Dieses Interview führte ich mit einer Freundin. Es wurde auch bei Kath.net veröffentlicht.
Der britische Ethikrat empfiehlt den Einsatz empfiehlt den Einsatz einer neuen Technologie. Ausgangspunkt dieser neuen Biotechnologie sind Mütter mit Erbkrankheiten. Manche Mütter geben ihre Erbkrankheiten nicht über die DNA, sondern über das Erbmaterial der mütterlichen Mitochondrien (mtDNA) weiter.
Maria Pünter ist von dieser Erkrankung betroffen. Sie hat Biologie studiert und ist Mutter mehrerer Kinder, die diese Krankheit von ihr geerbt haben. Sie spricht im Interview über den Wert des Lebens.
Du bist betroffen von einer Erbkrankheit, einer Mitochondienerkrankung. Wie wirkt sich das auf Dein Leben aus?
Wenn ich mit den Symptomen anfange – die sind vielfältig und den ganzen Körper betreffend. Angefangen von der sehr häufigen und sehr schmerzheften Migräne bis zu Schlaflosigkeit, Hautproblemen, also Ekzemen, Nagelreißen, schon früh in der Kindheit – das sind die Kleinigkeiten, die Ärger machen. Was ich dazu rechnen kann – oder auch nicht – sind die Schmerzen im Skelettsystem, vor allem in den Füßen. Viele Symptome haben andere Menschen auch, aber nicht so geballt, alle zusammen. Es kommt dazu, dass sich dann mit der Hörbehinderung die am schwersten zu ertragende Situation entwickelte, bis hin zur völligen Taubheit. Und dann der Diabetes. Bei mir speziell sind das die Hauptsymptome.
Du kannst Dich mit mir unterhalten, obwohl Du taub bist?
Ja, ich bin cochlear implantiert, das heißt, ich bin völlig taub, aber ich höre durch eine elektronische Anlage in meinem Kopf, die verbunden ist mit dem Hörnerv, der noch intakt ist. Das Ohr ist nur noch Attrappe. Entsprechend sind auch die Augen jetzt dabei, durch eine Zerstörung der Netzhaut kaputt zu gehen. Ich laufe also sehr massiv auf die Erblindung zu und ich merke das sehr. Ich liebe es zu lesen und das kann ich nicht mehr länger als eine halbe Stunde. Und dann kommt dazu eine sehr begrenzende Entwicklung: dass meine Muskeln atrophieren, besonders im Bereich der Oberschenkel, auch in den Armen, in den Händen. Dazu sehr frühe Arthrosen in den Händen und den Fingern, schmerzhaft. Das alles behindert die Lebensmöglichkeiten und die Ausdauerfähigkeit besonders im motorischen Bereich. Ich habe jetzt ein Elektrofahrrad, weil ich sonst die leichten Steigungen hier vor Ort nicht mehr schaffen würde. Ich liebe mein Fahrrad. Man kann Sport treiben, um der Muskelschwäche entgegenzuwirken, aber da darf man nur begrenzt etwas tun, weil sonst die Mitochondrien in ihrer Energielieferung total überfordert sind. Das wären die Hauptsymptome bei mir. Ich könnte noch viel aufzählen: Kleinwüchsigkeit, gastro-intestinale Beschwerden, eine Vielzahl von Allergien und Asthma, hormonelle Störungen, Nervenschmerzen…
Wie bringst Du Deine Lebenssituation mit einem liebenden Gott in Einklang?
(überlegt) Indem ich Gott vertraue, dass alles, was mir begegnet, zu meinem Besten dienen muss, wie es in der Bibel steht. Dass er schon weiß, was er zulässt. Knappe Antwort…
Wie beurteilst Du Deine Lebensqualität?
Als gut! Wenn das auch überraschend sein mag. Ich höre, obwohl ich taub bin, dank der Medizin und dem technologischen Fortschritt. Und ich lebe seit 30 Jahren mit meinem Diabetes supergut eingestellt. Ich komme da gut mit klar und bin so froh, dass es Insulin gibt, das ich mir täglich einspritzen kann, und die Möglichkeiten des Testens! Sonst wäre ich früh gestorben, so wie es früher wohl öfter der Fall war. Und ich kann mir mit vielen Hilfsmitten innerhalb unserer Gesellschaft sehr gut durchs Leben helfen. Ich bin jetzt 57 und habe ein volles Leben gelebt, mit all meinen Schwierigkeiten. Jetzt geht es zwar langsamer und weniger, aber ich bin sehr zufrieden mit allem, was ich noch an Lebensmöglichkeiten habe.
Wie hilft Dir Gott in Deiner Situation?
Ich sehe es als eine ganz besondere Gnade Gottes an, dass ich in diesem reichen und sozial gut strukturierten Land leben darf und aufgewachsen bin, so dass ich die Hilfen in Anspruch nehmen kann, die Gott auch so bereitstellt. Und ich denke, Gott hilft mir täglich durch meinen Kontakt zu ihm durch Bibellesen und die eigentlich tägliche Heilige Messe. Er nährt meine Seele. Ich habe häufiger erlebt, dass ich auf Gebet hin durch Gott von Symptomen befreit worden bin – den unerträglichen Migräneschmerzen, Arthroseschmerzen. Es ging mir immer wieder besser, wenn ich mich an Gott gewandt und in seine Hände gelegt habe, auch in Bezug auf meine Kinder, die schwerer betroffen sind als ich. Jesus ist uns als der Leidende präsentiert! Wir haben immer die Wahl, unser Leiden fruchtbar zu machen für andere, indem wir es Jesu Leiden "hinzufügen", oder "aufopfern", oder "schenken" - welch ein Trost!
Deine Krankheit wird von der Mutter auf die Kinder vererbt. Wie gehst Du damit um, dass Deine Kinder sie von Dir ererbt haben und deren Kinder wiederum?
Das ist für mich persönlich die schwerere Last, weil ich mit den Kindern leide und es mir sehr weh tut, zu sehen, wie eine meiner Enkelinnen sehr schwer belastet ist und sehr leidet. Aber insgesamt lerne ich dadurch, das Leben und den Kampf, den meine Kinder führen müssen, zu genießen, gut zu führen und auch schön zu finden. Und ich habe Hochachtung davor, dass alle meine Kinder sich auch so an Gott wenden, immer wieder und immer mehr. Sie beten und bitten mich um Gebet für sie. Und Gott hilft und hat zu uns eine intensive Beziehung. Auch über bestimmte Foren und Forschungsberichte, die ich durch meine Kinder und auch mit ihnen durchgearbeitet habe, muss ich sagen, dass es mehr medizinische Hoffnung für meine Kinder gibt – auf Heilung sogar. Es gibt verschiedene Ideen und Vorschläge, wie man eventuell dem Ganzen zu Leibe rücken kann. Das klingt nicht ganz hoffnungslos, alleine schon medizinisch. Wenn ich noch daran krank bin – meine Kinder können vielleicht noch von den Ergebnissen der medizinischen Forschung profitieren.
Es gibt die Möglichkeit, durch gentechnische Verfahren, Kinder zu erzeugen, die diese Krankheit nicht haben. Dazu wird der Zellkern einer befruchteten Eizelle von Dir in die Eizelle einer gesunden Frau eingesetzt und das so entstandene Kind Dir eingepflanzt, wenn es gelingt. Dieses Kind wäre gesund und hätte faktisch 3 Eltern: Dich, den Vater und die Frau, die die gesunde Eizelle zur Verfügung stellte. Der britische Bioethikrat empfiehlt dieses Verfahren bei der Erkrankung, die Du hast. Was hältst Du von diesem Verfahren und wäre das für Dich eine Alternative gewesen?
Ich persönlich würde sie niemals in Anspruch nehmen, weil ich denke, dass die Zeugung eines Embryos eine Sache ist, die von Schutz umgeben sein muss. Vom Schutz der zeugenden Eltern. Ich denke, dass man da nicht eingreifen darf, egal, was das Leben bringt. Wenn andere Embryos gezeugt werden, können die auch krank sein und Probleme haben in ihrem Leben. Das ist für mich kein Kriterium, um auf solche Methoden auszuweichen und die In-Vitro-Befruchtung mit ihrer Lebensgefährlichkeit für einen solchen Embryo zu riskieren. Die Frau, die ihre Eizelle hergibt, muss das eigentlich auch als einen Eingriff in ihr persönliches Frau-sein empfinden. Ich persönlich würde es nicht tun. Aber meine Meinung ist nur insofern persönlich, als sie mich selbst betrifft. Wenn da in irgendeiner Weise die Gefahr für den Embryo, die ich nicht ganz abschätzen kann, hoch ist, oder dazu eine befruchtete Eizelle der Spenderfrau verwendet werden müsste, muss ich ganz klar sagen, dass das ethisch in keiner Form befürwortet werden kann.
Eine sehr persönliche Frage dazu: was bedeutet es für Dich, dass sehr viele Menschen ihr Kind abtreiben würden, wenn es wäre, wie Du bist?
(überlegt lange) Das macht mich traurig, (überlegt wieder) weil ich auch aus persönlicher Erfahrung mit schwierigen Schwangerschaften weiß, wie kostbar ein Menschenleben ist. Und weil ich durch diese Erfahrung das Leben von Menschen als ein ganz großes Geschenk von Gott ansehe. In jedem Fall und auf jede Art und Weise.
Noch eine sehr persönliche Frage: Die Gentechnik versucht zu verhindern, dass es Menschen mit dieser Erkrankung gibt. Hast Du je daran gedacht, es könnte besser sein, wenn es Dich und Deine Kinder und Enkel nicht gäbe?
Ich kenne eine Situation, den Fall einer mitochondrial bedingten Psychose, wobei auch andere Umstände mitgewirkt haben können. Da sehe ich in der Familie, die sehr, sehr unter dieser Erkrankung leidet, so viel Elend und auch körperliche Qual, dass ich mir manches Mal gewünscht habe – ja – es würde diese Familie nicht geben, weil sie so sehr leiden muss. Aber das sind Gedanken, die nicht bleiben. Und ich glaube auch nicht, dass das Gedanken sind, die im Sinne Gottes sind.
Fühlst Du Dich in Deiner Situation in der Kirche gut aufgehoben?
Ich fühle mich in der Kirche – speziell in der katholischen Kirche – gut aufgehoben, weil ich in der Kirche sein kann mitsamt meiner Behinderung. Ich habe jahrelang nichts hören können und ich wusste doch, wie die Liturgie der Heiligen Messe – nun, wie sie war. Sie war in mein Inneres geschrieben und ich konnte dabei sein. Niemand hätte mich diskriminiert wegen einer Behinderung. Nicht in der Kirche. Mein persönliches Leben des Glaubens und das Erleben der Kirche hängen trotz vieler Fehler der Institution, die wohl jeder sieht, mehr von der Gegenwart Jesu in der Eucharistie ab. Und wenn ich Jesus in der Eucharistie habe, dann brauche ich nicht zu sehen und nicht zu hören. Dann kann ich krank sein. Ich kann dasitzen, wie ich bin, kann bei ihm sein, und das ist für mich das Wichtigste überhaupt. Er tröstet mich, er ist real. Insofern fühle ich mich in der katholischen Kirche sehr gut aufgehoben, weil sie nicht von Menschen abhängig ist. Persönlich habe ich innerhalb der Kirche mit dankbarem Herzen ganz viele tiefgläubige Geschwister gefunden, und auch Priester, die sehr gläubig sind. Mit diesen habe ich auch persönliche Kontakte. Das ist gut, das tut mir gut. Da ich mit meiner Behinderung positiv umgehe und kämpfe, bin ich, glaube ich, für viele, die auch mit Krankheit zu kämpfen haben, auch eine Ermutigung.
Was wäre in der Kirche Deiner Meinung nach am dringendsten erforderlich?
Dass die Menschen weniger kritisieren, sondern sich tiefer der Gegenwart Jesu in der Eucharistie zuwenden.
Wenn Du eine gesellschaftliche Entwicklung in Gang setzen könntest – welche wäre das?
Die Umerziehung der Menschen, der Gesellschaft – schon früh, im Kindergartenalter und später durch die Medien – hin zu mehr Ehrfurcht vor dem Leben an sich, ganz egal, wie es ist. Zu mehr kritischem Bewusstsein gegenüber dem Machbarkeitswahn der Medizin und der Forschung.
Alles, was Gott mir durch diese Erkrankung und auch sonst im Leben genommen hat, hat mir die Erfahrung eingebracht, dass er es mir auf andere Weise tausendfach zurückerstattet hat. Das ist mir ganz wichtig geworden – das stärkt mein Vertrauen. Denn was auf mich zukommt, das ist wirklich ganz übel: das ist die Demenz, und der werde ich kaum ausweichen können. Ich weiß, selbst wenn er mir die Fähigkeit nimmt, zu denken, dann bin ich immer noch sein geliebtes Kind.
Maria, wir danken für dieses Gespräch und wünschen Dir alles Gute und Gottes Segen!