Freitag, Juli 20, 2012

Undenkbar?

[Von Bastian]

Ich muss mich verschwörungstheoretisch betätigen und werde erklären, warum.

Wenn es Gesetz würde, den Begriff „Würfel“ auf alles auszuweiten, das einem Quader ähnlich sieht – was wären die Folgen? Das Wort „Würfel“ umfasst in seiner neuen Bedeutung nach wie vor das, was es vorher beschrieb, denn jeder Würfel ist auch ein Quader. Zusätzlich umfasst es jetzt auch alle anderen Quader. Positiv beschönigend ausgedrückt ist seine Bedeutung umfassender geworden. Tatsächlich ist seine Bedeutung verschwommen und unpräzise geworden. Und was dazu kommt: für richtige Würfel gibt es kein Wort mehr. Dabei hat sich an den Tatsachen nichts geändert: natürlich ist der Würfel hinterher noch ein Würfel und ein Quader ein Quader. Die Sprache wäre absichtlich ungenauer geworden – undenkbar.

Undenkbar? Nun, derzeit wird allgemein versucht, mit dem Begriff der Ehe genauso umzugehen: er soll auf alle anderen Formen der Lebens(abschnitts)partnerschaften ausgeweitet werden. Das erklärte Ziel ist, keinen Unterschied mehr zwischen den einzelnen Formen der Partnerschaft zu machen. Gleich dem Würfel im Beispiel ändert sich dabei an den Tatsachen nichts – es gibt die vor Gott geschlossene endgültig bindende Partnerschaft zwischen Mann und Frau nach wie vor, nur hat sie keinen Namen mehr. Die Sprache ist unpräziser geworden, denn die Gesellschaft beraubt sich der Möglichkeit, einen Inhalt zu formulieren. So macht sie sich selbst dümmer und ist stolz darauf. Das undenkbare ist eingetroffen.

Aber warum? Dass es dabei um das Ziel geht, die christliche Ehe auszuhöhlen, weil man selbst, triebgesteuert, wie man ist, nicht mit ihr klar kommt, liegt auf der Hand. Doch woher stammt die (abstruse) Idee, man könne durch Änderung der Begrifflichkeiten die dahinterstehenden Tatsachen mitändern? Literarisch gibt es dazu eine große Vorlage: „1984“ von George Orwell. Die dort beschriebene Gesellschaft beruht auf dem Prinzip, dass wahr ist, was ich wahrnehme, und dass ich wahrnehme, was politisch korrekt ist.
Das Werkzeug dazu ist „Newspeak“. Dabei handelt es sich um eine vorgeschriebene Sprache, in der die Bedeutung von Worten so verändert wird, dass für unangenehme (hier: dem Regime gefährliche) Dinge keine Begriffe mehr existieren. Ziel ist, bestimmte Dinge unmöglich zu machen, weil man an sie mangels Begriff nicht einmal denken kann. Damit sollen so genannte „Gedankenverbrechen“ unmöglich werden. Womit wir wieder beim Stichwort „undenkbar“ wären.

Dass wir selbst derzeit (ich behaupte: nicht mehr lange!) in einer Gesellschaft leben, die ihre eigene politisch und mainstreamtechnisch korrekte Wahrnehmung zur Wahrheit für alle machen will, ist evident. (LINK, LINK) Doch sind wir tatsächlich bei der Idee von „Gedankenverbrechen“ angelangt? Ich denke, der Begriff der (natürlich abzulehnenden und schwerst zu bekämpfenden) „Homophobie“ ist die Antwort. Eine Phobie ist keine Tätigkeit, die man unter Strafe stellen könnte, sondern eine Haltung, eine persönliche Eigenschaft, eine Angst. Sie entzieht sich damit jeder Rechtsprechung: die Gedanken sind frei. Sollten sie zumindest sein. Der offene Versuch, eine Haltung notfalls (nur notfalls?) auch mit gesetzlichen Mitteln zu bekämpfen, zeigt, dass es bei uns inzwischen Gedankenverbrechen gibt, die zu begehen gefährlich ist. Eine wie auch immer geartete Ablehnung homosexuellen Verhaltens darf man nicht haben. Es kann den Job kosten, was, wenn es nach den Wortführern der Wortänderer geht, nur der Anfang ist. Und so werden schon kleine Kinder in neuen Schulbüchern darauf vorbereitet, dass es keine besondere Ehe, sondern nur Partnerschaften gibt, die vor dem Gesetz zufällig „Ehe“ heißen.

Da wird gesellschaftlich und politisch auf vielen Ebenen zugleich am selben Thema gearbeitet. Es erscheint koordiniert und zielgerichtet. Es steckt jemand dahinter, der weiß, was er will und was er tut: Verschwörungstheorie? Und der zugleich so verblendet ist, nicht zu merken, dass das nur daneben gehen kann. Wenn ich mir an einem Mauervorsprung das Schienbein stoße, hilft es einfach nichts, das Licht auszumachen, damit ich den Vorsprung nicht mehr sehe: ich werde mich weiter daran stoßen, weil es ihn gibt.
Oder biblisch gesprochen: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Stein des Anstoßes geworden. Einfach weil es wahr ist.

12 Kommentare:

  1. Sprache ist eine tolle Sache, doch wir erleben vielfach eine Sprachverflachung, in der Unterschiede verwischt werden.
    Auch die letzte Rechtschreibreform hat dazu beigetragen. Früher gab es z.B. zwei Wörter: „sitzenbleiben“ (in der Schule) und „sitzen bleiben“ (auf dem Stuhl). Heute empfiehlt der Duden für beides die Schreibweise „sitzen bleiben“, wenngleich die Schreibweise „sitzenbleiben“ als Alternative möglich ist. Dies ist nur ein Beispiel von sehr vielen.
    „Ich fürchte, wir werden Gott nicht los, weil wir noch an die Grammatik glauben“, konnte Nietzsche noch sagen; heute muß man wohl sagen: „Ich fürchte, wir sind Gott schon lange los, weil wir nicht einmal mehr eine Grammatik haben.“

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    1. "Wir haben lange zusammengesessen!" ist Gott sei Dank noch ungetrennt richtig!

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  2. Als ich 2006 Notker Wolfs Buch "Worauf warten wir" las, in dem er sich ja auch ausgiebig mit der sog. Political Correctness als Denk- und Redeverbot beschäftigt, hatte ich mir überlegt, dass in ein paar Jahren wohl nur noch die Kirche die Wahrheit ungestraft aussprechen kann. Dass dem nicht so ist, haben wir an den vielen Angriffen gegen Papst Benedikt und die Hetzjagd gegen Bischof Mixa erfahren. Ich denke, hier müssen wir noch stärker zusammenstehen.
    Großartiger Artikel, Danke!

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    1. Ich denke es ist weniger ein Problem von Political Correctness, sondern vielmehr ein Problem, daß uns irgendwann die richtigen Worte fehlen. Wenn demnächst wer von „Ehe“ spricht, meint der eine eine „richtige Ehe“, der andere versteht darunter „irgendwelche Doppelbindungen“.
      Eine Umdeutung von Begriffen ist immer problematisch. Sie erschwert die Kommunikation. Man muß dann bei jedem Begriff erstmal hinzufügen, was man eigentlich damit meint.

      Ein Punkt ist die Umdeutung der Begriffe, ein anderer das Abschaffen von Unterschieden durch die Schreibweise.

      Es passiert mir öfters, daß ich Sätze zweimal lesen muß, weil heute Unterschiede glatt gebügelt wurden.
      Früher schrieb man:
      „Wie viel Geld den Charakter verdirbt, so...“
      „Wieviel Geld den Leuten geboten wird, entscheidet...“
      Heute gibt es nur von „wie viel“ als zwei Worte geschrieben. Man muß erst einige Wörter gelesen haben, um zu verstehen, welche Bedeutung nun „wie viel“ am Satzanfang hat. Orthographisch mag es eine Vereinfachung sein, aber es macht letztlich die Sprache kaputt.

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    2. So wie Bastian es beschreibt, ist es nicht nur die Sprache, sondern es geht schon darum, das Denken in eine bestimmte Richtung zu lenken.

      Was die Rechtschreibung angeht, gab es ja das Gerücht, dass man in der DDR die Groß- und Kleinschreibung abschaffen wollte. Es ist dann an dem Satz gescheitert: "ich habe in moskau liebe genossen".

      Die Rechtschreibreform ist wohl eher der Tatsache geschuldet, dass die Leute, die früher ihre Probleme damit hatten, beim Marsch durch die Institutionen ganz oben angekommen sind. Ein kleiner Racheakt also.

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  3. "Es erscheint koordiniert und zielgerichtet. Es steckt jemand dahinter, der weiß, was erw will und was er tut." Ganz meine Meinung. Keine Verschwörungstheorie, dazu sind die Tendenzen zum totalen Staat zu offensichtlich, auf allen Ebenen. -
    Bastian, woher nimmst Du Deinen Optimismus, dass daraus nichts wird? Dass aus 1933 noch rechtzeitig die richtigen Schlüsse gezogen werden, erscheint mir jedenfalls immer unwahrscheinlicher!

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    1. Das ist kein Optimismus.
      Es liegt in der Natur der Sache selbst, dass sie nicht funktioniert. Meine persönliche Einschätzung ist, dass es nicht mehr lange dauert, bis sie sich überlebt. Einige Jahre vielleicht, denke ich. Diese Blase wird platzen, wie jede andere auch. Dass dieses Platzen mit einem Knall erfolgen kann und die Trümmer viel unter sich begraben, ist wohl nicht auszuschließen. Und dass jeder von uns erleben muss, wieviel er selbst auf diesem unhaltbaren Grund für sich und sein Leben aufgebaut hat, wohl leider auch nicht.
      Das Dritte Reich war auch schnell vorbei und trotzdem kein Grund zum Optimismus.

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    2. Gut (oder vielmehr nicht gut), dann sind wir uns einig. Machen wir uns schon mal auf einen fürchterlichen Knall gefasst.

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  4. Anonym3:50 PM

    Dass da jemand dahinter steckt, ist keine Verschwörungsatheorie. Es gibt einige sehr potente Stiftungen (z.B. Rockefeller, Ford Foundation, Melinda Gates-Stiftung, seit neuestem auch Google etc. etc.), die mächtig stolz darauf sind, dass sie seit Jahren höchstoffiziell und mit enormem finanziellen Aufwand die Gender-Ideologie unterstützten und verbreiten helfen. Mit Geld ist in dieser Welt fasst alles kaufbar, auch die UNO und die EU, die sich so zu den einflussreichsten unmittelbaren Verbreitern der Gender-Ideologie gemausert haben.

    Dahinter steckt immer noch sehr viel an marxistischem Gedankengut: Da die Familie eine wichtige Säule der verhassten Gesellschaft ist, müsse sie mit allen Mitteln beseitigt werden. Wenn das nicht schlagartig durche eine Revolution erreicht werdn kann, dann eben durch eine Demontage Stück für Stück.

    Wolfgang e.

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  5. Leider haben Christen selbst dazu viel beigetragen: Grundbegriffe wurden verbogen, ohne korrigiert zu werden. Als Beispiel nur mal der Zusammenhang zwischen Ehrlichkeit und Steuerhinterziehung, die entweder als Sportart oder als Kavaliersdelikt abgetan wird.
    Kaum Christen, die dagegen gesprochen, sich dem Sog der Zeit entgegengestellt hätten. Dass in der Gegenbewegung nach Reinheit im Glauben gesucht wird, ist ist ebenso eine zu erwartende Entwicklung wie die sich zuspitzenden Gegenpositionen aus den unterschiedlichsten Ecken der Gesellschaft.

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