Samstag, Dezember 17, 2005

Narnia – Die Verführung


Ich habe heute abend die Narnia-Verfilmung im Kino gesehen - und ganz gut genossen. War das nun Disney-typisch? Zumindest meine direkten Nachbarn, ein paar Jungs zur einen und ein Pärchen zur anderen Seite langweilten sich. Die Symbolik blieb ihnen wohl eher fremd. Der Kommentar hinterher war vernichtend: grottig! Wirklich hatte ich das Gefühl, die Handlung werde nicht in einem gleichbleibenden Tempo vorangetrieben. Rasche »Actionszenen«, Verfolgungsjadgen wechselten mit eher beschreibenden Szenen; oft hatte man das Gefühl, die Bewegung müsse nun wieder künstlich abgebremst werdden, weil der mittlerweile schon etwas ältere Plot unter der Rasanz der computeranimierten Bilder ächzte und zu reißen drohte. Das machten die Jungs zur Rechten nicht mit. Während der ersten Stunde hatten sie noch mehrere Liter Cola und ein größeres, faßähnliches Gefäß mit Popcorn, mit dem sie sich kauend ablenken konnten. Als die Nahrung nicht mehr vorhielt, bot der Film nicht mehr genügend Anreiz, sich zu konzentrieren.
Dabei ist der Film nicht schlecht: Der Psychologie der Hauptfiguren, der Pevensie-Kinder, wird viel Raum gewidmet. In einer dramatischen Ausmalung des ersten Satzes der Lewis’schen Erzählung (die Kinder mußten London wegen der Bombenangriffe verlassen) wird dem heutigen Leser die Ausgangssituation klarer: Es herrscht Krieg, die Menschen sind erschöpft, bedroht und müde, die Sitten unter der Oberfläche der Wohlerzogenheit verroht. Der ungeheure Druck, unter dem Edmund steht, der jüngere der beiden Jungen, der seinen an der Front kämpfenden Vater vermißt, wird deutlicher herausgearbeitet. Und dieser ohnehin durch Sehnsucht und mangelndes Vertrauen angeschlagene Junge wird Opfer der Verführungskunst der Hexe. Schön, aber kühl, mit märchenhafter, etwas morbider Präsenz dargestellt von Tilda Swinton.
Lassen wir das Bild beiseite und nehmen nur das Faktum der Verführung zum Verrat Edmunds, sind mir einige Punkte sehr stark aufgefallen, die – oh Wunder von Narnia! – auch gleich ihre Nutzanwendung im realen Leben finden.
Erstens: Die Wohlanständigkeit und das Besserwissertum seiner älteren Geschwister helfen ihm nicht. Im Gegenteil – unter der Fuchtel seiner älteren Schwester und seines Bruders wird er sich immer als der Zurückgesetzte fühlen. Kein Wunder, daß die Verheißung aus dem Mund der Hexe, er werde ihr dereinst als König auf den Thron folgen, auf offene Ohren und nur allzu bereiten Glauben stößt.
Und ein Zweites: Die Versuchung arbeitet nicht nur mit Lügen. Sie sagt dem Menschen auch Wahres über sich selbst. Am Baum im Paradies hieß es: Euch werden die Augen aufgehen. Und hier: die Verheißung des Königtums. Freilich ist diese Vorstellung mit allerhand Irrtümern behaftet – so zum Beispiel, daß das Leben eines Königs bedeute, Zimmer voll mit türkischem Honig zu besitzen (die Speise, durch die die Hexe den Jungen gerade erst gefügig gemacht hatte), aber am Ende hat die Hexe hierin sogar recht behalten: Edmund sitzt als König auf dem Thron – wohl jedoch mit seinen Geschwistern. Sie hat ihn bei der Ahnung gepackt, was aus ihm tatsächlich einmal werden würde.
Aber - um das zu übertragen: Der Teufel war (in der biblischen Geschichte) deshalb überzeugend, weil er sich einer echten Bestimmung des Menschen bedient hatte - und diese mit allerlei Tand behängte wie Gumbo mit der Lichterkette. Genauso hier: die Verheißung, als König zu herrschen, von der Hexe als »der Bösen schlechthin« pervertiert, war das Einfallstor für Verrat und Tod. Und dabei war die Verheißung des Königtums »echt«!
Meine Nachbarn waren nach dem Film schnell mit dem Thema durch. Der Film war halt grottig, und die Angelegenheiten ihrer Clique drängten sich wieder in den Vordergrund. Zum ersten Mal in meinem Leben erlebte ich dann auf der Heimfahrt mit dem Bus, daß der Fahrer sich im Weg vertat. Er mußte am Stadtwald wenden. Zwischen den Bäumen des Waldes konnte ich deutlich das Licht einer Straßenlaterne erkennen.

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