Montag, November 12, 2012

Soll man von der Hölle reden?


[Von Bastian]
Ein Theologe rät, die kirchliche Lehre von der Hölle wieder zu vermitteln (LINK)
Ist das nötig bzw. richtig? Entspricht das der Verkündigung einer frohen Botschaft? (Die Frage, ob das „zeitgemäß“ ist, will ich hier nicht stellen.) Ist Gott nicht die Liebe, das Gute schlechthin, ohne Böse zu sein? Wie sollte er verdammen?
Auch wenn dies häufige Einwände sind: ich denke, so wird man diesem Thema nicht gerecht.

Ein Gleichnis.
Wenn jemand krank ist, kann ich ihn glücklich machen, indem ich ihn heile. Wenn der Patient jedoch behauptet, er sei nicht krank, wird es kompliziert. Irgendwie muss er das Medikament schlucken, sonst wird es bös enden. Was tun?
Vielleich kann ich ihn durch Manipulation dazu zu bringen, das Medikament aus irgendwelchen anderen Gründen zu schlucken. Wenn er schon nicht kapiert, dass er es braucht, könnte er es ja schlucken, weil die Gesellschaft der anderen Patienten so nett ist und er auch dazu gehören will. Man könnte das Medikament auch schlucken, weil man dann zum kleinen Kreis derer gehört, die wirklich wissen, was Pillen sind. Oder weil der Apotheker so nett ist. Allerdings funktionieren all diese Dinge auch ohne das Medikament. Es wird nicht regelmäßig eingenommen oder durch Kuchen ersetzt.
Ich habe jetzt 2 Möglichkeiten, den Patienten froh zu machen. Die eine ist, dass ich ihn aufkläre und ihm die möglichen Folgen seiner Erkrankung klar darstelle und dann heile. Die andere ist, dass ich ihm erkläre, er sei gar nicht krank. In beiden Fällen ist das Thema Krankheit vom Tisch.
Um im Bild zu bleiben: warum kann ich ihm nicht einfach die Gesundheit zusagen? Hat die Pharmaindustrie nicht Gesundheit zum Ziel, die nicht durch Leiden erkauft werden muss? Wer hat etwas davon, dem Patienten mit Siechtum zu drohen?
In diesem Zusammenhang klingen die Fragen außerordentlich dämlich: es gäbe keine Heilung, wenn der Patient nicht begreift, dass Handlungsbedarf besteht. Um mich heilen zu lassen, muss ich wissen, dass ich krank bin und dass das Folgen haben kann.

Kann ich das übertragen?
Ich weiß nicht, wie es anderen Menschen da geht, aber ich liefere mir meine Antwort selbst. In meinem Fall kann ich. Ich weiß, dass ich vor Gott krank bin. Ich kenne meine Sünden, oder zumindest einige davon. Ich weiß, dass ich Gottes Medizin brauche.
Im Inneren weiß das wohl jeder Mensch. Und für jeden Menschen ist es immer wieder schwer, dieser Tatsache ins Gesicht zu sehen. Aber Gott ist mein Arzt – und er ist ein guter Arzt – er kann diagnostizieren. Das ist die Rolle der „Drohbotschaft“: die Diagnose. Sie zeigt mir, was mein Problem ist. Mein Arzt droht mir nicht, mich ewig krank zu machen, sondern zeigt mir, warum ich seine Therapie brauche. Ihn dafür verantwortlich zu machen, dass meine Erkrankung Folgen haben kann, ist so sinnvoll, wie den Meteorologen für das Wetter anzuklagen. Auch das Verschweigen der Krankheitsfolgen ist keine Lösung, genauso wie kein Sturm ausbleibt, weil der Deutsche Wetterdienst meint, es sei unverantwortlich, ihn vorherzusagen,
Wenn die Verkündigung darauf verzichtet, die Situation beim Namen zu nennen, ist sie keine. Sie wäre fruchtlose Beschwichtigung. Wie ein Ärzteverband, der verlauten lässt, es sei nicht mehr zeitgemäß, von Krebs zu sprechen – „persönlich einzigartige Wachstumsformationen“ seien angemessener und zudem nicht ängstigend. Geschwätz. Eine Krankheit ohne Folgen ist keine. Eine Heilung von etwas Unerheblichem ist überflüssig. Die Idee einer Therapie gegen eine Krankheit, die jetzt Spaß macht und zudem keine Spätfolgen hat, ist dumm: sowas sollte man fördern, nicht behandeln. Ein Arzt, der nicht wirklich diagnostiziert, heilt nicht. Eine kranke Gesellschaft, die ihre Krankheit nicht kennt, ist noch kranker. Wer nicht alles sagt, hat nichts zu sagen.

Deshalb gehört die Klarheit, was die Folgen angeht, untrennbar zur Verkündigung: sie ist Teil des Heilsplanes Gottes für uns, der aus Diagnose und Therapie besteht. Gott manipuliert nicht. Er spielt immer mit offenen Karten und wünscht, dass ich seine Therapie selbst wähle. Er entmündigt mich nicht, um mir dann die Erlösung freundlich unterzuschieben, sondern er sagt mir die Wahrheit. Die ganze Wahrheit.

3 Kommentare:

  1. Sehr gut, Bastian! In meiner Seelsorgeeinheit scheint jeder Mensch mit seinem Ableben automatisch in den Himmel zu kommen ..., also wozu sich um irgendeine Krankheit kümmern?

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  2. Danke! Ich kann jedes Wort unterschreiben!

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