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Als ich am 3. Juli 2007 zum ersten Mal eine Heiligen Messe in der – damals ganz knapp noch nicht – außerordentlichen Form besuchte, hatte ich mich darauf eingestellt, ein Apostelfest mitzuerleben. Wie verwundert war ich, daß der Apostel Thomas am 3. Juli nicht gefeiert wurde!
Zum ersten Mal verstand ich, daß mit der Neuordnung des Liturgischen Kalenders viele Katholiken ihren Namenstag, der doch immer mit einem bestimmten Datum, Erinnerungen, Gerüchen verbunden ist … verloren haben. In der Zwischenzeit spielt der Namenstag bei vielen Katholiken nur noch eine untergeordnete Bedeutung. Ich will diesen Verlust nicht der Kalenderreform in die Schuhe schieben. Doch er hat auch mit Irritation zu tun. Wenn Rationalismus die Heiligenverehrung infrage stellt, können Änderungen der Lebensgewohnheiten den Verlust doch nur beschleunigen. Und mehr: Wenn alles igegendwie verfügbar und veränderbar ist, dann ist es für mich auch nicht mehr verpflichtend. Natürlich weiß ich, daß es Kalenderreformen immer schon gegeben hat.
Ein Argument, das ich gegen die »Freigabe« oder »Zulassung« der alten Messe immer wieder höre, sind die unterschiedlichen Kalender. Die Kirche könne es sich auf Dauer nicht leisten, mit zwei Kalendern zu leben. Das mag sein. Und zeit meines Glaubenslebens habe ich die Feste des Kalenders der Zeit nach der Liturgiereform immer als gnadenvermittelnd erlebt und gefeiert. Wozu also die Rückkehr alter Zöpfe?
Was wir heute erleben, und was sich als Irritation in dieser Diskussion niederschlägt, ist, wie ich meine, schon ein wenig auf die Rücksichtslosigkeit der Reform zurückzuführen. Um es mit einem Bild zu beschreiben: Da wurden alte Eichen verpflanzt, jahrhundertealte Straßenzüge verlegt … ganz so, wie sich auch das Erscheinungsbild unserer Städte und Dörfer in dieser aufbruchsfreudigen Zeit veränderte.
Als Gestalter finde ich, daß säkulares Design und »Kirchendesign« zu wenig miteinander verglichen werden. Unter Kirchendesign verstehe ich nicht nur die Inneneinrichtung der Kirche, sondern das Gesamtbild, das die Kirche in allen sichtbaren Bereichen von sich gibt. Also auch die Ordnung ihrer Feste. Ich sage damit nicht, daß ich zu einer Bewertung der alten oder der neuen Form komme. Das steht mir nicht zu. Aber meine Aufgabe kann sein, zu beschreiben, wie ich den Unterschied wahrnehme.
In dem letzten Jahr, in dem ich den alten römischen Kalender ein wenig kennenlernen durfte, habe ich das Vorhandensein zweier Kalender natürlich als eine Spannung erlebt, von der ich nicht weiß, ob und wie sie sich auflösen läßt. Die Spannung ist für mich jedenfalls kein Argument gegen das Vorhandensein zweier Formen des Römischen Ritus, sondern das Ergebnis eines geschichtlich beschreibbaren Prozesses.
Mein Leben in meiner rheinischen Heimatstadt gestaltet sich doch ähnlich. Mich stört das das Vorhandensein einiger Fachwerkhäuser in einer modernen Geschäftsstraße nicht. Es erweckt aber Wehmut. Ich nehme den Bruch, das Mißverhältnis wahr und bedaure Kriege und Krämergeist, die zum Erscheinungsbild unserer Stadt geführt haben. Doch ich bin vorsichtig mit Schuldzuweisungen. Ich ahne das Ungeheuerliche, welches da geschehen ist, und das zur Entfremdung gewachsener Lebenswelten geführt hat.
An jenem 3. Juli 2007 jedenfalls wurde das Fest des heilige Irenäus gefeiert, den ich wegen seines Zeugnisses für die Menschwerdung Gottes sehr liebe. Auch gut! Im stillen nahm ich den Apostel Thomas mit. Offensichtlich konnte man den Baum des alten Kalenders nicht so ohne weiteres ausreißen. Nicht ohne das Erdreich zu erschüttern. Und es war offensichtlich nicht gelungen, alle Wurzeln zu entfernen. Ein unabsehbarer Weg der Versöhnung mit unserer katholischen Tradition liegt vor uns. O Wunder: Er ist mir Reichtümern und Schätzen gespickt.
Deshalb werde ich heute auch an den Apostel Thomas denken. Mit dem Zweiten sieht man besser.