[Von Bastian]
Es gendert mal wieder: ständig stoße ich auf das Thema. Dabei finde ich es so doof wie nur irgendwas.
Ein Baum ist eine „ausdauernde Samenpflanze, die eine dominierende Sprossachse aufweist, die durch sekundäres Dickenwachstum an Umfang zunimmt“. Zudem kann ich mir unter einem Baum etwas vorstellen.
Jetzt könnte natürlich ein Botaniker kommen und feststellen, ich hätte etwas gegen Gänseblümchen. Das sei alles falsch: ein Baum sei weder von dieser Definition noch von meinen Vorstellungen über ihn abhängig. Ein Baum sei, wer es wähle, ein Baum zu sein. Damit wäre der Begriff des Baums sinnlos geworden. Ein Baum könnte dann alles sein. Schön für alle Pflanzen, die schon immer ein Baum sein wollten, könnte man meinen. Nur: es bringt ihnen nichts mehr. Denn sie können sich zwar jetzt Baum nennen, aber nur, weil Baum nichts mehr bedeutet. Das Gänseblümchen, das jetzt nicht mehr diskriminiert wird, hat nur deshalb etwas davon, weil es mit dem Begriff „Baum“ noch das verbindet, was er einmal beinhaltete: groß und stark. Es fühlt sich befreit. Seine kleinen Ableger aber lernen, dass alle Pflanzen Bäume oder Gänseblümchen sind, wenn sie nur wollen, und hauen die Begriffe getrost in die Tonne, denn sie sagen nichts aus. Von ihren Mutterpflanzen indoktriniert werden sie sich wohl hüten, den großen Pflanzen mit Stamm öffentlich einen eigenen Namen zu geben, denn da leidet Mama drunter. Sie hat mit dem Botaniker dafür gekämpft, ein Baum zu sein!
Unter sich, wenn Mama das nicht hört, werden die kleinen Ableger sich mit den riesigen Pflanzen auseinandersetzen, und sie werden neue Begriffe für sich und für Bäume finden. Denn das ist Sprache: sich mittels Worten mit der Welt auseinandersetzen. Dinge und Konzepte werden zu Begriffen, Laute ohne Inhalt werden weggelassen.
Der Botaniker beginnt inzwischen, Baumkronen in die Vase zu stellen und sich Sonntags Nachmittags in den Schatten der Gänseblümchen zu legen und ist ganz traurig, dass alle ehemaligen Gänseblümchen noch so in ihrer Unfreiheit verhaftet sind, dass sie einfach keinen vernünftigen Schatten werfen, und dass die ehemaligen Bäume so arrogant sind, nicht in kleine Väschen zu passen. Eine Schlimme Welt, in der er da lebt!
Unsere moderne Gesellschaft erweist sich als lernresistent gegenüber Gänseblümchen.
Eine Frau ist ein Mensch, der 2 X-Chromosomen hat. Die führen zu bestimmten körperlichen Merkmalen, auf die ich (hier) nicht näher eingehen will. Ein Mann ist ein Mensch, der die Chromosomenkombination XY besitzt, mit den daraus resultierenden körperlichen Eigenschaften.
Zudem haben beide Geschlechter auch seelische Eigenschaften, wobei es für diese Argumentation völlig egal ist, ob die nun genetisch oder kulturell bedingt sind. (Wobei ich es zumindest logisch und naheliegend fände, wenn man sich irgendwie mit den Menschen auch seelisch als Gruppe identifiziert, die dieselben Merkmale haben, wie man selbst.)
Jetzt kommt Gender und sagt: alles falsch. Das Geschlecht sei nicht von den Chromosomen abhängig, und es dürfte auch von der Kultur oder Vorstellungen nicht abhängig sein. Man habe das Geschlecht, das man wähle. Nur: wenn der Begriff des „Geschlechts“ nicht mehr definierbar ist, gibt es nichts zu wählen. Denn: was ist denn dann überhaupt noch ein Geschlecht? Ein Wort für etwas, das es nicht gibt? Die Wahl kann ich mir sparen. Worte stehen für etwas, sonst sind es nur Laute. Ich kann einen Begriff nicht von seinen Definitionen befreien. Ich kann mich schlecht als Mann fühlen, wenn ich nichts habe, an dem ich den Begriff „Mann“ festmachen kann. Vielleicht bin ich ja auch ein Gänseblümchen? Wie dem auch sei: ich habe gefälligst nicht daran festzuhalten, als Mann behandelt werden zu wollen, denn das ist diskriminierend.
Der vielleicht größte Irrtum bei Gender ist der, dass dort Begriff und Inhalt sowohl scharf getrennt werden („jeder kann eine Frau sein“), zugleich aber an die nun inhaltsleeren Begriffe genau die Folgen gekoppelt werden, die der ehemalige Inhalt erforderte. Bäume kommen in die Vase, weil sie auch Blumen sein sollen, Gänseblümchen müssen Windschutz bieten, weil sie, offen, wie sie nun mal sind, auch Bäume sein könnten, Väter bekommen Mutterschutz und Frauen Stehtoiletten.
Wer den Schatten von Gänseblümchen gegen den Sonnenbrand sucht und sich nachts gegen Mondbrand einschmiert, um keinen Himmelskörper zu diskriminieren, ist für mich nicht dümmer als der, der den faktischen Unterschied zwischen Männern und Frauen leugnet. Für den habe ich zum Einstieg in das Thema nur einen sexistischen Tipp: Schau halt mal hin.
Das hast Du ja schön und durchaus auch nicht humorlos geschrieben, allein Kant sagte es kürzer, obwohl der eigentlich, und da beißt die Maus keinen Faden ab, doch eher, wir wollen es mal so nennen, für Bandwurmsätze bekannt war.
AntwortenLöschenKant schrieb:
»Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.«
Ein so richtig aufgeklärter, hochintelligenter und engagierter Blogger (doch, so sieht er sich bestimmt) schrieb mal als Antwort auf einen ähnlichen Artikel meinerseits: "Ihr behauptet nun schon seit geraumer Zeit und wider besseres Wissen, dass es nur zwei Geschlechter gäbe..."
AntwortenLöschenEr führt dann aus, daß "wir" ahnungslos sind, weil wir nicht beachten, daß es Menschen mit uneindeutigen Sexualmerkmalen gibt. Das ist zwar ungefähr so logisch, wie die Behauptung, ich hasse Diabetiker, weil ich behaupte, daß Schokolade für die meisten Menschen sehr tröstlich sein kann - aber es wird mit großem Engagement verteidigt.
Ich fürchte, die Diskussion mit den Verfechtern absoluter Beliebigkeit ist sinnlos. Dennoch besten Dank für diesen Artikel, ich find ihn herzerfrischend.
Genial *find*
AntwortenLöschenDiese Genderdebatte finde ich auch schrecklich ermüdend. Sie wird ärgerlicherweise momentan am stärksten von denen angeheizt, die ein sog. "traditionelles" Familien- und Geschlechterbild vertreten. Ich lese fast nur in konservativen Medien von dem angeblich so bedrohlichen "Genderwahn". Leider sind diese Beiträge sehr oft auf einem schrecklich ungebildeten und populistischen Niveau. Ständig werden lachhafte Karikaturen verbreitet, wonach irgendwelche gefährlichen "Gender-Ideologen" angeblich das Geschlecht abschaffen, Frauen zu Männern und Heteros zu Schwulen umpolen und den Lebensnerv des Abendlandes abschneiden wollen (einige denken wohl sogar, das alles geschehe nur, damit wir anschließend vom Morgenland übernommen werden).
AntwortenLöschenNun mag es ja Leute (gern auch "LBTS") geben, die z.T. abstruse Thesen verbreiten, und die Gender-Mainstreaming-Politik treibt auch manche kuriosen Blüten. Bestand hat das nicht, bei seriösen Wissenschaftlern, die im Genderbereich forschen, habe ich nichts dgl. gelesen. Radikalkritische Vertreter, die die biologischen Grundlagen der Zweigeschlechtlichkeit platt verleugnen, spielen in der wiss. Debatte kaum eine Rolle. Selbst die viel zit. Butler erklärt ja gerade das Ggt., nämlich dass wir aus unseren Geschlechterrollen eben nicht einfach so aussteigen und das Mäntelchen nach Belieben wechseln können und dass ein Leben in "undefinierten" Begriffen, wie es Bastian so treffend beschreibt, ganz menschenunmöglich und unmenschlich ist.
Das Problem ist vllt., dass diejenigen, die diesen "Genderwahn" jetzt immer so aggressiv und grob verfälschend anprangern und sich darüber aufregen, weder C.G. Jung noch Judith Butler lesen, sondern kath.net oder Bild.*)
Ich habe den Eindruck, dieser "Genderwahn" ist größtenteils ein irreales Monster, das gut als Aufreger taugt, weil man unbedarfte Leser damit erschrecken kann, und das die Konservativen darum gern zum Feindbild hochstilisieren und jeden verteufeln, der das Wort "Gender" (ohne "Wahn") überhaupt in den Mund nimmt.
Dass das biologische Geschlecht naturgegeben ist, dürfte klar sein. Die Fragen, die Genderforscher daran knüpfen, drehen sich ja auch gar nicht so sehr um die biologischen Grundlagen, sondern um die sozialpsychologischen und kulturellen Folgen der Zweigeschlechtlichkeit, die dann natürlich ihrerseits wieder auf die Biologie zurückwirken. Vor wenigen Jahrzehnten noch schien es genauso naturgegeben wie das biologische Geschlecht, dass es keine weiblichen Polizistinnen geben kann und dass Männer ihre Wohnung nicht putzen müssen. Dass das so nicht stimmte, ist doch klar.
*) Nachtrag: Man muss übrigens auch nicht C.G. Jung oder Judith Butler lesen, äußerst erhellend aus anthropologischer Sicht sind bspw. Maurice Godeliers "Verwandlungen der Verwandtschaft" (Métamorphoses de la parenté / Engl. von Nora Scott, The Metamorphoses of Kinship).
Mein ultimativer Lesetipp wäre aber die m.E. beste Stellungnahme zum Thema "Gender" aus christlicher Sicht, man findet sie bei Miroslav Volf (Kap. IV in "Exclusion & Embrace", schnell zu lesen, sind nur 24 Seiten, gibt's auch auf Deutsch, aber die Übersetzung ist m.E. sehr schlecht), der es in Auseinandersetzung mit den Trinitätstheologie Joseph Ratzingers und Jürgen Moltmanns höchst aufschlussreich beleuchtet.