Die Diskussion läuft seit Jahren auf Hochtouren (siehe den letzten Beitrag, LINK). Ein paar persönliche Gedanken dazu.
Da ist erst einmal die Sexualität an sich. Die hat Power und macht sich bemerkbar. In dem Moment, in dem sie beginnt, mich zu locken, stehe ich vor einer grundlegenden Entscheidung. Soll ich nachgeben und Sex suchen (wie auch immer), oder muss sich dieser Trieb anderen Dingen unterordnen, auch wenn das Arbeit bedeutet?
Der gesellschaftliche Konsens ist derzeit klar: Die Tatsache, dass es sexuelle Wünsche und Bedürfnisse gibt, wird als Recht auf Sex interpretiert. Wer dieses Recht nicht akzeptiert, ist verklemmt, denn er leugnet seine Bedürfnisse. Die Gesellschaft jedoch ist frei und steht zu ihrer Sexualität, und wo das noch nicht der Fall ist, wird der Ruf nach Quoten, Regeln und neuen Schulbüchern laut. Glücklich sind die Menschen, die ihre Sexualität nicht unterdrücken, sondern sie leben.
Menschen, die da nicht mitziehen, sind bedrohlich und bedrückend. Natürlich bin ich tolerant. Es ist mir völlig egal, wie andere es halten - solange sie nicht öffentlich dazu stehen, keinen Sex zu haben. Selbstgewählte Enthaltsamkeit wirft ein ganz unangenehmes Licht auf meine Einstellung, nach der es ohne Sex nicht geht. Niemand, der sich für einen Feinschmecker hält, lässt sich gerne vor Augen führen, dass er ein Vielfraß ist. All diese Priester, Mönche, Ordensschwestern und Fundamentalisten sollen erst einmal zeigen, dass sie nicht in Wirklichkeit verklemmt sind. Für sie besteht geradezu eine Pflicht zum Sex, um aus ihrer dunklen Ecke heraus zu kommen.
Ganz unerträglich wird es, wenn Enthaltsamkeit für andere Dinge zur Voraussetzung führt. Mein Weg soll Einschränkungen mit sich bringen und Dinge für mich unerreichbar machen? Das ist Freiheitsberaubung. Der Zölibat beispielsweise muss weg – um meiner Freiheit willen. Freiwillig gerne, aber bitte niemals verbindlich. Das Recht auf Sex darf nicht angetastet werden. Selbst wenn niemand mit mir schlafen will – die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich will wenigstens davon träumen und es dürfen, wenn die ersehnte Gelegenheit endlich (wieder einmal) da ist. Ich habe ein Recht auf meine Sexualität!
Ein Recht? Ein Recht auf etwas ist sinnvoll, wenn es eine Instanz gibt, die es im Zweifelsfall erfüllen muss, sonst kann ich es mir auch an die Wand hängen. Was sollte ich beispielsweise mit dem Recht, dass mich jemand sympathisch findet? Es wäre traurig, wenn es niemand täte, doch was nützt mir das Recht darauf? Nichts. Wenn ich nun allein dastehe, stehe ich vor einer Wahl. Entweder bleibe ich ehrlich und arbeite so an mir, dass sich mein Wunsch nach Sympathie irgendwann erfüllt, oder ich kapituliere. Dann koppele ich mein Herz ab, verlasse die Wahrheit und suche ich mir Bestätigung, die nicht von Herzen kommt. Ich ersetze wahre Zuneigung durch leere Worte und Gesten, ersetze den Inhalt durch den Reiz. Ein verhängnisvoller Weg, denn es ist doppelt schwer, ihn zu verlassen: ich muss nicht nur erkennen, dass ich allein bin, sondern noch dazu, dass ich mir ständig etwas vormache.
Genau so geht die Gesellschaft mit Sex um. Sie hat kapituliert. Sie hat den sexuellen Reiz an die Stelle der Liebe gesetzt und die Befriedigung auf den Platz der Beziehung. Sie hat den Mensch beim Sex auf sich selbst zurückgeworfen und in der Vereinigung das wir zum ich kastriert.
Die Wahrheit ist: jeder Mensch ist ein sexuelles Wesen, aber ein Recht auf Sex gibt es nicht. Es gibt einen rechten Umgang damit. Der ist befreiend – die Gier ist es nicht. Was gibt es ärmeres als Pornographie, in bei deren Betrachtung ein Gegenüber nicht einmal mehr anwesend ist? Ein Mensch, der seit dem Unfall seines Ehepartners seit vielen Jahren abstinent lebt, lebt wahrscheinlich sein Leben viel beglückender als der, der sich nebenher ein Verhältnis sucht, weil der Trieb ihn drängt. Die Ordensschwester und der keusche Ehelose sind ihren wahren Bedürfnissen viel näher, als Betthäschen und Partylöwen. Der Lehrer in der Ehekrise darf ebenso wenig nach seinen Schülerinnen schielen wie der Priester im Religionsunterricht: bei beiden hat die Sexualität bereits ihren Platz gefunden.
C.S. Lewis schrieb sinngemäß: „Niemand brauche sich seiner Sexualität zu schämen, heißt es. Wenn damit gemeint ist, niemand brauche sich der Tatsache zu schämen, dass er einen Sexualtrieb hat, ist dem zuzustimmen. Wenn damit aber gemeint ist, niemand brauche sich über den Zustand zu schämen, in den der Geschlechtstrieb heute geraten ist, ist das ein gewaltiger Irrtum.“ (Genauer hier: LINK)
Diese Art der Unterscheidung fehlt heutzutage völlig. Sie braucht dringend ihren Platz in der Gesellschaft.
Gut gesagt.
AntwortenLöschenEin andere Gedanke: Wir leben in einer übersexualisierten Welt. Ab und zu nur ein denkender Mensch zu sein, ohne andauernd irgendwelche Reize oder Anmache ertragen zu müssen, finde ich als sehr erholsam.
Ich habe einige Kommentare entfernt, die zwar inhaltlich diskussionswürdig, jedoch in einer beleidigenden Attitude geschrieben wurden. Wenn von einem Autor oder Mitkommentator geschrieben wird, er »schwadroniere«, ist das für mich nicht mit dem Stil dieses Blogs vereinbar.
AntwortenLöschen"... wird der Ruf nach ... neuen Schulbüchern laut."
AntwortenLöschenUnd wenn es diese noch nicht gibt, geben die LehrerInnen - so geschehen bei meiner Tochter in der Grundschule - Antworten, die den Kindern die Freizügigkeit geradezu auf den Weg mitgeben. Ich würde mir wünschen, dass die Kirche Gelegenheiten wie z.B. den Religionsunterricht für solche Themen besser nützt - und sei es in Fortbildungen für Lehrer, in denen das zum Thema gemacht wird.
Sollte das eine Lehrerin in einer katholischen Schule sein, droht ihr natürlich die fristlose Kündigung! In einer staatlichen Schule sieht's schon finsterer aus. Dort können sich die Lehrer erstens nicht gegen den Lehrplan wehren, sie sind ja meist Beamte, oder zumindest abhängig Beschäftigte und keine Feiberufler und zweitens sind staatliche Schulen zu Neutralität verpflichtet. Sonst könnten ja zum Beispiel die Mormonen oder Zeugen Jehovas verlangen, dass die Kinder nach ihren Weltanschauungen unterrichtet werden und das wollen Sie ganz bestimmt noch weniger, als den staatlichen Lehrplan.
AntwortenLöschenEinzige Lösung (weils auch für den Religionsunterricht verbindliche Lehrpläne gibt, die Ihnen wenig gefallen dürften) ist eine andere, eine katholische Schule. Wenn keine da ist, kann man ja eine gründen. Ist gerade bei uns "ums Eck" passiert. Die bekommen sogar Staatsknete zum Aufbau.
Die tatsächlich ungefälligen Lehrpläne sind mir bekannt, aber genau wie Bastian schreibt: wenn die Freizügigkeit eine Meinung ist, dann sollte auch in unseren ach so neutralen Religionsunterricht ruhigen Gewissens auch Meinung - katholische - einfliessen, auch wenn der Lehrplan dazu gerade mal keinen Spielkreis vorsieht.
LöschenIch stimme grundsätzlich zu.
AntwortenLöschenAber lässt sich die Vermittlung sexueller Freizügigkeit wirklich mit Neutralität begründen? Freizügigkeit ist selbst eine Meinung.
Abgesehen davon - hier ist von einem Grundschulkind die Rede!
AntwortenLöschenAlso ich habe den Sexualkundeunterricht unserer kleine Tochter mit Argusaugen überwacht und nichts, aber auch gar nichts gefunden, was da auf "Vermittlung sexueller Freizügigkeit" gedeutet hätte.
AntwortenLöschenWenn Sie allerdings Neutralität schon als Vermittlung sexueller Freizügigkeit einordnen, dann ist eine streng katholische Schule, die ein Minimum biologische Fakten (hoffentlich), dafür um so mehr Vermittlung der katholischen Sexuallehre bietet, die einzig für Sie akzeptable.
Aber dann ist diese demokratisch begründete und freiheitlich verfasste Bundesrepublik für sie eigentlich auch untragbar. Die ist nämlich neutral. Sie erlaubt den Salafisten ihr heiliges Buch zu verteilen und sie erlaubt der Deutschen Bibelgesellschaft Bibeln welweit millionenfach zu verteilen. Und in meinem Bücherregal stehen neben einem guten dutzend Bibeln sogar ein Buch Mormon (einmal gelesen, muss ich mir nicht wieder antun, im Gegensatz zu den Bibeln) aber noch kein Koran; den habe ich verpasst bei uns.
Liebe(r) F.M.,
AntwortenLöscheneigentlich schätze ich Beiträge wie Ihre, die auch ruhig etwas polemisch hinterfragen. Wenn mir aber die Worte verdreht werden - ich hatte geschrieben, dass Neutralität und Freizügigkeit eben NICHT dasselbe für mich sind, weil Freizügigkeit eine Meinung darstellt - und ich dann gleich verdächtigt werde, das Grundgesetz untragbar zu finden, dann ist das - zum letzten Mal - nicht das Niveau dieses Bloggs.
Schreiben Sie entsprechend dem hiesigen Standard oder lassen Sie es ganz.
In der Sache: natürlich findet nicht überall eine Vermittlung freizügiger Einstellungen an kleine Kinder statt. Bei Efoi ist es offensichtlich geschehen, und das ist kein Einzelfall.
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