Samstag, Juli 28, 2012

Mal vereinfacht gesagt.

[Von Bastian]

Dies einmal als Gegenpol zur allgemeinen Ansicht, Deutschland werde ausgenutzt. Ein Gedankengang ohne Anspruch auf vollständige Richtigkeit, aber bedenkenswert, wie ich meine.

Soviel habe ich verstanden: Jahrzehntelang hatten wir einen Außenhandelsüberschuss, viele Jahre waren wir „Exportweltmeister“. Und wir waren stolz darauf: offensichtlich arbeiten wir gut und sind durch Qualität erfolgreich.
Was wir aber versäumt haben: zu fragen, woher die anderen denn das Geld eigentlich haben, dass sie bei uns mehr ausgeben als wir bei ihnen. Und damit sind wir bei der Frage, woher in unserem System Geld eigentlich kommt.
Ist da irgendjemand, der Geld verschenkt, wenn mehr gebraucht wird? Nein, das wäre ungerecht. Wem sollte man Geld schenken? Wenn mehr Geld gebraucht wird, als da ist (und das ist bei jedem Wirtschaftswachstum unentwegt der Fall), dann geht man zur Bank und leiht es sich. Und wenn die Bank keines zum Verleihen hat, geht sie zur Zentralbank und leiht es sich dort selbst. Alles gegen Zinsen, versteht sich. Die sind mal höher und mal niedriger, aber sie sind immer da. Und damit ist klar: unserer gesamten Geldmenge steht eine entsprechende Schuldenlast gegenüber.
Sicher: wenn ich meine Schulden abbezahlt habe und Gewinn mache, habe ich Geld, dem keine Schulden gegenüberstehen. Ich bin Schuldenfrei. Wenn ich allerdings das Geld, das ich als Gewinn gemacht habe, zurückverfolge: irgendjemand hat es sich geliehen und hat deshalb Schulden.

Es ist systemimmanent: mit jedem Wachstum steigen die Schulden. Und was uns einerseits den Geldwert stabil hält, nämlich der Leitzins, sorgt zugleich dafür, dass es bei uns keinerlei Geld gibt, hinter dem nicht Schulden stehen.
Wir haben es gut gehabt: wir haben mehr verdient als ausgegeben. Aber irgendjemand anders hat dafür Schulden gemacht. Zwangsläufig. Faktisch haben wir jahrelang unser Geld mit den Schulden anderer verdient.
Das war kein böser Wille, sondern Kurzsichtigkeit. Solange die Weltwirtschaft wächst, kann man sich Schulden leisten. Übersehen haben wir, dass sich in diesem System zwangsläufig irgendwann die Schulden an ein paar Schwachpunkten soweit aufstauen, dass sie dort nicht mehr bezahlt werden können. Und da an diesen Schulden das Kapital des Systems hängt, ist das gefährlich, denn es hat Folgen für alle.

Wir haben uns verhalten wie eine Bank, die ihren Kunden immer neue Kredite aufschwatzt, dabei kräftig wächst und dann staunt, wenn diese Kredite irgendwann faul werden. Dass wir in diesem System bisher gut dastanden, heißt nicht, dass wir weniger pleite sind als Griechenland. Bei uns kommt die Pleite nur etwas später an.

2 Kommentare:

  1. Ne, das ist zu sehr vereinfacht. Du gehst davon aus, daß die Summe des Geldes/der Wert aller Waren immer gleich bleibt uns sich nur anders verteilt. Das wäre, vielleicht auch zu vereinfacht gesagt, Subsistenzwirtschaft. Da gibt es dann aber auch kein Wachstum, sondern nur das von Dir angedeutete Nullsummenspiel.

    Tatsächlich sind auch die Ärmsten in den letzten Jahrzehnten immer reicher geworden, wenngleich sie relativ zu den Reichsten vielleicht sogar ärmer geworden zu sein scheinen. Wachstum entsteht durch Wertschöpfung, die ihrerseits durch Arbeit erreicht wird, indem Du durch Deine Arbeit ein Produkt schaffst, für das ein Dritter bereit ist, mehr zu bezahlen als Du für die Produktion investiert hast. Für Wertschöpfung brauchst Du daher im besten Fall überhaupt keine Schulden zu machen, und in der Regel solltest Du neben einer guten (also wertschöpfenden!) Geschäftsidee auch ein gewisses Eigenkapital haben, sonst gibt Dir auch keine Bank Geld (oder sollte es zumindest nicht).

    Das Problem beginnt an dem Punkt zu entstehen, an dem Wirtschaftswachstum nicht auf realer Wertschöpfung, sondern auf Spekulation basiert, also der Hoffnung, ohne Arbeit Geld verdienen zu können, weil die Preise etwa für Immobilien nur steigen. Was bei Kartoffeln noch wirtschaftlich hilfreich ist -- da spekuliert einer drauf, daß er die Kartoffeln in einem halben Jahr für mehr Geld verkaufen kann als jetzt, weil dann die neue Ernte noch nicht gereift ist, die alte Ernte aber schon knapp wird; dadurch sind Kartoffeln zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch verfügbar; dafür trägt der Spekulant das Lagerrisiko, daß er für die Kartoffeln gar nichts mehr bekommt, weil sie verfault sind --, wird bei Finanzprodukten zum Problem, weil diese weder verderblich sind (also zumindest nicht auf natürlichem Wege) noch ihnen reale (also konsumierbare) Werte gegenüberstehen. Kartoffeln kannst Du unverfault im Notfall selbst essen, 15 Ferienhäuser an der Costa del Sol bringen auch Dir selbst nichts mehr, wenn sie keiner mehr kaufen will oder kann.

    Daß diese Blase einmal platzen muß, hätte jedem klar sein müssen, war es aber nicht bzw. die Geldgeber für die Immobilienblasen in den USA und Spanien[1] haben einfach auf Risiko gespielt und darauf gehofft, daß im Falle des Falles ihre Verluste schon sozialisiert werden. Womit sie ja recht hatten.

    Und damit sind wir bei der eigentlichen Crux der aktuellen "Krise": Nicht diejenigen, die leichtfertig mit ihrem Geld umgegangen sind und damit de facto Roulette gespielt haben, müssen die Verluste hinnehmen (und folgerichtig massiv abschreiben bzw. ggf. Pleite gehen), sondern die Staaten stützen die Banken, die nicht zufällig und alles andere als schuldlos in die Krise geraten sind.

    Man kann ja von Ackermann halten was man will, aber daß man ihm vorwirft, die Staatshilfen mit dem Anspruch, das Problem habe die Deutsche Bank sich selbst eingebrockt, also müsse die Bank es auch selbst lösen, zumal sie es könne, ausgeschlagen zu haben, bleibt mir ein Rätsel.

    Und dann wäre da noch die Merkwürdigkeit, daß Griechenland und Spanien mit Zinssätzen angeblich kurz vor der Pleite stehen, die vor nicht allzu langer Zeit auch Deutschland noch gezahlt hat und daß Deutschland das Tripple A-Rating zu verlieren droht, obwohl die Geldanleger der Bundesrepublik schon Geld dafür zahlen, daß sie deren Geld nimmt. Will heißen: Unser Problem ist doch nicht, daß es irgendwo zu viele Schulden gäbe, sondern daß viel zu viel Geld im Kreislauf ist, das nicht durch realwirtschaftliche Gegenwerte gedeckt ist und folgerichtig verbrannt gehört (= Schulden abschreiben und fertig), weil nach Platzen der Finanzblase keiner mehr weiß wohin mit dem ganzen Geld.

    Das nur auf die Schnelle und in max. 4096 Zeichen.

    ==
    [1] Gerade im Falle Spaniens hat man auf gut informierten Wirtschaftsseiten schon seit Jahren lesen können, daß die dortige Wirtschaft sehr einseitig auf dem Boom der Bauwirtschaft basiert, der Boom der Bauwirtschaft aber realwirtschaftlich nicht erklärbar ist, also eine (Finanz-)Blase ist, die eines Tages platzen muß.

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  2. Anonym5:28 PM

    Echo Romeo:

    Wir haben uns verhalten wie eine Bank, die ihren Kunden immer neue Kredite aufschwatzt, dabei kräftig wächst und dann staunt, wenn diese Kredite irgendwann faul werden. Dass wir in diesem System bisher gut dastanden, heißt nicht, dass wir weniger pleite sind als Griechenland. Bei uns kommt die Pleite nur etwas später an.

    Das ist nur auf den ersten Blick und für den Staat richtig (und für Deutschland auch nur sehr bedingt).

    In Wirklichkeit haben wir (Deutschland als Exportnation) ganz grossartig verdient an den offenen Grenzen, die uns die Europäische Union beschert hat. Wir haben sehr, sehr viel mehr eingenommen, als wir nach Brüssel für die Unionsländer überwiesen haben. ABER die Einnahmen sind, wie es sich für ein gut kapitalistisches Land gehört, in PRIVATE Taschen geflossen. In die Taschen der Leute, die am Export ihrer Waren verdienen. Das ist ja im Prinzip richtig, aber wieder ein ABER. Dss System ist so gedacht, dass ein Unternehmen (egal welcher Grösse), das gut oder sehr gut verdient (wie schon gesagt, sehr gut vverdient ist für die deutschen Firmen, wie Echo Romeo oben über die Handelsbilanzen schreibt, stark untertieben) zuerst seine Mitarbeitenden und dann auch die Allgemeinheit am Erfolg teilhaben lässt. Nicht umsonst ist die Verpflichtung des Eigentums für das Allgemeinwohl mit Verfassungsrang ausgestattet.
    Was aber in Wirklichkeit passiert ist, ist dass die Arbeitnehmer NICHT am Erfolg, den sie für ihre Unternehmen erarbeitet haben, teilhaben durften und heute ein Realeinkommen haben, das dem von vor zwanzig Jahren entspricht und dass die LASTEN durch den Staat einseitig auf die Schultern der Schwächsten verteilt wurden, während "Besserverdienende" und vor allem Einkommen aus nicht abhängiger Erwerbstätigkeit, immer weiter entlastet worden sind.

    Was gerecht wäre, ist das was sogar schon viele Millionäre in Deutschland fordern: eine grosse Umverteilung von unten nach oben.

    Das Ganze ist in Deutschland schlimm genug. Die Griechen (und etliche andere) haben sich damit in die Katastrophe gewurschtelt. Die, die es könnten, haben sich aus der Besteuerung praktisch komplett verabschiedet (in Griechenland gibts noch nicht einmal ein Katasteramt, um eine halbwegs gerechte Grundsteuer einzuziehen, sagt meine griechische Schneiderin) und die in der unteren Hälfte der Einkommensskala sollen jetzt unter den Sparmassnahmen leiden und können noch nicht einmal einen Artzbesuch oder gar Medikamente bezahlen.

    Die Staaten müssten sich nur das Geld zurück holen, dass -Eigentum verpflichtet- den Menschen zusteht. Aber das wollen und können sie nicht, weil die Lobbygruppen (siehe Finanztransaktionssteuer) dies zu verhindern wissen.

    Wenn ich nicht ganz genau wüsste, dass Karl Marx völlig daneben lag, würde ich sagen dass er völlig richtig lag mit seiner Analyse dieses Kapitalismus.

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