[von Bastian]
Ich glaube, wir sind dichter beieinander, als es auf den ersten Blick vielleicht aussieht.
Erst einmal: was Bruder Alois angeht: er hat mir den Gedankenanstoß geliefert. Es sind dann aber meine Gedanken, nicht der Versuch, seine nachzuvollziehen. Auf Einwände gegen seine Aussagen kann ich nicht eingehen.
Ich schrieb im Anfang meines Beitrages:
Erst einmal ist Gott aus sich selbst, wir aber sind aus Gott. Er ist der Schöpfer. Die Abhängigkeit von uns ist existenziell klar, wie auch die Unabhängigkeit Gottes. Ein jedes „Brauchen“ kann also nur außerhalb dieses existenziellen Bereichs liegen.
Ich glaube, auf dieser Grundlage sind wir uns erst einmal einig. Gott würde niemals mit der Menschheit untergehen. Abgesehen davon, dass es eine völlig falsch geartete Abhängigkeit postuliert, würde es Gott der Zeit unterwerfen: Gott kann nicht vergehen: er ist.
Gottes Bedürfnisse – wenn es sie gibt - entspringen seiner Liebe, nicht seinem Existenzwillen.
Insgesamt ist das ein schwieriges Thema. Mir wird immer klarer, wie schwer es ist, die richtigen Begriffe zu wählen.
Du schreibst: Bedürfnisse werden von der Liebe getragen und "er"tragen, aber sie sind nicht wesensstiftend für die Liebe.
Dem stimme ich erst einmal zu. Ich versuche, es genauer zu betrachten und bleibe dazu beim Beispiel meines Verhältnisses zu meinen Kindern, weil es der in Frage stehenden Situation wohl am nächsten kommt.
Wo können Bedürfnisse auftreten?
Wenn meine Kinder etwas brauchen und ich es geben kann, gebe ich es. Ich tue das aus Liebe – das Geben ist aber nicht meine Liebe. Die Befriedigung der Bedürfnisse meiner Kinder ist auch nicht identisch mit meiner Liebe. Sie ist deren Resultat. Auch wenn meine Kinder nichts bräuchten, würde ich sie lieben. Diese Bedürfnisse sind nicht wesensstiftend für meine Liebe. Anders herum ist es genauso.
Wie sieht es mit Bedürfnissen aus, die der Liebe selbst entspringen? Ist beispielsweise mein Bedürfnis nach Gesellschaft mit meinen Kindern wesensstiftend für meine Liebe? Zumindest die Befriedigung dieses Bedürfnisses ist es nicht, denn ich liebe sie auch, wenn es mit der Gesellschaft nichts wird. Aber wäre eine Liebe denkbar, in der das Gemeinschaftsbedürfnis fehlt? Zumindest kann dieses Bedürfnis ausgehebelt werden. Bei meinen älteren Kindern in der Pubertät ist es mein Bedürfnis, nicht zu viel Gemeinschaft zu haben. Nicht, weil sie unerträglich wären – das sind sie nicht, sondern weil es wichtig für sie ist, nicht überbehütet zu werden und ihre Dinge auch allein zu tun. Mein Wunsch nach ihrem Besten führt dazu, dass ich mich zurückhalte. Die Liebe führt mich von ihnen weg, ihrer notwendigen Freiheit zuliebe. Und das Interessante ist: sie erleben meine Liebe gerade dadurch intensiver, dass ich eben nicht ständig Gemeinschaft mit ihnen suche. Das Bedürfnis nach Gemeinschaft entspringt also der Liebe, ist aber nicht mit ihr identisch. Es ist nicht ihr Wesen, denn es wird ersetzt von meinem Wunsch nach dem Besten für meine Kinder.
Aber ist dieser Wunsch ein Bedürfnis meinerseits? Dieser Wunsch führt mich doch gerade zur Bedingungslosigkeit. Die Liebe zu meinen Kindern ist doch dadurch gegeben, dass ich sie loslasse, dass ich gebe, aber nicht fordere. Wie kann dieses Nicht-Fordern Bedürfnis sein? Es kann nicht. In diesem Sinne stimmt es: Bedürfnisse werden von der Liebe getragen und "er"tragen, aber sie sind nicht wesensstiftend für die Liebe.
Was ich meine, wird vielleicht am ehesten an einem Abend klar, an dem ich schlecht gelaunt und voller Sorgen nach Hause komme, den Kopf voll Dingen, die ich noch erledigen muss. Ich bin nett zu meinen Kindern (hoffe ich!), aber ich hake sie ab. Sie bekommen, was sie brauchen, aber sie sind irgendwo zweitrangig. Ich nehme mir vielleicht dennoch die nötige Ruhe und Zeit, bin vielleicht in der Lage, zu sein wie immer. Doch wäre das der Dauerzustand – ich hätte sie bald verloren. Auch wenn mein Verhalten dasselbe wäre, das Wichtigste würde fehlen: meine Freude an ihnen, meine Sehnsucht nach ihnen. Ich kann kein Kind lange täuschen: sie merken es genau, ob ich mich darüber freue, dass sie nett zu mir sind, oder ob ich es bloß gütig annehme. Sie merken es genau, ob ich nur selbst Liebe gegen will, oder ob ich sie auch ersehne. Und in ihrer Liebe zu mir wünschen sie, dass ich sie wünsche, ersehne und brauche. Sie wollen lieber einen unvollkommenen Papa, der sie braucht, als einen, der ihnen alles gibt, aber dessen Herz ohne ihre Liebe letztlich genauso aussieht. Sie wollen einen Papa, der erst durch sie wirklich glücklich sein kann. Und ich denke, sie haben recht.
Diese Art „brauchen“ (ersehnen, dürsten nach, wünschen etc…) ist es, die ich meine. Sie ist wesensstiftend für die Liebe, macht sie persönlich und unterscheidet sie vom abstrakten Prinzip. Für meinen Glauben ist das ein existentieller Unterschied.
Man kann die Frage auch auf eine andere Weise betrachten. Kommt, wenn ich Gott liebe, davon bei ihm etwas an? Oder einfacher: kann man zu Gott nett sein? Ich will jetzt nicht auf die Antwort hinaus, natürlich könne man es in den Menschen, in denen er uns begegnet. Ich meine die direkte Ebene, die, auf der ich zu ihm bete. Das Gebet reduziere ich ja auch nicht auf gute Gespräche mit meinen Nächsten, so wichtig die sind. Hat Gott Interesse daran, dass ich ihm etwas Nettes sage, etwas, das sinnfrei ist, außer dass es ihn freuen soll? Ein solches Verhältnis setzt Vertraulichkeit voraus. Ich werde den Verdacht nicht los, dass Gott jenseits aller Theorie genau dieses Verhältnis zu uns sucht.
Wenn ihr nicht werdet, wie die Kinder.
Lieber Bastian, Antwort auf die Antwort ist hier
AntwortenLöschenHerzliche Grüße
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