Donnerstag, Dezember 06, 2012

Christentum subjektiv

In der Tageswoche gab es einen Bericht über den Besuch eines Gottesdienstes bei den Christkatholiken. Es ist ein sehr positiver Bericht, der viel Wert auf die Menschlichkeit, Wärme und Freundlichkeit legt, die dort herrschen. (LINK)

Petra Lorleberg schreibt auf Kath.net dazu: „Der Artikel gibt Anlass, einmal ganz unbefangen zu fragen: Wie stellen sich Teile unserer Gesellschaft eigentlich gelingendes Christentum vor? Soll das Christentum auf einem Kaffeekränzchen- und Seelentrösterchen-Niveau vor sich hinvegetieren?“ (LINK)

Ich denke, diese Frage wird zu Recht gestellt, zumindest an den Schreiber, der deutlich machte, was ihm wichtig erscheint, aber auch an große Teile der Gesellschaft. Das Christentum soll bitte in die Gesellschaft passen, denn die hat schließlich derzeit eine Menge zu tun. Sie kann sich nicht auch noch um die religiösen Ansichten der Christen kümmern. Willkommen ist, was hilfreich ist. Weltanschauliche Bevormundung durch irgendwelche Kirchen ist das nicht. Das sind doch Ausflüchte, das ist doch Problemverleugnung. Ist es nicht der gesunde Menschenverstand, der fragt: Was soll ich mit Lehren über das Leben nach dem Tod, wenn ich im Leben vorher nicht einmal gleichen Lohn für gleiche Arbeit erreiche?

Ich nehme dazu Stellung. Die Frage, wie ich mir das Christentum vorstelle, das gelingt, möchte ich beantworten – sehr persönlich und subjektiv - etwas anderes habe ich nicht.

Für mich geht es beim Christentum um Christus, das ist das Erste und das Wichtigste. Alles andere, Kirche, Messform, Lehre, Ökumene und unzählige weitere Punkte, haben sich daran messen zu lassen, ob hinter ihnen Christus steht, ob er durch sie sichtbar wird. Ich meine damit Christus, wie er ist und sich offenbart hat, nicht einen selbstgemachten Christus, der gut passt. Da er mich zur Umkehr aufgerufen und nicht versprochen hat, selbst umzukehren, da ich ihm folgen soll und nicht er mir, habe ich ein gesundes Misstrauen gegen alle Bequemlichkeit im Glauben.

Ein zweiter, für mich sehr wichtiger Aspekt ist der: Christus kam für alle, für jeden. Damit meine ich keine Gegenposition zu „pro multis“, sondern eine Botschaft, die jedem Menschen etwas sagen kann, gleich in welcher Situation er ist. Diese Frage macht sich für mich an einer furchtbaren Geschichte fest, die ich vor einiger Zeit las. Ich weiß nicht, ob sie stimmt, aber ich weiß, dass solche Dinge tatsächlich passieren können:
Eine Kirche wird abgebrannt, während Christen darin sind. Eine Mutter greift sich ihre Tochter und bahnt sich in verzweifelt langen 10min. einen Weg ins Freie. Draußen aber stehen die Brandstifter, entreißen ihr das Kind und werfen es zurück in die Flammen, wo es stirbt.
Wenn Christus Gott ist, muss er eine Botschaft haben, die für diese Frau und für dieses Kind noch Rettung bedeuten. Es muss eine Botschaft sein, die größer ist, als unser Leben. Es muss eine Botschaft der Ewigkeit sein – alles andere ist zu klein für dieses Leid. Dieser Frau würde es nichts nützen, erzählte man ihr, dass Jesus Christus mit ihr solidarisch war, indem auch er gelitten hat und starb. Ohne seine Auferstehung und ohne dass er sie wie auch ihre Tochter zu sich in die Herrlichkeit ziehen will, wäre der Glaube für sie perspektivlos.
Natürlich ist nicht jedes Schicksal das jener Frau und nicht alles im Leben schlimmes Leid. Doch das Beispiel zeigt: Gott trägt ganz, oder er trägt nicht. Der Glaube hilft immer, oder er hilft gar nicht. Denn auch ich werde in mehr oder weniger Jahren vor der absoluten existentiellen Situation stehen: ich werde sterben. Wie jeder andere übrigens auch: die existentielle Frage steht im Raum, ob es der beschäftigten Gesellschaft nun gefällt oder nicht. Der gesunde Menschenverstand sollte das erkennen.

Wo aber finde ich etwas, das das Kaffeekränzchen und den verlorenen Fahrradschlüssel genauso ernst nimmt, wie das Martyrium im Feuer? Ich finde es in der Kirche.
Wo sonst gibt es eine Feier wie die Heilige Messe, die sich im Frieden feiern lässt wie in größter Not? Die zum runden Geburtstag Trost spenden kann wie auch im KZ?
Wo anders ist die Ewigkeit so offen für mich, wie in den Heiligen, die schon jetzt mit mir leben?
Wo sonst wird Gott greifbar wie in den Sakramenten?
Egal wie sehr ich mir oft selbst im Weg stehe und wie wenig ich begreife: von ihrem Wesen her ist die Kirche die Botschaft Christi. Sie ist die umfassende Einheit in sich.
Es mag daher Gottesdienste geben, die emotional in mancher Situation ansprechender, wärmer, friedlicher sind, die weniger fremd sind und weniger anstößig in ihrer Lehre – ihnen allen fehlt jedoch dieser große Aspekt der umfassenden Wahrheit Gottes: die Wirklichkeit, die nicht auf mich zugeschnitten wurde aber dafür immer trägt. Die aber ist für mich unersetzlich, denn für mich gilt: ich habe Gott gefunden, wenn ich in ihm sterben kann.

Man hat ja oft merkwürdige Assoziationen. So lag mein Anlass, diesen Beitrag zu schreiben, im letzten Absatz im Bericht der Tageswoche: „Ein Problem scheint dennoch offensichtlich: der Nachwuchs. In die Messe kommen vor allem ¬Ältere – und nur ein Kind, das bald einschläft. Aber immerhin zufrieden. Was in anderen Kirchen ja auch kaum möglich wäre, so hart wie die Bänke dort sind.“ Ein friedliches Bild, doch das kann meine Familie toppen. Wir waren vor kurzer Zeit noch bekannt dafür, dass in einer stinknormalen Kirche oft zum Entzücken der Banknachbarn gleich 4 Kinder auf der Kniebank schliefen. Der einfache Katholizismus scheint etwas zu haben.

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