Es ist amtlich: der leibliche Vater eines Kindes hat keinen Anspruch auf die Anerkennung seiner Vaterschaft, wenn Kind und Mutter mit einem anderen Mann leben, der die Vaterschaft seinerseits anerkannt hat. Das Gericht befand, dass ein Vater kein Recht habe, die Vaterschaft anzufechten, da zwischen einem anderen Mann und dem Kind eine sozial-familiäre Bindung bestehe, die andauere, obwohl erwiesen sei, dass dieser andere Mann nicht der leibliche Vater sei. In einem zweiten Fall wurde bei durchaus begründeter Annahme der Vaterschaft ein Vaterschaftstest verweigert – aus gleichem Grund. Beiden Urteilen stimmte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu.
Solche Urteile erregen Unmut, ist es doch zugleich eine Selbstverständlichkeit, dass beide Väter zu einem Vaterschaftstest und – bei positivem Ausgang – zu Unterhaltszahlungen gezwungen worden wären, läge der Fall anders herum. Die Pflicht, für ein Kind aufzukommen, wird höher eingestuft als das Recht, als Vater anerkannt zu werden, der man ist. Schlechte Zeiten für Männer?
Ich denke, es gibt drei wesentliche Aspekte, um diese Urteile zu bewerten.
Da ist einmal der leibliche Vater – der kommt wie gesehen schlecht weg.
Da ist zum zweiten das Kind. Für das Kind schafft das Urteil erst einmal Sicherheit und Ruhe. Es lebt in einer Beziehung, aus der es nicht vollständig stammt, daran ist nichts zu ändern. Ihm wäre nicht geholfen, wenn es zudem noch zwischen mehreren Beziehungen zerrissen würde. Wenn es z.B. jedes zweite Wochenende in einer anderen Stadt verbringen müsste, nicht weil es das so will, sondern weil jemand sein Recht darauf geltend macht. Dass das Kind irgendwann die Tatsache verdauen muss, dass es von einem anderen Mann abstammt, als von Papa, und dass es den nie kennenlernen durfte, obwohl der es kennen wollte, ist der traurige Preis, den es dafür zahlen muss. Ein Urteil, das dem Kind diese Last abnehmen kann, gibt es nicht.
Dann ist da noch die Gesellschaft, die in der Rechtsprechung über solche Fälle befinden muss. Sie steht vor der Frage, was wichtiger ist: Abstammung oder Beziehung der Mutter. Zu Konflikten dieser Art kann es in größerem Umfang überhaupt nur kommen, wenn dauerhafte Beziehung, Sex und die Zeugung von Kindern als drei getrennte Bereiche angesehen werden; erst so werden Probleme dieser Art überhaupt logisch möglich. Daher zeigen Konflikte wie diese auf der rechtlichen Ebene die Folgen unserer Sexualmoral. Es gibt Sex – und es gibt die (hoffentlich) dauerhafte Beziehung. Folglich gib es den „leiblichen Vater“ und den „rechtlichen Vater“. Das Kind zahlt dabei für die vermeintliche Freiheit der Elterngeneration. Die löst für sich das Problem dergestalt, dass sie den Konflikt, in dem das Kind nun steht, einfach leugnet: es hat dem Kind egal zu sein, von wem es abstammt. Es wird zwei Männern genauso gegeben wie zwei Frauen, wobei es nur konsequent wäre, wenn auch die zweite Frau einen Vaterschaftstest ausschließen könnte. Es dürfte eine Frage der Zeit sein, bis der erste Fall dieser Art verhandelt wird.
Um die eigene sexuelle Freiheit zu erhalten, werden Menschen – Kinder – zum Rechtsobjekt. Sie werden je nach Rechtssituation behandelt, bis hin zum Objekt, das man vor der Geburt entfernen kann.
Ich wage die Prognose, dass unserer Gesellschaft ihre Strukturen und Systeme eines Tages in einem Aufschrei der von ihr misshandelten Kinder in Stücke zerbrechen werden.
Die Frage, sie sich mir bei der ganzen Sache stellt, ist die: Zu welchem Zeitpunkt (nach wie vielen Jahren) macht ein leiblicher Vater diese Beziehung zum Kind geltend? Wie kam es dazu, dass die Mutter einen Vaterrolle-willigen Menschen fand, der sie in der Schwangerschaft unterstützte?
AntwortenLöschenDas wird in den Artikeln nicht gesagt ...
Bravo, Bastian! Genau so ist es leider. "Sexualisiert die Jugend, und sie gehört euch", war das nicht Lenin?
AntwortenLöschen@ Papsttreu Das war wohl eher Wilhelm Reich. Das Problem scheint mir in dem durch zahlreiche gesetzliche Regelungen gefestigten Prinzip der "sozial-familiären" Familie zu liegen. Biologie ist nichts, das "Soziale" ist alles. Ansonsten ist das Urteil, daß die deutsche Rechtslage bestätigt, auf den ersten Blick durchaus kinderfreundlich zu sein. Es verhindert nämlich, daß ein Kind, daß sich in einer Familie mit "Vater" und Mutter eingerichtet hat, auf Biegen und Brechen mit einer bitteren Wahrheit konfrontiert wird, nämlich daß sich seine biologischen Eltern getrennt haben, daß vielleicht der Vater die Mutter verlassen hat. Es zwingt niemanden zur Lüge, aber ermöglicht doch, Irritationen vor allem für kleine Kinder zu vermeiden. Die Wahrheit macht uns nicht immer frei.
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