Donnerstag, September 06, 2012

Was soll ich mit einem Lehramt?

[Von Bastian]
Wenn ich an Gott glaube und damit nicht meine, dass ich alles, was mich fasziniert, zusammenfasse und Gott nenne, dann komme ich schnell an meine Grenzen.
Egal, wie weit ich denke, wie tief und wie umfassend: all das beschränkt sich auf meine eigene Kapazität. Ich kann nichts erkennen, das zu erkennen ich nicht in der Lage bin, und kann keinen Gedanken haben, auf den ich nicht komme. Gott aber ist größer. Viel größer. Wie gehe ich damit um?
„Man weiß et nich!“ sacht der Rheinländer. „Weil man et nich wissen kann.“
Tatsächlich ist das die häufigste Lösung: ich erkenne meine Grenzen und lasse den Bereich jenseits davon das sein, was er ist: unbekannt. Mehr noch: ich lehne alles ab, was mir davon erzählt wird und nicht in meinen Kopf will, ist doch auch das nur Teil dessen, was eben einem anderen klar wurde und damit genauso unvollkommen ist, wie meine Gedanken. Verbindliche Aussagen über einen Bereich, der dem Mensch nicht zugänglich ist, verbieten sich. Jeder erkennt seinen Teil, Glauben und Religion sind somit Privatsache. Ein Lehramt ist sinnvoll, solange es mich bereichert. Darüber hinaus ist es Anmaßung und Indoktrination, schließlich gilt für alle: „Man weiß et nich!“
So sehr das manchem Katholiken missfällt: diese Position ist erst einmal logisch und korrekt. Der Mensch ist begrenzt, auch wenn er Papst ist oder in der Glaubenskongregation für den Erhalt der Wahrheit kämpft. Innerhalb dieser Begrenzung kann er immer nur den Teil der Überlieferung weitergeben, für den seine Kapazität ausreicht. So können Dinge verloren gehen, die neu entdeckt werden müssen, im Bewusstsein, dass auch das wieder ergänzungsbedürftig ist. Die volle Wahrheit passt nicht zum Menschen, weil er begrenzt ist.
Dieser Ansatz ist durchdacht und konsequent.

Nun glauben wir als Kirche allerdings etwas anderes: wir haben ein Lehramt, von dem wir sagen, dass es nicht unter diese Grenzen fällt. Wie kommen wir dazu? Wieso maßen wir uns an, unsere Lehrer (die sich durchaus nicht immer einig sind!) hätten Zugriff auf etwas, was die gesamte restliche Menschheit nicht ohne Hilfe erkennen kann? Wie können sie in ihrer Meinungsvielfalt die eine Wahrheit verkünden? Was unterscheidet die Kirche von einem Expertenclub mit 2000jähriger Tradition? Ganz persönlich: wieso glaube ich Dinge, auf die ich selbst nie gekommen wäre und die mir manchmal sogar widerstreben?
Die Antwort liegt in derselben Logik, der die Einwände folgen. Diese Logik muss ich nicht widerlegen, sondern zu Ende denken. Wenn alles Menschliche automatisch begrenzt ist, kann Weiterführendes nur aus dem Bereich jenseits der Grenzen kommen. Es kann nicht erdacht worden sein, nicht einmal gezielt gesucht worden sein. Es musste aus eigenem Antrieb zu uns kommen. Und damit sind wir am Herzen des Christentums angelangt: Gott hat sich uns offenbart. Das, was wir glauben, kam aktiv zu uns, wurde uns aus eigenem Antrieb erzählt. Deshalb kommt unser Glaube vom Hören, nicht vom Nachdenken.
Da jedoch, wie gezeigt, der Mensch als Medium zur Weitergabe der Wahrheit nicht ausreicht, benötigt die offenbarte Religion eine Pflege durch ihren Offenbarer selbst. Im Alten Testament wurde das durch die Propheten und von Gott berührte Menschen getan: immer hat Gott selbst dafür gesorgt, dass seine Wahrheit nicht in den Köpfen der Menschen langsam verkümmerte. Und heute? Keine Propheten. Aber eine Zusage, die alles erklärt: „Ich bin bei Euch bis ans Ende der Welt!“. Und ein Konzept: „Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen!“. Gott selbst garantiert für Seine Wahrheit und sagt, wo wir sie finden. Ohne diese Garantie wäre die Tradition eine Sammlung alter Sitten und begrenzter Erkenntnis, mit ihr ist sie die immer deutlicher werdende Auskristallisation von Gottes Willen. Ohne diese Garantie wäre das Lehramt dazu verdammt, die Offenbarung langsam zu verschleiern, mit ihr ist es die notwendige Pflege, die Gott selbst Seiner Offenbarung angedeihen lässt. Eine Kirche ohne Tradition und Lehramt wäre keine Kirche Gottes, weil sie Seine Richtlinienkompetenz nicht akzeptierte und nicht bereit wäre, dass Gott durch sie handelt. Gott aber handelt.
Das Vertrauen, das wir in die Kirche haben können, ist umso größer, je weniger wir in ihr die Menschen sehen. Ihre Aufgabe ist keinerlei Selbstzweck: durch sie soll Gottes Licht scheinen, sonst nichts. Kein Heiliger hat je auf etwas anderes vertraut als auf Gott. Die strahlendste Kirche ist die, die sich von allem frei macht, was nicht von Gott kommt, die sich entweltlicht. Damit nicht wir die Wahrheit auf uns selbst zurechtstutzen, weil wir sie haben müssen, sondern selbst wachsen in der Wahrheit, die uns ergriffen hat. Weil sie uns liebt, es will und deshalb selbst zu uns kommt.

6 Kommentare:

  1. Anonym5:10 PM

    Ein bisschen mehr Freude
    Ein bisschen mehr Freude und weniger Streit,
    ein bisschen mehr Güte und weniger Neid,
    ein bisschen mehr Liebe und weniger Haß,
    ein bisschen mehr Wahrheit, das wär doch was!

    Statt soviel Unrast ein bisschen Ruh,
    Statt immer nur ich bisschen mehr du,
    statt Angst und Hemmung ein bisschen mehr Mut
    und Kraft zum Handeln, das wäre gut.

    Kein Trübsal und Dunkel, ein bisschen mehr Licht,
    kein quälend Verlangen, ein froher Verzicht,
    und viel mehr Blumen, solange es geht,
    nicht erst auf Gräbern, denn da blühn sie zu spät.

    Peter Rosegger

    Meine Sympathie für Rosegger und seine altruistische Aussage lässt mich dieses Gedicht schätzen.


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  2. Ein bisschen?
    Das ist nett, aber nicht Gottes Stil.
    Seine Antwort auf Schwarz ist Weiß, nicht ein etwas helleres grau.
    Ginge es in dem Artikel um einen Rat für den nächsten Schritt eines unbekannten Suchenden - ich würde zustimmen. Es geht jedoch um Gott und Seine Offenbarung - da passt das nicht.

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  3. Stefan11:39 AM

    Hallo. Dürfen wir den Artikel für unseren Pfarrbrief verwenden?

    Beste Grüße
    Stefan

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    1. Gern, wenn als Urheber Bastian Volkamer genannt wird und ein Hinweis auf http://www.echoromeo.blogspot.de/ erfolgt.

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