Samstag, März 04, 2006

In der Fremde - in der Heimat

»Ich habe mir oft vorgestellt, einen Roman über einen englischen Segler zu schreiben, der seinen Kurs ein wenig falsch berechnete … und in der Meinung, es handele sich um eine unentdeckte Südseeinsel, England entdeckte. Leider muß ich sagen, daß ich entweder zu faul oder zu beschäftigt bin, um dieses Werk zu schreiben, und so kann ich die Idee getrost einmal hergeben, um damit einen philosophischen Gedanken zu illustrieren.

Vermutlich entsteht dabei ein allgemeiner Eindruck, daß sich der Mann der (bis zu den Zähnen bewaffnet und in Zeichensprache gestikulierend) an Land gegangen war, um die Britische Flagge auf jenem Barbarentempel aufzupflanzen, der sich dann als der Badepavillon von Brighton entpuppen sollte, wie ein Verrückter vorkam. Ich gebe gerne zu, daß er wohl auch ein wenig danach aussah.

Aber wenn Sie nun der Auffassung sind, daß er sich auch wohl wie ein Verrückter fühlen mußte, oder daß jedenfalls das Gefühl, eine ziemliche Narrheit begangen zu haben, sein einziges oder doch zumindest vorherrschendes Gefühl gewesen sein müßte, dann haben Sie sich noch nicht mit genügend Einfühlungsvermögen in die reiche romantische Veranlagung des Helden dieser Geschichte vertieft.

Tatsächlich war sein Fehler beneidenswert, und er wußte es, wenn er der Mann war, für den ich ihn halte. Was könnte denn reizvoller sein, als in denselben Augenblicken all die faszinierenden Schauder der Fremde zu verspüren – und sich gleichzeitig in der menschlichen Sicherheit des Nachhausekommens geborgen zu wissen? Was könnte denn besser sein, als die Freude zu haben, Südafrika zu entdecken, ohne die scheußliche Notwendigkeit, dort auch zu landen? Was wäre ruhmreicher, als sich aufzuschwingen, Neu-Südwales zu entdecken – nur um unter Freudentränen zu entdecken, daß man sich sogar in Alt-Südwales befände?

Zumindest dies scheint mir das Hauptproblem für Philosophen zu sein, und auf gewisse Weise ist es das Hauptproblem dieses Buches. Wie können wir es einfädeln, zugleich erstaunt über die Welt zu sein und zugleich doch in ihr beheimatet?«

Gilbert Keith Chesterton; aus »Orthodoxy«, Doubleday, New York
ISBN 0-385-01536-4
Übersetzung Eigenbau … deshalb holpert’s auch so.

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