Samstag, Januar 03, 2015

Die Macht der Herausragenden

[Von Bastian]
1000 Beeren in der Marmelade, eine davon giftig. Darf man diese Marmelade seinen Kindern geben, oder nicht? Immerhin ist der überwiegende Teil der Beeren einwandfrei!
1000 Tonnen Geröll, Kies und Sand, 100g Gold. Lohnt das Suchen? Am Klondike wurde diese Frage beantwortet.
Offenbar reicht ein Tausendstel oder ein Zehnmillionstel durchaus aus, ein ganzes System zu prägen.

Diese Art, Dinge zu beurteilen, ist entscheidend für das Schicksal von Nationen: Niemand wählt eine Partei wegen ihrer Mitglieder, die über alle politischen Grenzen hinweg im Durchschnitt gleich engstirnig und spießig sein dürften. Man wählt die paar Goldstücke, die mühsam poliert an die Spitze gestellt wurden und dort vor sich hin zu glänzen versuchen. Auch die Kirche erfreut sich an ihren Heiligen, ohne den Millionen von halbherzigen Alltagschristen der Vergangenheit die gleiche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Gleichermaßen erfolgt die Beurteilung durch Kirchengegner: Jahrhunderte der Kirchengeschichte werden vergessen über ein paar repräsentativen Sünden.

Sinnvoll? Auf jeden Fall allgegenwärtig und offenbar menschlich. Und potentiell gefährlich: längst geht es in der öffentlichen Meinung nicht mehr um Inhalte, sondern darum, mit ein paar Goldstücken oder Giftbeeren ganze Bereiche zu übernehmen. Unsere Politiker tun alles, um diese Denkweise zu fördern, denn so werden Stimmungen gemacht: man verallgemeinert den Einzelfall und löst damit wahlweise einen Goldrausch oder eine Boykottierung wegen enthaltenen Giftes aus.
Alles arbeitet so: kaputte Familien werden herbeizitiert, um Kinderbetreuung zum Ideal zu erheben, ein Politiker mit Skandal kostet den Wahlsieg, ein paar entdeckte Nazis (Deutschland) oder Kommunisten (USA) ruinieren ganze Bewegungen, ein paar Schwule, die es stört, dass sie nicht schwanger werden können, bestimmen den Inhalt künftiger Schulbücher.
Die Gesellschaft und mit ihr die Politik ist nicht in der Lage, zwischen dem Einzelfall und der Menge zu differenzieren. Und daher hat die Politik mit den muslimischen Extremisten so ein großes Problem: gemäß ihrer eigenen Denkweise prägen die plötzlich alle anderen Muslime mit. Unsere Politiker und so manche Kirchenoberen sind nicht in der Lage, zwischen Angst vor Extremisten und Angst vor allen Muslimen zu unterscheiden. Zudem glauben sie, dass alle anderen genau so denken, wie sie. Die erschreckten Appelle, man dürfe nicht vergessen, dass die meisten Muslime freundliche und gewaltfreie Menschen sind, richtet sich an sie selbst. Nach außen gerichtet sind sie eine Unverschämtheit, denn: das hat niemand vergessen. Oder besser: fast niemand. Denn ein paar Spinner gibt es immer, doch die sind für unsere Politiker leider gleich wieder repräsentativ für alle.
Gerade diese Appelle zeigen, dass diese Politiker sich selbst nicht glauben (sie werden wissen, warum). Das einzige, was ihnen zu diesem Thema einfällt, ist das, was sie selbst immer tun: sie warnen davor, ein paar blendenden Goldstückchen hinterher zu laufen (siehe oben), weil es da auch Giftbeeren zwischen gebe (siehe ebenfalls oben). Sie beantworten gleiches mit gleichem und merken es nicht. Und sie wundern sich, dass sie damit mehr und mehr in die Defensive geraten.

Derzeit noch beantwortet die Politik dies alles mit immer noch mehr vom alten Denksystem, doch man kann beobachten, wie das zu bröckeln beginnt. Es wird höchste Zeit für inhaltliche Auseinandersetzungen. Alles andere wird langsam gefährlich: die falschen Herausragenden warten nur darauf, ihre Chance zu nutzen.

Ich für mein Teil glaube der Politik übrigens die meisten ihrer Einsätze für Minderheiten nicht. Sie dienen dazu, sich in Szene zu setzen, da man aus diesen Minderheiten wieder ein Goldstückchen polieren kann, das die eigenen Ansichten bestätigt. Minderheiten, mit denen nichts zu gewinnen ist, werden auch bei uns geflissentlich ignoriert.

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