Mittwoch, Februar 06, 2013

Mitschwimmen oder untergehen.

[Von Bastian]


Frau Schavan ist ihren Doktortitel los. Das kommt nicht überraschend: kaum jemand hat daran noch gezweifelt. Ich auch nicht.
Diese meine Erwartung hatte jedoch als Grundlage keinerlei Wissen. Ich kenne Frau Schavan nicht, habe die Doktorarbeit nicht gelesen, kenne die Damen und Herren nicht, die ihr den Titel nun aberkennen wollen und auch die Gründe nicht, derentwegen sie das wollen. Eigentlich weiß ich über den Fall nichts.
Was in der letzten Zeit in den Medien ablief, nährte meine Erwartung auf ganz andere Weise, als durch handfestes Wissen. Es war schlicht die Menge der Berichte und ihre Nachdrücklichkeit, ihre Allgegenwart, die keinen Zweifel am Ausgang zuließen.

Annette Schavan allenthalben. Ein möglicherweise aberkannter Doktortitel überall. Natürlich keine Vorverurteilung, jedoch viele Spekulationen, die nur dieses eine Szenario hypothetisch beleuchteten: was passiert, wenn sie ihn verliert, den Titel? Kann sie dann noch Ministerin sein? Wie sollen wir mit Politikern umgehen, die sich ihre Titel erschleichen? Kann man der Regierung noch trauen? Wer ist der/die nächste? Alles sauber und legal. Aber trotzdem: Die haben doch alle Dreck am Stecken, wie es scheint.

Wenn James Bond ein Auto fährt, ist die Herstellerfirma stolz darauf. Kaum eine Werbung ist besser, als in positivem Zusammenhang mit gezeigt und genannt zu werden. Die Marke hat viel Geld dafür gezahlt, dass er gerade diesen Wagen fährt. Sie weiß um den Wert der Assoziation.

Frau Schavan wurde nach diesem Prinzip seit Wochen konsequent als potentielle Betrügerin dargestellt. Dabei ist es gleich, ob für oder gegen sie geschrieben wurde: stets war sie die potentielle Täuscherin und Vertuscherin. Assoziation wurde aufgebaut, nicht Faktenwissen geschaffen. Das einfache Prinzip lautet: es ist gleich, wodurch eine Welle ausgelöst wird. Wenn sie hoch genug ist, kann man in ihr ertrinken. Es ist gleich, warum eine Sau durchs Dorf getrieben wird. Ist sie dick und wild genug, richtet sie Schaden an. Es ist der Werbung gleich, ob die Leute schreien: Trinkt Coca Cola! oder ob sie schreien: Trinkt keine Coca Cola! – Hauptsache sie schreien trinken und Coca Cola. Und es ist auch gleich, ob sie schreiben: Schavan betrügt! oder ob sie schreiben: Schavan betrügt nicht! – immer schreiben sie Schavan und betrügen. Am Ende weiß keiner mehr, was eigentlich genau los war, aber eines ist erreicht: jeder, der da nicht mitschreit, macht sich selbst verdächtig.

Die Universität konnte gar nicht mehr anders, als Frau Schavan den Titel abzuerkennen. Sie wäre anderenfalls in genau diesen Strudel aus potentiellem Betrug und nachfolgender Vertuschung hineingeraten. Was ist der Reputation, was mit Zuschüssen, wenn dort möglicherweise wissenschaftliche Titel nach Gusto verteilt werden? Allein die Möglichkeit ist tödlich. Die Möglichkeit jedoch kann durch Beschuldigung jederzeit ins Leben gerufen werden.

Daher kam meine Erwartung. Sie will keinerlei ehrliche Diskussion übder den Fall diskreditieren. Doch für die Entscheider dürfte die notwendige Flucht vor der Assoziation präsent gewesen sein. Es war kaum noch möglich, nicht mit dem Strom mitzuschwimmen, der eigentlich gar keiner war.

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