[Von Bastian]
Irgendwie passt es zur Situation heute, daher hole ich es mal wieder hoch.
Das Schiff „Kirche“ fährt bei halbem Wind in Richtung Heimat. Immer wieder trifft es auf Menschen, die mitfahren wollen. Die Mannschaft wächst stetig.
Eines Tages jedoch ist alles anders. Die „Kirche“ findet eine Menge Schiffbrüchige, die im Wasser schwimmen, sich an Planken, Fässern und anderem Treibgut festhalten. Einige haben sich notdürftige Flöße gebaut. Sofort macht man Boote und Rettungsringe klar, um den Leuten an Bord zu helfen. Die aber haben Bedenken.
Sie sagen, sie trieben nun schon eine ganze Weile mit dem Wind, und vielen von Ihnen gehe es ziemlich gut. Warum man sie eigentlich retten wolle? Die Besatzung ist erstaunt. Die Matrosen versichern, an Bord sei es schön und sicher. Man sei im Trockenen und habe es warm.
Die Schiffbrüchigen beraten sich. „Ich verstehe!“ ruft einer. „Ihr mögt keine nassen Menschen. Wir sind aber nun einmal nass. Wir passen nicht zu euch.“ Er wendet sich ab. Die Besatzung ist verwirrt. Dann fangen sie an zu lachen: „Nein, keine Sorge. An Bord werdet ihr natürlich abgetrocknet. Warme Sachen haben wir auch für euch.“ Jetzt sind es bereits mehrere, die antworten: „Genau, wie wir dachten: nass sind wir euch nicht gut genug. Sucht euch trockene Schiffbrüchige und lasst uns in Frieden!“
Ein paar jedoch haben nach den Rettungsringen gegriffen. Sie werden ins Rettungsboot gezogen und zum Schiff gebracht. Oben werden sie empfangen, abgetrocknet und warm eingepackt. Dann bekommen sie einen steifen Grog. Fröhlich gehen sie an die Reling und rufen ihren Freunden im Wasser zu: „Kommt schnell! Hier zu sein ist einfach der Wahnsinn! Wir wussten gar nicht mehr, wie gut es tut, warm und trocken zu sein! Und das Zeug hier schmeckt wirklich gut!“ Die Schiffbrüchigen wimmern auf. „Kaum sind sie an Bord, lehnen auch sie uns ab!“ sagen sie zueinander. „Was hat man mit denen gemacht? Ist das noch freiwillig?“ Und obwohl immer wieder einige von ihnen an Bord gehen, werden die restlichen immer misstrauischer.
Einer der Schiffbrüchigen hat eine Idee. „Wenn ihr uns unbedingt an Bord haben wollt," ruft er, "kommt erst zu uns ins Wasser. Dann sehen wir ja, dass ihr es ernst meint.“ Seine Gefährten stimmen ihm zu. Sofort springen einige Matrosen ins Wasser und gesellen sich zu den Schiffbrüchigen. „Jetzt können wir beim Schwimmen helfen!“ rufen sie. „Das ist viel besser, als vom sicheren Schiff aus zu predigen!“
Die Besatzung berät sich. Ob die Matrosen im Wasser Recht haben? Vielleicht gehe es gar nicht darum, alle an Bord zu holen. Vielleicht sei vielmehr da Schiff dazu da, Matrosen zu den Schiffbrüchigen zu bringen. „Wer sind wir, anderen vorzuschreiben, was richtig ist? Ist es nicht besser, wenigstens beim Schwimmen zu helfen?“ Und noch ein paar Matrosen verkünden, ihr Platz sei im Meer, und springen ins Wasser.
Da meldet der Ausguck, dass möglicherweise ein Sturm aufzieht. Er ruft es den Schwimmern zu: „Kommt schnell! Es wird gefährlich!“ „Natürlich!“ schallt es zurück. „Wenn ihr uns nicht überzeugen könnt, fangt ihr an zu drohen. Da sieht man, wer ihr seid!“ Und zueinander sagen sie: man kann viel erzählen, wenn man so hoch sitzt. Der soll erst einmal lernen, was es heißt zu schwimmen, bevor er anderen von Wellen erzählt.
Die Bootsmänner und Steuerleute mischen sich ein. Sie sind uneins. Einige meinen, es sei höchste Zeit, weiter zu fahren. Man komme immer weiter ab vom Kurs. Andere sind dafür, zu warten. Ein paar meinen sogar, man solle die „Kirche“ am besten voll Wasser laufen lassen, damit auch alles an Bord nass sei. Nur so sei man mit den Schiffbrüchigen solidarisch. Keinesfalls dürfe man von Stürmen oder vom Abtrocknen reden, um niemanden zu verschrecken.
Nun spricht der Kapitän. Er zeigt eine große Karte der Heimat, zu der das Schiff unterwegs ist. „Nehmt das Schiff in Kauf, auch wenn es Euch nicht gefallen sollte!“ ruft er den Umhertreibenden zu. „Die Heimat wartet auf Euch! Seht, wie schön sie ist!“ Wieder kommen einige an Bord. Andere rufen: „Wieso gibst du eigentlich die Richtung vor? Ringsum sieht man nur Wasser. Jede Richtung ist gleich. Und du willst uns sagen, wo es lang geht? Das kann jeder mit dem gleichen Recht! Hör zu! Wenn es dir wirklich um uns geht, wende dein Schiff und fahre, wohin wir treiben!“ Der Kapitän erklärt die Seekarten und die Navigation. "Wir treiben nicht," sagt er, "wir segeln und wissen, wohin: in die Heimat." Wieder kommen Menschen an Bord.
Es frischt auf. Ein Schiff wäre jetzt wirklich nicht schlecht. Die Schwimmer bemerken das. „Tut euch zusammen!“ rufen sie sich zu. Sie sammeln all das Treibgut, das sie haben, und bauen sich daraus ein Floß. Sie nennen es „Nasse Kirche“ und versuchen, alle darauf einen Platz zu finden. Das gibt einiges an Chaos und viel Streit. Die „Kirche“ setzt derweil die Segel, sammelt die letzten Willigen ein und nimmt wieder Kurs auf die Heimat. „Auf Nimmerwiedersehen!“ rufen ihr die Flößer hinterher und werfen mit Abfall nach dem Schiff. Sie sind wütend!
An Bord der "Kirche" ist die Stimmung trotz vieler Geretteter gedrückt. „Hoffentlich wird der Sturm nicht zu schlimm!“ sagen alle. Und sie denken an die Menschen auf dem Floß.
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