Eine Bezeichnung für den Papst ist Pontifex Maximus - der größte Brückenbauer. Was das bedeutet, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander.
Die einen haben einen eher dogmatischen Ansatz. Sie führen die Bibelstelle an „Auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ und sehen im Papst, falls er denn schon Bestandteil einer Brücke sein muss, das Fundament, auf dem alles ruht. Bestenfalls schlägt er den Bogen von Dogma zu Dogma, um die dazwischen liegende Reine Lehre vor Regen zu schützen.
Andere sehen das seelsorgerisch dynamischer: eine Brücke muss Abgründe überwinden, führt selbstverständlich möglichst weit, und sobald sie steht, geht der Papst am besten selbst drüber und bricht sie danach hinter sich wieder ab, damit kein irgendwie gearteter Druck ausgeübt wird. Was könnte die Idee des Brückenbaus anderes sein, als alles und jedes unverbindlich zu verbinden? Jede Überwindung irgendeines Abgrundes ist ein Sieg; ein Netz aus Brücken ist die Vision, gleich von wo nach wo man auf ihnen gelangt.
Nun ist die ganze Sache etwas weniger fröhlich, als europäische Wohlstandschristen es aus ihren Diskussionen gewohnt sind, die meist so ablaufen, dass beide Seiten mehr oder weniger aggressiv-munter die Positionen des jeweils anderen demontieren und sich dabei gut fühlen. Für mich klärt sich die Frage nach dem Wesen des Papsttums in der schrecklichsten Geschichte, die ich je gehört habe. Ob sie exakt so vorgefallen ist, weiß ich nicht, aber sie könnte täglich genauso passieren.
Auf eine Kirche wird während eines Gottesdienstes ein Brandanschlag verübt. Die meisten können sich retten. Eine Mutter aber muss erst nach ihrer kleinen Tochter greifen und sieht sich von Flammen umgeben. Sie sucht panisch einen Ausweg und findet ihn tatsächlich nach Minuten in Hitze, Lärm und Rauch. Als sie endlich glücklich und erleichtert mit ihrer Tochter auf dem Arm herausspringt, stehen draußen die Brandstifter. Sie entreißen ihr das Kind und werfen es zurück ins Feuer, wo es vor ihren Augen stirbt und verbrennt.
Angesichts des Schicksals dieses kleinen Mädchens, des Schmerzes dieser Mutter und der Schuld dieser Mörder versagen alle menschlichen Möglichkeiten. Man kann mitweinen, helfen, strafen und alles versuchen, um zu lindern. Doch eine menschliche Antwort, die diese Situation wieder ins Gute wendet, gibt es nicht: Hier ist das Ende der Möglichkeiten erreicht und das Existenzielle, Absolute tritt nackt hervor, und niemand kann es mehr bemänteln. Das Menschliche ist an seiner Grenze und versagt.
Gott sagt: ich kann das. Ich bemäntele gar nichts, denn ich bin für alle eine tatsächliche Perspektive, nicht eine tröstende Weltanschauung, für Opfer, Hinterbliebene und Mörder. Mein Geschenk ist das wirkliche, das ewige Leben. Ich bin das Absolute: das absolute Leben, ein Leben in Freude ohne Schmerz oder Schuld.
Doch wie soll man das dieser Mutter sagen? Allzu oft kommt bei den Betroffenen nichts an, oder bestenfalls irgendwelche Philosophien über die letzten Dinge, unabänderliche, angenommene Schicksale und getragene Kreuze. Trostversuche, die, aus menschlichem Denken heraus gesprochen, genauso eine Verhöhnung der Beteiligten sind wie ideologische aber letztlich abstrakte Solidaritätsbekundungen. Wie kann man das Absolute zu den Menschen bringen? Die Nachricht vom Heil muss einen Abgrund von Misstrauen und Verzweiflung überwinden, der unüberwindlich scheint
Über diesen Abgrund verläuft die Brücke, die der Pontifex Maximus als erster immer wieder zu bauen hat, die Brücke, die den Mensch mit Gott verbindet. Die Brücke der Verkündigung, die Brücke, auf der Gottes Wort täglich zu den Menschen gelangen kann. Sie ist mit den Dogmen allein ebenso wenig vollständig beschrieben wie mit der Lebenssituation ausgesuchter Teile der Zielgruppe. Ein dummer, sinnloser Streit: wie könnte das Anliegen Gottes, sein Heil zu den Menschen zu bringen, bei persönlichen Standpunkten enden? Ein Brückenpfeiler, der nur seinen Standpunkt gelten lässt, offenbart ein merkwürdiges Brückenbild.
Der Lagerstreit zwischen den Christen ist die heutige Form der Kirchenspaltung. Die große Brücke wurde von Gott selbst geschlagen: diese Brücke ist sein Sohn. Wir aber sind der Leib Christi auf der Welt, wir vertreten diesen Sohn heute. Damit sind wir selbst Teil dieser Brücke Gottes zu den Menschen. Er ist es, den wir zerreißen, wenn wir uns zerstreiten.
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