Freitag, August 24, 2012

Fünf Brote und zwei Fische

[von Peter Esser] Der folgende Artikel erscheint dieser Tage in der »Bon-id« (Bonifatius in Düsseldorf), dem Gemeindemagazin der zusammengelegten Pfarrgemeinden im Düsseldorfer Süden. Die Zielgruppe sind alle katholischen Haushalte … und das bedeutet natürlich auch eine distanzierte Leserschaft.

Den Titel verdanke ich dem wunderschönen Blog von Andrea, »5 Brote 2 Fische«. Auf die Ausgangsfrage »Was ist das für so viele?« gibt sie in ihrem Blog überzeugende Hinweise.




»Was ist das für so viele?«



Mosaik, Tabgha
Wer das Heilige Land besucht und zum See Genesareth kommt, wird vermutlich die kleine, Brotvermehrungskirche in Tabgha besuchen, die nahe der Stelle errichtet wurde, an der die Speisung der Fünftausend erinnert wird. Die Kirche selbst steht erst seit etwa dreißig Jahren, wurde jedoch in einem schlichten byzantinischem Stil über Resten antiker Vorgängerbauten aus dem vierten und fünften Jahrhundert errichtet. Vor dem heutigen Altar befindet sich ein bekanntes, frühchristliches Mosaik, das die Gaben darstellt, mit denen nach dem Johannesevangelium Jesus die Speisung der Fünftausend wirkte: Fünf Gerstenbrote und zwei Fische.


Unsere Pilgerfahrt, gestaltet vom Deutschen Verein vom Heiligen Land, hatte sich zu Ostern 2011 Zeit genommen, die Ostertage am See zu feiern. Dort konnte ich einige Zeit vor dem Mosaik zu verweilen. Nicht nur die großen Geheimnisse des Glaubens treten da ins Bewusstsein, sondern auch die Frage nach dem Alltag der Menschen, die hier zur Zeit Jesu lebten, arbeiteten … und aßen. Im Frühjahr prägt eine reiche Vegetation die Landstriche am Ufer des Sees, eine frische Brise vom Wasser her mildert die Temperaturen, Plantagen breiten sich zum felsigen Seeufer hin aus. Sieben Quellen, die dem Ort den Namen gegeben haben, versorgen den Landstrich mit Wasser. Ob das zu Zeiten Jesu wohl ähnlich ausgesehen hat?

Das Johannesevangelium gibt jedenfalls schon einen Hinweis auf die Alltagsspeise der Menschen am See: »Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das für so viele?«, sagt Andreas, der Bruder des Simon Petrus. Beide sind Fischer aus der Küstenregion des Sees Genesareth.

Er sättigt dich mit bestem Weizen


Antiker Backofen
Das Grundnahrungsmittel schlechthin ist Brot. Die Zeiten der Feste in Israel sind unter anderem durch die Abfolge der Getreideernten geprägt. Die Brotherstellung gehört zu den häuslichen, gewöhnlich von den Frauen übernommenen Aufgaben: Das Mahlen des Getreides in einfachen Handmühlen, bei denen ein Mahlstein von Hand über einer steinernen Grundplatte bewegt wird, das Kneten des Teiges aus Wasser und Gerstenmehl; nahrhafter wird das Brot, wenn man den Teig mit Olivenöl vermischt. In Backöfen, deren Wände sich sich nach oben in der Form eines umgekehrten Trichters neigen, werden die Teigfladen an die Wand geworfen und ausgebacken. Andere Zubereitungen sind das Backen direkt in der Asche oder auf Backpfannen, die in den Ofen geschoben werden. Brotteig kann mit oder ohne Sauerteig zubereitet werden – die Mazzen des »Festes der Ungesäuerten Brote«, das zusammen mit dem Pascha-Fest Israels zum Ursprung auch unseres Osterfestes wurde, werden im Buch Deuteronomium als Brot der Bedrängnis, des Auszugs aus Ägypten gedeutet. Die Bedeutung der Brotvermehrung als messianisches Zeichen wird deutlich, wenn wir im Psalm lesen, wie Gott als Brotgeber des Volkes Israel bezeichnet wird: »Er verschafft deinen Grenzen Frieden / und sättigt dich mit bestem Weizen.« (Ps 147,17)

Ich will euch zu Menschenfischern machen


Tilapia
Oft nehmen die neutestamentlichen Erzählungen vom Leben und Lehren Jesu auf den Alltag der Fischer am See Bezug: Die Männer, die Jesus von ihren Netzen weg in die Jüngernachfolge ruft; der Sturm auf dem weitflächigen See, den die Jünger in einem Fischerboot erleben; die Predigt Jesu von einem Boot aus; die wunderbaren Fischzüge, in denen die Jünger auf das Wort Jesu hin einen unerwartet großen Fang einfahren; zuletzt auch die vielen kleinen Schilderungen von Fischmahlzeiten, die sich an den verschiedenen Lebensstationen Jesu ereignen. Fisch ist für die Menschen am See ein unersetzliches Nahrungsmittel. Am See wird Fisch aber auch eingesalzen und getrocknet, um ihn für weitere Transportwege haltbar zu machen. Die Arbeit der Fischer mit ihren Anforderungen an den »Teamgeist« und an die unersetzliche Geduld beim Warten auf den Fang wird zum Bild für die Arbeit der Jünger und Apostel.

Die alttestamentliche Landverheißung Gottes an Israel nimmt in der Aufzählung der »sieben Hauptfrüchte« des Landes konkrete Gestalt an: Datteln, Granatäpfel, Oliven, Feigen, Weizen, Gerste und Trauben sind der Überfluß des Landes und Ausdruck der Fürsorge Gottes – auch wenn es vermutlich nur den Begüterten vorbehalten war, diese Früchte in ihrer Fülle zu genießen, und auch wenn stets Mißernten oder Zeiten des Mangels das Leben der Menschen bedrohten. In den fünf Büchern Mose wird seit alters her auf diese Früchte Bezug genommen.

An mehreren Stellen des Neuen Testaments ist von Fest- und Freudenmählern die Rede; aber auch die religiösen Feste und Gebräuche sind von Speisevorschriften geprägt. Das bis heute bekannteste Mahl ist das Sedermahl während des jüdischen Passahfestes, bei dem nach den genauen Vorgaben der Bibel das Lamm geschlachtet und verzehrt wird. Auch die jüdischen Speisevorschriften, wie zum Beispiel das Verbot, Schweinefleisch zu verzehren, leiten sich aus biblischen Vorgaben her.
Unser christliches Osterfest, aber auch die Eucharistiefeier haben im Passah ihren Ursprung. Im alltäglichen Vorgang des Essens und Trinkens nimmt die feiernde Gemeinde schon hier die »Erfüllung im Reich Gottes« vorweg: »Von Feier zu Feier verkündet das pilgernde Volk Gottes das Pascha-Mysterium Jesu, ›bis er kommt‹, und schreitet ›auf dem schmalen Weg des Kreuzes‹ auf das himmlische Festmahl zu, bei dem alle Erwählten im Reich Gottes zu Tisch sitzen werden.« (Katechismus der Katholischen Kirche, 1344)



Literaturtipp: Miriam Feinberg Vamosh, »Essen und Trinken in biblischer Zeit«, Patmos
Mit Dank an Michael Hesemann, Autor von »Jesus von Nazareth – Archäologen auf den Spuren des Erlösers«, St. Ulrich-Verlag

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