Dienstag, November 14, 2017

Lebenswirklichkeit als Teil der Offenbarung?

Ein paar Gedanken dazu, die mir vorhin spontan kamen.
Wenn mein Glaube überhaupt einen Sinn haben soll, dann braucht es dazu zweierlei: den, an den ich glaube, und dessen Überlegenheit über mich.
Ich kann keinem Stein einen Glauben entgegenbringen, der über ein Für-wahr-halten hinausgeht. Ich glaube, dass es ihn gibt. Sowie der Stein jedoch etwas Spirituelles bekommt, weist er über sich hinaus auf etwas, das mir überlegen ist. Es gibt zwar viele Glaubensgespräche, die sich in der Frage erschöpfen, ob es Gott nun gibt oder nicht, doch das wird der Sache nicht gerecht. Gott ist nur interessant, wen er mir was zu sagen hat, was ich noch nicht weiß. Damit ist der Begriff der Offenbarung schon einmal festgemacht: Von außen kommt etwas zu mir, was von mir nicht kommen konnte. Erst in der Offenbarung sehe ich, was mir vorher verborgen war. Ich sehe mehr, erkenne mehr und komme so der Wirklichkeit näher. Der, an den ich glaube, kennt Welt und Wirklichkeit besser als ich, und er offenbart mir das. Die Offenbarung erklärt mir Welt und Wirklichkeit meines Lebens, meine Lebenswirklichkeit. Tut sie das nicht, taugt sie nichts.
Deshalb ist das Gute am Glauben, dass er nie wirklich zu mir passt. Er kann nicht passen, denn er ist immer größer als ich selbst es bin. Ist er deshalb eine ständig unzufriedene Anforderung an mich, der ich immer unvollkommen bin? Nein, er ist eine ständige Verheißung auf mehr.

Die „Lebenswirklichkeit“, wie sie in die theologische Diskussion eingeführt wurde, ist das Gegenteil davon: sie ist der unerweiterte Bereich. Der Bereich, den es zu dehnen gilt, wenn der Glaube und Gott etwas taugen sollen. Wie aber soll der Bereich, den ich ohnehin erlebe, plötzlich dazu dienen, sich selbst zu erweitern? Das geht nicht. Die Lebenswirklichkeit ist eine Wirklichkeit, die nicht erweitert werden kann, und gerade darauf ist sie stolz: genau so, sagt sie, sieht die Wahrheit aus. Sie will nicht gemessen werden, sondern im Gegenteil selbst zum Maßstab werden, und zwar zum Maßstab über das, was meinen Horizont eigentlich erweitern soll. Wenn aber das kleine Gefäß das Maß für die große Gabe ist, ohne bereit zum Wachstum zu sein, wird die Große Gabe zum sinnlosen Unsinn. Das aber ist das genaue Gegenteil von Offenbarung.

Um hier nicht zwei unterschiedliche Bilder eines Begriffs zu haben, die Lebenswirklichkeit als erweiterbaren Raum für Offenbarung und die Lebenswirklichkeit als Summe der unerweiterten Gegebenheiten möchte ich die letztere umbenennen: sie ist nicht die Lebenswirklichkeit, sondern die Erlebenswirklichkeit. Das trifft besser, was gemeint ist: die Summe dessen, was ich erlebe, was meine Umstände sind, was erst einmal für mich da ist. Sie ist die Welt, wie ich sie erlebe. Als Maßstab für eine Offenbarung taugt sie nichts. Als Maß, an dem jeder Versuch, Offenbartes weiter zu geben, sich messen lassen muss, ist ihre Kenntnis hingegen unverzichtbar. Denn angesprochen werden kann ich nur in der Wirklichkeit, die ich erlebe.

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