Dienstag, April 17, 2012

Die Keule zeigt Wirkung

[Von Bastian]
Auf Facebook schrieb ein Freund einen Satz, der mir sehr gut gefällt: Der gesellschaftliche Konsens zerbricht nicht bei den Folgerungen, sondern bei den Prämissen. Das stimmt.
Ein paar persönliche Gedanken dazu.

Ein Beispiel: Abtreibung und „begleiteter Suizid“. Die Idee, das Töten von Menschen zu erlauben oder sogar als notwendig darzustellen, ist nicht selbst das Problem, das abgeschafft werden muss. Gesetze sind wichtig, doch jeder Sieg im Kampf gegen das Töten bleibt ein Strohfeuer, solange eine Prämisse besteht, die eine vermeintliche Lebensqualität im Zweifelsfall höher einstuft, als das Leben selbst.
Im Kampf gegen die Umweltzerstörung wurde dieser Zusammenhang erkannt und berücksichtigt: weit mehr noch als um neue Gesetze ging es Umweltschützern immer um Aufklärung, um eine Änderung der Einstellung. In der Folge sind heute umweltfreundliche Gesetze selbstverständlich, die ich mir vor 30 Jahren nicht vorstellen konnte. Der Umweltschutz ist sicher noch unzulänglich und treibt zugleich auch übertriebene Blüten, doch sicher ist: der gesellschaftliche Konsens hat sich gewandelt.
Dabei wurden früher Umweltschützer genauso als realitätsfern angesehen, wie heute Lebensschützer. Nichts provoziert mehr, als die offene Zurschaustellung einer anderen Prämisse.

Heute tobt der Kampf um die Prämissen der Gesellschaft. Die Loveparade beispielsweise ist deshalb so bedeutend, weil sie eine neue Prämisse verkündet. Sie ändert selbst nichts, aber in ihrem Kielwasser ändert sich viel. Leider.

„Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste? Er antwortete ihm: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten.“ (Mat. 22,36-40) Christus, dem wir nachfolgen, hat Umkehr gepredigt und Gott als Prämisse verkündet. Alles hängt daran, auch Regeln und Gesetze. Der Kampf, den wir führen, ist in erster Linie ein Kampf um die Herzen.

Für mich stellt sich vieles im Kampf gegen den Glauben in diesem Licht dar. Für unsere Gegner ist klar: Christen dürfen alles, nur nicht ihre Prämissen verkünden. Solange sie das nicht tun, wirken ihre Ideen wie absurde Forderungen. Frauen zur Schwangerschaft zwingen? Alte Menschen leiden lassen? Tanzverbote? Das ist weltfremd und unmenschlich. Genau so soll es auch wirken, denn auf diese Weise demontieren sich die Christen selbst. Allerdings muss dazu sichergestellt werden, dass die Prämisse stimmt, damit alles im „richtigen“ Licht gesehen wird. Doch da kann man vorbauen.
Wie die Loveparade durch die Städte zieht, zieht sich ein roter Faden durch tausende von Berichterstattungen: die Gleichsetzung von konsequent gelebtem Glauben („religiösem Eifer“ – als sei Eifer etwas schlechtes) und Gewaltbereitschaft. Und im Kielwasser dieser Gleichsetzung, die kaum jemals ausdrücklich zu Änderungen aufruft und daher sehr tolerant daherkommt, ändert sich wieder viel: die Christen verlierenden Mut zum Bekenntnis. Niemand will ein Fundamentalist sein.
Plötzlich ist es christlich nicht mehr opportun, Salz der Erde oder Sauerteig zu sein. Es scheint besser, die Suppe nicht zu würzen, sondern sich bei ihr für den eigenen Geschmack zu entschuldigen. Die Grundlage des Glaubens – die unbedingte Vorrangstellung Gottes – ist zum Ballast geworden. Die Fundamentalismuskeule zeigt Wirkung.

Es ist ein Sieg der Feindschaft gegen Gott, wenn man sich im Namen der Kirche öffentlich unter dieser Keule duckt, Gräben zwischen Christen vertieft und daraus eine Tugend macht.

4 Kommentare:

  1. Zitat: („religiösem Eifer“ – als sei Eifer etwas schlechtes)/Zitat

    Dann war der Eifer gut, mit dem die Muslime die Koranverteilung angegangen sind (von anderen Aktionen von muslimischen und christlichen Gläubigen ganz zu schweigen)? Ja, die sind sehr eifrig im Glauben. Aber man kann alles überdosieren und dann wird jedes Heilmittel giftig.
    Dosis facit venenum, um mal einen sehr, sehr alten Arzt zu zitieren.

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  2. Liebe(r) F.M.,

    es bringt nichts, immer wieder einzelne Worte oder Aspekte aufzugreifen und an ihnen irgendwelche Fragen oder Kritiken festzumachen, die mit dem Zusammenhang des Textes nichts zu tun haben.
    Tatsächlich tun Sie damit genau das, was ich im Beitrag angeprangert habe: Sie überfrachten Dinge mit Ihren Aversionen. "Eifer" wird von Ihnen weder mit einem fleißigen Schüler, einem einsatzfreudigen Jugendgruppenleiter oder einem frohen Beter in Verbindung gebracht - nein, Sie versuchen verzweifelt, den Begriff mit Fanatismus und Intoleranz zu assoziieren. Jeder soll denken, eifrige religiöse Menschen seien Feinde, niemand soll auf die Idee kommt, sich mit den Dingen auseinanderzusetzen, die sie so schön weggebügelt haben.
    Mit offener Diskussion hat das nichts zu tun - es ist ein Manipulationsversuch, allerdings ein alltäglicher. Wobei ich nie begriffen habe, wie man mit selbst zurechtgeredeten Tatsachen zufrieden sein könnte.

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  3. Ich weiß, man muss das grosse Ganze sehen, nicht nur eine eifrige Aktion. Aber dann passiert das, was kaum einer der Katholiken hier will. Die große Weltreligion Islam wird zur Friedensreligion weil wirklich neunzig Prozent aller Muslime weltweit genau so friedlich sind wie eben auch neunzig Prozent aller Katholiken.
    Und dass es dass es sowohl im Islam, als auch im Christentum wie praktisch in allen Glaubensgemeinschaften verrückte Bomber gibt, werden doch hoffentlich nicht einmal Sie bestreiten wollen.

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  4. Mein(e) liebe(r) F.M.,
    es gibt zwei Möglichkeiten.
    Entweder halten Sie uns auf diesem Blog für Fanatiker - dann bleiben Sie bitte weg und hinterlassen keine Kommentare.
    Oder Sie halten uns für Diskussionspartner - dann lassen Sie bitte solche Spitzen wie "...werden doch hoffentlich nicht einmal Sie bestreiten wollen".
    Das ist nicht unser Diskussionsniveau.

    Ich hoffe auf gute kritische ANfragen und die Offenheit auf beiden Seiten, miteinander zu sprechen.

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