Dienstag, Oktober 30, 2012
Interessantes Gespräch
[Von Bastian]
Kürzlich hatte ich ein interessantes Gespräch über unterschiedliche Wahrnehmungen. Die Ausgangsfrage war: wie kann es sein, dass an einer Schule im Unterricht gesagt werden darf, Abtreibung sei im Zweifelsfall OK, aber nicht, Abtreibung sei im Zweifelsfall nicht OK? Wie kann es sein, dass eine Position vertreten werden darf, die Gegenposition aber nicht?
Meinungsdiktatur? Selbst in diesem Fall, in dem für alle evident eine Meinungsäußerung erlaubt und die andere verboten ist, kommt man damit nicht weiter, denn genau das ist auch der Vorwurf, der den Abtreibungsgegnern gemacht wird: sie wollten ihre Ansichten anderen aufzwingen. Mit der Antwort, die Abtreibungsbefürworter hätten eben das Sagen und nutzten das aus, wird man der Sache also nicht gerecht – sie würden sich gegen diese Anschuldigung verwahren! Damit bringt man kein Gespräch voran.
Der entscheidende Unterschied liegt nicht in den Meinungen, die vertreten werden, sondern in einer grundlegend unterschiedlichen Wahrnehmung dessen, was überhaupt eine Meinung ist. Darüber gibt es inzwischen einen großen gesellschaftlichen Konsens.
Wer sagt, Abtreibung sei eine Entscheidung der betroffenen Frau, in die man nicht hereinzureden habe, vertritt keine Meinung. Im Gegenteil enthält er sich jeder Meinung und verhält sich daher angemessen, weil es nicht um ihn geht. In dieser Logik kommt hier jede Meinungsäußerung einem Angriff gleich, da sie den Entscheidungsbereich der Frau antastet, indem sie manipuliert und unter Druck setzt. Da aber Manipulation und Ausübung von Druck an der Schule selbstverständlich nicht erlaubt sind, haben in den Augen der Gesellschaft Abtreibungsgegner zu schweigen. Man darf dagegen sein, aber niemandem in die eigene Entscheidung hineinreden.
Pro choice um der Freiheit willen ist weit mehr als das kurzsichtige Vertreten egoistischer Positionen, wie es oft dargestellt wird. Es ist vielmehr auf Grundlage einer allgemein anerkannten Logik eine durchdachte Gewissensentscheidung.
Diese Logik definiert Freiheit als die Möglichkeit, freie Entscheidungen aus einem freien und daher unbeeinflussten Gewissen heraus zu treffen. Gewissensbeeinflussungen sind abzulehnen, denn sie machen unfrei. Alleine ist der Mensch am freiesten.
Der Fehler, der dieser Logik innewohnt, wird vielleicht am deutlichsten, wenn man sie auf den Intellekt anwendet. Sie lautete dann: der beste Intellekt ist möglichst ungebildet, denn nur unbeeinflusst kann er sich entfalten.
Letztlich ist es eine völlig anders tickende innere Logik, die es Abtreibungsbefürwortern oft unmöglich macht, Argumentationen zu folgen, die für mich bestechend klar und einfach sind. Diese andere Logik, die eine Logik der Einsamkeit als Tugend ist, gilt es zu überwinden.
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Und Gewissensbildung an so etwas wie der Lehre der Kirche über Menschenwürde und Moral sind wohl die größten "Übergriffe" auf das Gewissen. Dummerweise verlangt meines Wissens die Kirche genau das, um ein Gewissensurteil zu finden.
AntwortenLöschenJa, genau das ist das Problem.
LöschenNicht die Positionen der Kirche sind das Problem, sondern die Tatsache, dass sie überhaupt eine Lehre hat.
Das wird in der nächsten Zeit immer deutlicher werden.
Es ist nicht nur eine Logik der Einsamkeit sondern auch eine der Gefühligkeit, dem Bauchgefühl, die sich, wie Du schon sagst, in Gegensatz zum Intellekt stellen. Diese Logik stellt den Menschen als unbeeinflußt dar während das Problem von uns Menschen doch gerade ist wie sehr wir soziale Wesen sind und von der Zustimmung unserer Mitmenschen abhängig.
AntwortenLöschenEine Gegenposition zum Mainstream zu vertreten ist daher so schon angstbesetzt, in einer Situation wie Abtreibung fehlt da nur noch ein Anstoß durch eine schwierige Situation, die als ausweglos empfunden wird und schon ist das Kind abgetrieben.
Darum ist es so wichtig umfassend und wahrheitsgemäß zu beraten. Das Bauchgefühl ist eben tatsächlich nichts wirklich individuelles sondern in der Hauptsache der Mainstream. Eine ehrliche Beratung ermöglicht daher erst eine wirkliche eigene Entscheidung. Ein Treffen mit der betroffenen Frau einzig zur Ausstellung eines Abtreibungsscheines läßt die Frau allein nach dem Motto: Geht mich nichts an ist ja Deine Entscheidung. Das Leid danach geht dann auch niemanden was an, diese Haltung ist einfach eine der Gleichgültigkeit und Lieblosigkeit: "Was kümmert mich mein Nächster!"