Montag, Februar 29, 2016

Ich fürchte, so sieh es aus

Die Lage im Nahen Osten ist instabil. Millionen von Flüchtlingen drängen aus Syrien hinaus in die Nachbarländer. Sollte die Lage eskalieren und beispielsweise der Libanon im Chaos versinken, besteht die Gefahr, dass Israel in einen Krieg verwickelt wird. Das wäre auch für uns kritisch. Die Türkei als Bündnispartner wäre dann ein zusätzliches großes Risiko.
Es war eine völlig unerwartete und dabei sehr sinnvolle politische Reaktion, diesen Druck durch massive Flüchtlingsaufnahme zu reduzieren. Neben dieser Reduktion wurde dadurch zudem die Blickrichtung geändert. Viele Menschen schauen nach Europa, um dort eine Lösung zu suchen. Ohne diese Hoffnung wäre das Gewalt- und Krisenpotential dort noch viel höher.
Die Lage im Nahen Osten ist gefährlich. Der Versuch, sie zu stabilisieren, könnte helfen, einen großen Krieg zu vermeiden. Sollte das ausbrechen, werden wir uns nach den jetzigen Flüchtlingszahlen zurück sehnen, wenn wir nicht sogar selbst hinein gezogen werden: Stichwort Bündnisfall.
Die Bundeskanzlerin versucht, durch Entlastung der Situation und Einbindung der Türkei die Eskalation zu vermeiden. Europa will jedoch keine Flüchtlinge aufnehmen, zumindest nicht in der Anzahl, wie es nötig wäre: sie sollen draußen bleiben. Wenn sie das nicht wollen und trotzdem versuchen, zu kommen, werden sie zu Gegnern. Dann werden sie früher oder später bekämpft. Die Folgen davon lassen sich nicht mehr kontrollieren.

Ich hätte vom intellektuellen Europa mehr erwartet, als eine derartige Kurzsichtigkeit. Dass der Kontinent, der von der Globalisierung lebt, an seinen Grenzen zu denken aufhört, spricht Bände über seinen Zustand. Dabei reicht das Denken nicht einmal bis an die EU-Grenzen. Nicht einmal den eigenen EU-Partnern wurde und wird vernünftig geholfen. Griechenland ist auf jeder Titelseite, wenn es seine Schulden nicht bezahlen kann, und auf Seite 19, wenn es mit dem Restgeld die Flüchtlinge nicht versorgen kann. Italien wurde mit den Bootsflüchtlingen allein gelassen, auch als es um Hilfe rief. Wir reden stattdessen davon, wie wir einzelne Transitrouten der Flüchtlinge unterbinden können. In der Zwischenzeit werden an den Grenzen Wasserwerfer eingesetzt.
Die Idee geschlossener Grenzen ist absurd. Wir haben langfristig die Wahl, als wohl erste der Geschichte eine Völkerwanderung friedlich abzufedern, die Zeichen zu verstehen und sie unnötig zu machen. Das wird sicher mehr Einsatz kosten, als jetzt irgendein Politiker zuzugeben bereit ist. Möglich ist es, Dinge als erster zu tun. Es hat auch noch niemals ein Land derart seine Grenzen geöffnet.
Flüchtlinge aufzunehmen ist gefährlich? Die Situation eskalieren zu lassen ist viel gefährlicher. Wir haben genug eigene Probleme? Mag sein. Nur, dass das andere Probleme nicht interessiert. Europa muss die Augen öffnen. Die Alternative wird (mittel- oder langfristig) sein, selbst erst isoliert, dann instabil, dann im Krieg und dann Geschichte zu sein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen