine Ruhe“.
Europa ist im politischen Kleinkrieg nicht mehr visionsfähig. Ohne gemeinsame Vision brechen Nationalismen auf. Nicht, weil plötzlich alle braun denken, sondern weil sie schwarzsehen. Europa ist ein steiniger Weg. Wozu sollte man ihn gehen, wenn man kein Ziel hat? Ohne Licht am Ende des Tunnels in Form eines gemeinsamen Ziels jenseits des Wohlstands bleiben nur die Stolpersteine. Doch wozu ständig stolpern, wenn es nichts bringt? Den Krieg hat kaum einer noch erlebt, der Frieden als Vision hat nahezu ausgedient. Egal, wohin man schaut: jeder, der den Frieden beschwört, fordert zugleich harte Worte, klare Kanten, will etliches endlich einmal sagen dürfen und andere Tendenzen sanktionieren. Frieden nach den eigenen Vorstellungen. Und so bleibt als Vision nur die, Europa zu verlassen. Diese Vision trug in Großbritannien den Sieg davon.

Es wird sich zeigen, ob der Preis, den Britannien wird zahlen müssen, lohnt. Doch wenn Europa weiterhin agiert, wie es agiert, wenn es sich weiterhin weigert, die Herausforderungen der Zeit als Vision anzunehmen und kämpferisch anzugehen, wenn Europa sich weiterhin zersplittert, weil jeder besser weiß, wie man mit Geld umgeht, dann war es für die Briten vielleicht der unbequeme Entschluss, ins Rettungsboot zu springen. Dort ist es eng und unbequem und man hat wenig Vorräte. Aber man entkommt dem sinkenden Schiff.