Samstag, Januar 16, 2016

Keine halben Sachen!

„Keine halben Sachen!“ habe ich gedacht, als ich die weichgespülten Korrekturen der Falschmeldung las, die Erzbischof Plaza zu Unrecht in den Dreck zogen. Haben die Zeitungen, Portale und Agenturen nicht mehr drauf, oder wenigstens mehr Anstand? Empört war ich!
Doch dann fiel mir die alte Tugend ein, vor der eigenen Türe zu kehren. Hatten wir Blogger nicht auch halbe Sachen gemacht? Hatten nicht auch wir nur angeprangert, aber keinen Lösungsvorschlag unterbreitet? Was, wenn die armen Medienprofis das gar nicht können!
Um die Sache also rund zu machen und die zweite Hälfte zu liefern, hier ein Textvorschlag, wie man die Sache aus der Welt (und auch aus anderen Zeitschriften, die sich bisher nicht trauen) schaffen könnte. Nachdrucken ausdrücklich erlaubt.


Liebe Leser,
vor kurzem brachten wir die Meldung, der Erzbischofs von Toledo, Braulio Rodriguez Plaza, habe sich in einer Predigt abschätzend über misshandelte Frauen geäußert: sie seien an ihrer Situation selbst schuld. Diese Meldung war falsch.
Wir entschuldigen uns bei Ihnen dafür, Sie falsch informiert zu haben. Noch nachdrücklicher jedoch entschuldigen wir uns bei Ihnen, Exzellenz!

Einen Link zu einer Übersetzung der Predigt finden Sie hier. Erzbischof Plaza wendet sich darin massiv gegen jede Form von Gewalt gegenüber Frauen, prangert die Täter an, lobt die rechtlichen Möglichkeiten der betroffenen Frauen und versucht, den Ursachen des Problems auf den Grund zu gehen. Die fehlerhaften Anschuldigungen lassen sich weder im Wortlaut der Predigt finden, noch durch Interpretation konstruieren. Es tut uns leid.


In eigener Sache dazu: das Verbreiten von Nachrichten ist ab und zu mit Stolperfallen versehen. Aktualität bedeutet Zeitdruck. Nachrichten breiten sich in großer Geschwindigkeit aus und werden, wenn man die Quelle als zuverlässig kennt, oft erst im Nachhinein geprüft. Das ist hier passiert. Eine aufmerksame Leserschaft hat den Irrtum rasch bemerkt und konnte ihn anhand einer Übersetzung nachweisen. So können wir ihn korrigieren; danke für die Hinweise!

Wir haben einen Fehler begangen - es wird nicht unser letzter gewesen sein. Korrekte Informationen aber müssen einem Nachrichtenportal wichtiger sein als die eigene reine Weste. Da es unser Anliegen ist, Sie stets aktuell und richtig zu informieren, also selbst eine zuverlässige Quelle zu sein, ist unser fest zugesagter Service der: Fehler werden korrigiert, und zwar so, dass es bemerkt wird. Sie bekommen die richtigen Informationen.

Ihre *werauchimmer*

Freitag, Januar 15, 2016

Gute Manieren sind gefragt.

Wer am Kaffeetisch versehentlich seine Tasse auf den Boden fallen lässt, tut gut daran, die Tasse in die Spülmaschine zu räumen und sich eine neue zu holen. Hat er allerdings dabei den Kaffee auf die Hose seines Sitznachbarn geschüttet, ist der mit Recht erstaunt, wenn es bei einer neuen Tasse bleibt. Ein „Entschuldigung!“ und ein paar Servietten wären da nicht zu viel erwartet. Eher angemessen – alles andere wäre nicht nur unhöflich, sondern ließe den Ungeschickten zusätzlich als Egoisten erscheinen: Die Hose bleibt dreckig, Hauptsache, meine Tasse ist sauber. So weit – so einsichtig.

Wenn ein Nachrichtenportal versehentlich eine Falschmeldung bringt, tut es gut daran, die zu löschen. Hat es dabei allerdings einen unschuldigen Menschen mit Dreck beworfen, tut es gut daran, eine Richtigstellung zu bringen, verbunden mit einer Entschuldigung. Und das so, dass beides auch wahrgenommen wird. Alles andere wäre nicht nur unprofessionell, sondern auch unglaubwürdig: Der Dreck bleibt kleben, Hauptsache wir haben keine Fehler auf dem Portal. Ist doch klar – oder?

Bei Domradio scheint man das anders zu sehen. Eine dreckschleudernde Falschmeldung ohne eigene Recherche zu übernehmen – das geht. Das ist sogar verständlich: den Agenturen, von denen man seine Nachrichten erhält, vertraut man. Domradio ist kein Riesenunternehmen.
Ein Versehen dieser Art ist nun passiert. Man hat eine skandalöse Meldung übernommen: Erzbischof Rodriguez Plaza habe misshandelten Frauen in seiner Predigt mitgeteilt, sie seien an ihrer Lage selbst schuld. Diese Meldung ist offenbar falsch. Und ist sie falsch, ist sie bösartig und für den Bischof (und die ganze Kirche!) eine schwere menschliche Verletzung. Doch bevor man das offen korrigiert, braucht man offenbar erst einmal viel Zeit zum Nachdenken: Der Artikel sei aufgrund vieler Rückmeldungen vorerst offline heißt es lakonisch auf Facebook, man habe keine Zugriffsberechtigung heißt es auf der Website. Keine Richtigstellung, keine Entschuldigung.

Es ist verständlich, dass man jetzt gründlich recherchiert, sogar wichtig ist das. Doch eins geht nicht: nur das eigene Portal zu putzen. Liebes Domradio, hier wurde ein Schaden angerichtet. „Unsere Meldung, Erzbischof Rodriguez Plaza habe misshandelten Frauen die Schuld an ihrem Zustand gegeben, war falsch. Wir bitten ihn und unsere Leser um Entschuldigung. Eine Übersetzung seiner Predigt, auf die wir uns bezogen, finden Sie hier.“ Seid Ihr unsicher, dann schreibt eben „…war offenbar falsch. Für diesen Fall bitten wir…“. Aber schreibt!

Ohne eine solche Meldung an prominenter Stelle entsteht der Eindruck, oder besser: so wird klar, dass es mehr um die Firma geht als um die Inhalte. Dass man mit dem Werfen von Dreck schneller ist, als mit dem angesagten Aufräumen. Dass andere Schaden nehmen dürfen, nur man selbst nicht. Für ein katholisches und sogar kirchliches Unternehmen geht das gar nicht. Willst Du das sein, was Du zu sein vorgibst, Domradio, dann handele.


1. Ergänzung:

Inzwischen hat sich etwas getan (LINK). Nun, das ist sicher löblich, aber es ist feige.

Nein, das ist keine „mediale Fehlinterpretation“, sondern eine Falschaussage. Nein, es waren nicht „Einige Medien“, sondern KNA und Domradio selbst.
Der Bischof von Toledo weist keine Vorwürfe zurück – das täte jeder, gleich ob er recht hat oder nicht – sondern es ist klar, dass die Zitate falsch waren.
Wenn man erst jemanden unglaubwürdig macht und dann als Dementi in indirekter Rede, also im Konjunktiv, wiedergibt, wie er sich verteidigt, ist das unzureichend. Klare Zitate gibt es nur „laut dem vom Erzbistum verbreiteten Predigttext“. Verbreiten können die hinterher viel, denkt der Leser.
Um im Bild vom Kaffee oben zu bleiben: hier wird nicht "Entschuldigung" gesagt, sondern den anderen in der Runde wird mitgeteilt: "Mein Sitznachbar sagt, es sei eine gute Hose gewesen."
Komisches Verhalten!

Es geht hier nicht um das Aufklären eines Missverständnisses irgendwelcher Medien, sondern um Anstand, Entschuldigung und die Rücknahme einer eigenen Falschmeldung.
Nun, man kann nicht alles haben. Möglicherweise ist das so ja schon eine stramme Leistung.


2. Ergänzung:

Auf Facebook hat sich Domradio für die Falschmeldung entschuldigt. Man habe das auf der Website richtig gestellt. Der Link dorthin verweist allerdings nach wie vor auf die "mediale Fehlinterpretation".
Nun ja. Warten wir, ob da noch was kommt.

Dienstag, Januar 12, 2016

Wie man es auch sehen kann

Im arabischen Sprachraum spielt sich ein Kulturkampf ab. Nachdem einige Regime stürzten, zeigte sich, dass das entstehende Machtvakuum nicht einfach durch demokratische Legitimation gefüllt werden konnte: Extremisten witterten Oberwasser, rekrutierten redegewandt Anhänger unter denen, die seit Jahren litten, und drängten mit Gewalt ins politische Geschehen. Sie waren seit Jahren vernetzt; schnell entstanden große Organisationen entstanden, die sich gegenseitig bekämpften und bekämpfen. Die Waffenlager der ehemaligen Diktatoren boten dazu eine hervorragende und reichhaltige Ausrüstung, eine korrupte und gewissenlose Rüstungsindustrie der industrialisierten Staaten sorgt bis heute für Nachschub. Doch in ihrem verbissenen Kampf um die lokale Vorherrschaft (wobei mit lokal hier Gebiete von der Größe Europas gemeint sind) haben all diese Gruppen einen gemeinsamen Feind: den Westen. Verständlich, verbindet der Westen doch gleich drei Aspekte auf einmal, die für die Kämpfer einer widerlicher als der andere sind: er ist ungläubig, er tritt weltweit selbsternannt als moralische, den Islam kritisierende Instanz auf und er hat eine dekadente, sich selbst vernichtende Kultur, die jeder klar sehen kann, außer ihm selbst. Klar, dass der Kampf letztlich gegen diesen Feind geführt werden muss.

Ein Feind aber will sorgsam gepflegt sein, damit wirklich alle gegen ihn sind. Nicht einfach in Zeiten des Internets, in denen Informationen mehr oder weniger frei verfügbar sind. Die beste Strategie ist da doch, dafür zu sorgen, dass der Westen von sich aus zum Feind wird. Wird er bei dieser Gelegenheit zugleich destabilisiert, ist er hinterher umso leichter zu bekämpfen.
So werden erst einmal Terroranschläge verübt. Die müssen den Westen an seiner schwächsten Stelle treffen: an der Freiheit, denn darüber wird sich die Bevölkerung entzweien. So geschieht es. Doch es klappt nicht – der Westen rückt zusammen.
Daraufhin wird offen angekündigt: wir werden euch tausende Flüchtlinge schicken. Unter ihnen werden Terroristen sein. Die Taktik ist dieselbe, die ein Terrorstützpunkt in einem Kindergarten darstellt: menschliche Schutzschilde. Der Westen wird die Flüchtlinge abweisen müssen. Gibt es eine bessere Propaganda, als so zu zeigen, wie gottlos er ist? Zumal man ihm am Status Quo problemlos eine erhebliche Mitschuld nachweisen kann. Erst zerstören, dann im Stich lassen – das wäre das Bild des Westens, das man braucht.
Doch wieder klappt es nicht: ein paar Länder machen doch tatsächlich ihre Grenzen auf. Nicht weil sie die Gefahr ignorieren, sondern weil sie die Bedürftigen sehen. Sie gehen das Risiko ein. Und sie gewinnen unter denen, die eigentlich kämpfen sollen, dafür teils große Sympathie. Damit hatten die Planer nicht gerechnet. Anfangs schonen sie diese Länder; Terror wird nur dort verübt, wo man sich militärisch engagiert. Zu groß ist die Gefahr, die eigenen Anhänger zu verwirren. Doch es zeigt sich, dass die Aufnahme von Flüchtlingen eine viel mächtigere Waffe ist als jede Bombe: sie tötet nicht, sondern schwächt, weil sie das Feindbild nachhaltig stört. Die Planer sind gezwungen, einen Schritt zu gehen, den sie eigentlich vermeiden wollten: sie setzen die eigenen Leute im großen Stil ins Unrecht. Sie sorgen dafür, dass es zu Ausschreitungen kommt, wie der Westen sie verabscheut: sexuelle Angriffe. Dabei wissen die Täter gar nicht, dass sie hier einem perfiden Plan gehorchen. Es wurde nur Stimmung unter ihnen gemacht, mit dem Handy problemlos möglich. Die Stimmung entlud sich planmäßig Silvester – die Täter waren die Ausführenden, instrumentalisiert vom großen Kampf. Was sie nicht weniger zu Tätern macht, dafür aber zeigt, wie perfide in diesem Kampf gehandelt wird. Doch was anderes ist zu erwarten, schaut man sich die Bilder von Folterungen und Enthauptungen an. Das Schlimmste ist zu erwarten.
Das System funktioniert erst einmal: in Deutschland bricht eine Welle der Ausländerfeindlichkeit auf. Nach ein paar Tagen beginnt das Land jedoch, sich wie üblich weniger mit dem Problem zu beschäftigen, als mit der Suche nach Schuldigen in den eigenen Reihen. Nachschlag muss her: in der Türkei werden deutsche Touristen erschossen. Irgendwie muss die Toleranz dieses Landes gebrochen werden, denn sie ist gefährlich! Da stehen wir heute.

Ich weiß nicht, ob das so stimmt, habe nur einmal versucht, diese Logik zu durchdenken. Es ist ein Gedankengang unter vielen, der nach seine Darstellung möglicherweise schnell weder in der Versenkung verschwindet. Doch wäre ich mitverantwortlich für die deutsche Sicherheit, ich würde über drei Dinge verstärkt in das Ringen um Entscheidungen einbringen:

  • Sind wir vielleicht gerade wegen unserer Offenheit stark und werden gerade instrumentalisiert, damit wir sie verlieren?
  • Was kommt als nächstes für ein „Nachschlag“, um diese Instrumentalisierung am Laufen zu halten, und wie kann ich ihn verhindern?
  • Woher bekomme ich die Mittel, um die Prüfung und notfalls die Überwachung der Flüchtlinge – nein, nicht aufzustocken, sondern zu verzwanzigfachen, um Sicherheit zu gewährleisten, ohne unsere mächtigste Waffe aufzugeben, die uns selbst stärkt, den Gegner aber schwächt: unsere Offenheit!

Montag, Januar 11, 2016

Deutschland schwelgt!

Deutschland schwelgt. Endlich darf frei gesprochen werden. Jetzt kommen – es wird höchste Zeit – die an den Pranger, die freie Rede nicht wollten und jahrelang die Meinung vorgaben, logen und vertuschten. Jetzt wird klar, wo die Probleme wirklich liegen. Deutschland spaltet sich und schwelgt dabei in Feindbildern und Emotionen.

Es ist gleich, ob es nun die gefährlichen Ausländer an sich oder nur bestimmte Muslims sind, ob es ewiggestrige Christen sind oder Feministen. Es ist egal, ob die Gesellschaft sich outet und zu ihrer Wut bekennt oder ob sie kollektiv ihren Ödipuskomplex auslebt und die vormals geliebte Mutti erledigt. Die Hauptsache scheint zu sein, endlich, endlich mal so richtig auf den Putz zu hauen. Und über die Wichtigkeit des Themas zu vergessen, zwischen Meinung und Person zu unterscheiden: plötzlich sind Andersdenkende persönliche Gegner. Nicht Haltungen werden bekämpft, sondern Menschen. Die Feindbilder haben Gestalt bekommen, die Aggression steigt. Herrlich! Deutschland schwelgt und jeder ist im Recht.
Nie haben mir unsere Politiker so gut gefallen, wie sie es jetzt tun. Worthülsen? Vielleicht. Aber bisher ziehen sie meistens an einem Strang. Ihre (sicher meist hilflosen und oft nervigen) Versuche gehen in die einzig richtige Richtung: Deeskalation. Im Gegensatz zu vielen, die sagen, sie könnten niemanden mehr wählen, könnte ich im Moment fast jeden wählen: die Fähigkeit der Politiker, sich auf die Sache zu beschränken und um ihrer willen auch gute Vorlagen auszulassen, übersteigt meine Erwartungen um Längen!

Einen Standpunkt finden ist schwer.  Natürlich habe auch ich eine Meinung. Es ist wichtig, eine zu haben, wenn es derart ans Eingemachte geht. Ich finde zum Beispiel die Äußerungen Augsteins auf Twitter zutiefst widerlich. Auch von anderen Personen wünschte ich, ihre Gedanken erschienen derzeit nicht auf der Bildfläche.
Doch insgesamt bin ich mir unsicher. Ich weiß nicht, wie man Flüchtlinge von Terroristen unterscheiden soll, Friedfertige von Krawallmachern, Bedürftige von Schmarotzern. Ich weiß nicht, wie man schwerst traumatisierte Menschen integriert, die seit Jahren im Krieg lebten, von brutalen Milizen unterdrückt, und die sich hier fremd und ohne Halt fühlen. Ich weiß nicht, wie man verhindern soll, dass 1.000.000 Fremde Parallelgesellschaften bilden oder wie man Jungs, die sich chauvinistisch als überlegen betrachten und nichts anderes je kennen gelernt haben, beibringen soll, dass sie es nicht sind. Ich weiß aber auch nicht, wie man die Grenzen dicht machen könnte, um unsere „christlichen Wurzeln“ zu verteidigen, oder wie man noch ohne schlechtes Gewissen in der Leichengrube Mittelmeer baden soll. Oder wie es besser sein soll, wenn nicht wir unsere Grenzen dicht machen, sondern jemand anders weiter im Süden das für uns tut. Jemand, der im Umgang mit den Kurden brutal ist und nun Geld von uns dafür bekommt, andere Fremde abzuwehren, damit wir es nicht tun müssen.

Ja, die Probleme machen mir Sorgen. Schaffen wir das? Wir müssen, denn die Situation ist, wie sie ist. Wir werden nicht gefragt. An dieser Stelle kommen inzwischen reflexartig zwei Gedanken hoch: Ja, ich wurde nicht gefragt, und: hätte man mich gefragt, ich hätte es schon lange besser gewusst. Schuld sind die anderen. Die eigene Rechtfertigung beginnt, die eigentlichen Probleme aus dem Bewusstsein zu verdrängen. Daher ist im Moment meine größte Sorge eine Gesellschaft, die Probleme nicht angeht, sondern sich auf Schuldzuweisungen beschränkt. Die sich auf allen Seiten immer tiefer in ihre Abneigungen verrennt. Und so hauen Rechte auf die Ausländer, Linke auf die Rechten, konservative auf die Linken und Intellektuelle auf die Emotionalen, die ihrerseits auf alles Mögliche hauen, das sich dann natürlich wehrt. Deutschland wird langsam aber sicher gewaltbereit, und jeder glaubt, er wehrt sich nur. Große Teile der Gesellschaft vergessen völlig die Probleme, so high sind sie von ihrer Meinung. Deutschland schwelgt in Emotionen und wird sich, so beginne ich zu fürchten, kräftig den Magen daran verderben.

Samstag, Januar 09, 2016

Noch Fragen, Focus? Noch Fragen, Gesellschaft?

Am Freitag demonstrierte eine Frau vor dem Bahnhof, völlig nackt - auch so sei sie kein Freiwild!
Inhaltlich stimme ich ihr da völlig zu. Die Form kann ich zumindest verstehen: nach so einem Vorfall wie in der Silvesternacht schreit es sicher in vielen, durch eine deutliche Provokation ein Zeichen zu setzen. Doch auch, wenn ich sie verstehe, halte ich nichts von der Form: die Kollateralschäden sind zu hoch. Besser gesagt, sie bestimmen sogar die Wahrnehmung und überdecken den Zweck. Nein, nicht wegen lüsterner Migranten, sondern wegen einer durchsexualisierten Gesellschaft, die gar nicht mehr merkt, wie sie tickt.

Beweis gefällig?
Auf der Seite von FOCUS online befanden sich heute gleich untereinander zwei Berichte von gleicher Aufmachung und gleicher Wertigkeit: Die demonstrierende Künstlerin und – sensationell! - eine Art versehentlicher Busenblitzer in Übersee. Sogar die Fotos sind ähnlich: unbekleidete Frau, von hinten. Man ist schließlich diskret.



Für Focus zählt offenbar nur eines: die nackte Frau. Und die damit verbundenen Klickzahlen natürlich. Ob Auflehnen gegen üble Demütigungen bei uns im Land oder ein dummes Versehen am anderen Ende der Welt – egal. Hauptsache Fleisch. Und Berichte, die an Sex denken lassen.
So präsentieren große Teile der Presse unsere Kultur. Einen Zusammenstoß mit dem anderen Extrem haben wir gerade erlebt, oder besser: mussten einige Frauen erleben. Das Erlebte ist übel, darum verzichte ich aus Respekt auf bedauernde Worte, die ohnehin nicht treffen.
Mit Aktionen wie diesen macht Focus die Opfer von Köln erneut zu Opfern – von Spannern. Was hier betrieben wurde, ist öffentlicher Missbrauch. Nicht an einer bestimmten Person, sondern an den Frauen schlechthin. Und in gewisser Weise vieler Männer dazu, die angesichts einer großen Reizflut mehr damit beschäftigt sind, ihre Sexualität zum Schweigen zu bringen, als sich an ihr zu freuen.
Die Künstlerin muss sich leider klar machen, dass sie dafür Futter lieferte. Doch der Vorwurf geht an den Focus.

(Edit: um 11:47 hatte der Focus übrigens seine Prioritäten gesetzt: der Bericht über den Protest war weg. Der Busenblitzer war noch drin. Da ich keinen Screenshot von etwas machen kann, was nicht da ist, muss meine Behauptung den Beweis schuldig bleiben.)

Es tut mir übrigens leid, dass ich dieses Foto hier poste. Doch nachweisen musste ich das schon. Ich hoffe nur, dass ich damit nicht denselben Fehler mache, wie die Künstlerin.

Freitag, Januar 08, 2016

Jetzt mal konkret!

Es ist entlarvend für die Politik, hört man genauer auf ihre Worte:     …!
Eben: nichts. Hülsen ohne Inhalt, Kraftmeierei. Wie geht man mit der Krise um? Man redet von Taten, die folgen müssen, und kündigt an, Personen abzuschieben, die man nicht kennt. Warum denke ich, mit Verlaub, derzeit beim Anblick von Politikern an leere Hülsenfrüchte und beim Hören ihrer Worte an die passenden Geräusche? Zufall?

Im Fernsehen treffen sich Runden, die über notwendige Konsequenzen reden. Integration muss verbessert werden, Geld wird gebraucht, Zeit ist nötig. Wohnungen müssen her, Schulen und Berufsausbildungen. Alles schön, alles richtig und alles im Moment eher uninteressant, denn die aktuelle Frage ist doch die: wie kann man aus der Menge der Flüchtlinge und Migranten die aussortieren, die hier nicht hin gehören, und wie wird man sie kurzfristig wieder los?
Das klingt hart, aber ohne genau diese Frage zu beantworten, dürfte jede Form einer menschlichen Flüchtlingspolitik künftig scheitern. Die Bevölkerung wird es nicht hinnehmen, wenn die Taten darin bestehen, Angst und Empörung klein zu reden und mangels Personal die Verfolgung der Straftäter aufzugeben, weil das Geld, das die Polizei bräuchte, in Wohnungen für Migranten gesteckt wird. Eine konkrete Reaktion muss her, sonst ist jede humane Flüchtlingspolitik am Ende und mit ihr Deutschlands Menschlichkeit.

Was ich daher nicht begreife – nein, das verstehe ich wirklich nicht: wir haben 113 StGB: Widerstand gegen die Staatsgewalt. Wer einen Vollstreckungsbeamten (u.a. Polizist) behindert, der im Rahmen seines Dienstes z.B. Personalien feststellen will, weil er die Ordnung wieder herstellen muss, der begeht eine Straftat. (LINK). Greift er dabei den Polizisten an, so kann er mit mehreren Jahren Haft bestraft werden. In Köln hat man einige Identitäten festgestellt. Wo bleiben die Konsequenzen?
Selbstverständlich müssen die Haupttäter noch ermittelt werden, doch wer hier einwandert und sich dann mit der Polizei Schlägereien liefert oder sie behindert, darf meiner Meinung nach nicht bleiben. Stets wird davon geredet, geltendes Recht konsequent anzuwenden – wie wäre es also damit? Der Vorteil: klare Beweislage. Die Zeugen sind die festnehmenden Polizisten. Der große weitere Vorteil: wer sich nichts zuschulden kommen lässt, hat auch nichts zu befürchten.
Es will mir nicht in den Kopf, warum da nicht sofort eingeschritten wird. Mit einer angedrohten Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren (evtl. sogar 5) sind die Voraussetzungen für eine sofortige Abschiebung erfüllt.
Ich bin kein Jurist, daher habe ich da sicher einiges übersehen. Doch dann sollte mir wirklich jemand plausibel erklären, warum nach unserem Recht eine Person hier bleiben darf, die sich gewaltsam unserer Polizei widersetzt. Und dieses Warum wäre sofort zu ändern – eine Reaktion dieser Art wünsche ich mir von der Politik.

Es hat sich offenbar herumgesprochen, dass es bei uns möglich ist, rechtsfreie Räume zu schaffen. Genauso wird es sich herumsprechen, dass die nun endgültig weg sind. Jede Abschiebung verhindert so neue Straftaten. Nur schnell muss es gehen.
Es muss doch möglich sein, klar zu machen: Kommt ein möglicherweise bedürftiger Mensch zu uns, darf er erst einmal hinein. Das ist gut so und letztlich nicht verhandelbar, anderenfalls verspotten wir die Werte, auf deren Basis unser Grundgesetz steht. Doch wer unsere Hilfe annimmt, muss sie annehmen, wie wir sie bieten und nicht anders. Der Mensch bekommt Unterkunft, Verpflegung, wird registriert und bekommt in irgendeiner Form vorläufiger Papiere. Damit darf er sich hier aufhalten. Dieses Dürfen ist, so denke ich, zugleich Pflicht: er muss sich am zugewiesenen Ort aufhalten, diese Papiere mit sich führen und sich auf Aufforderung Kontrollen unterziehen. Tut er dies nicht, schwinden seine Chancen auf eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung. Leistet er aktiv Widerstand, war’s das.

Eigentlich finde ich es peinlich und beschämend, gleichsam als Wutbürger zu beginnen, sich Rechtsvorschriften vorzunehmen und der Justiz Vorschläge zu machen. Doch ja, inzwischen erscheint mir das sinnvoll, angesichts der grassierenden politischen Hilflosigkeit, in der der Radikalismus täglich erstarkt. Zudem: Eine Gesetzgebung ist mir unvorstellbar, die es Flüchtlingen erlaubt, die Unruhen, vor denen sie fliehen, gleich mitzubringen.

Ach ja, eines noch: angesichts der beschämenden Personalstärke unserer Polizei (darf man hier überhaupt noch von Stärke sprechen?) gilt das selbstverständlich auch für Deutsche und andere, die dauerhaft hier leben, nur dass die nicht rausfliegen, sondern reinkommen. In den Knast.

Ich kann's nicht mehr hören!

Ich kann "Generalverdacht" nicht mehr hören!
Wenn in einem roten Opel Fahrerflucht begangen wurde und die Polizei daraufhin nach einem roten Opel sucht, äußert sie keinen unangemessenen Generalverdacht gegen alle Opelfahrer, sondern sie geht einem Hinweis nach!

Donnerstag, Januar 07, 2016

Worüber reden wir eigentlich?

Es wird immer schwerer, einen klaren Gedanken zu fassen.
Vergewaltigung und Raub sind Verbrechen. Das ist klar, aber banal. Soweit war ich, ehrlich gesagt, vor Köln auch schon. Doch kaum denkt man nach, wie man damit umgehen soll, bekommt man Gegenwind. Daher verlasse ich einmal das Thema selbst und suche nach einem Beispiel.
(Vorab: nein, ich vergleiche hier nicht Flüchtlinge mit bissigen Hunden, sondern, wenn überhaupt, Räuber, Schänder und Vergewaltiger und habe ein schlechtes Gewissen höchstens den Hunden gegenüber. Ein Hundebiss und eine Vergewaltigung sind nicht vergleichbar! Ich weiß, dass das Beispiel hinkt, und wie, doch ein besseres fällt mir nicht ein. Und irgendwie muss ich meine Gedanken mal ordnen.)

Das Beispiel: eines meiner Kinder wird auf dem Spielplatz von einem Hund aus der Nachbarschaft gebissen. Die erste Frage ist: wie vermeide ich Wiederholungen? Noch bevor ich mich auf die Suche nach Köter und Herrchen begebe, warne ich meine Kinder: „Haltet Abstand von Hunden – hier beißt offenbar mindestens einer. Bis wir den haben, seid vorsichtig!“ Ich würde ehrlich gesagt am Verstand meiner Kinder zweifeln, bekäme ich zur Antwort: „Willst du etwa UNS die Schuld daran geben, wenn wir gebissen werden? Wir dürfen rumlaufen, wo wir wollen!“ Natürlich dürfen sie, aber was, bitte, hat das mit Vorsicht zu tun?
Dann mache ich mich auf die Suche nach dem Vieh. Wo suche ich? Sinnvollerweise bei den Hundehaltern? „Keinesfalls!“ meint mein Nachbar. Das würde die ja schließlich alle unter Generalverdacht stellen. Und es gibt doch so viele gute Hunde und vorbildliche Herrchen! Ich wolle wohl militante Hundegegner stärken? „Oh doch!“ findet hingegen die alte Dame von gegenüber. „Hunde waren mir schon immer verdächtig. Hundehaltung gehört verboten!“
Jetzt reden sie alle durcheinander. „Ich will auf den Spielplatz!“ „Hunde raus!“ „Keine Vorverurteilung guter Herrchen!“

Auf der Polizeiwache erfahre ich nach langem Zögern, dass das Problem bissiger Hunde hier bekannt ist, dass aber die Beamten fehlen, um dem effektiv nachzugehen. Ständig werde das Personal gekürzt. Es sei ziemlich aussichtslos, das Tier zu ermitteln. Andere Eltern melden sich – auch ihre Kinder wurden schon gebissen. Angst macht sich unter Eltern und Kindern breit: die Gefahr ist da, und kann offenbar so einfach nicht beendet werden.
Die Sache beginnt, Kreise zu ziehen. Der Minister weist nach, dass es genug Polizisten gebe. Promis melden sich zu Wort und warnen vor einer „irrationalen Stimmung“ gegen ganze Bevölkerungsgruppen. Abgesehen von der Frage, was denn eine rationale Stimmung sein soll (vielleicht so etwas wie durchdachter Appetit oder gefühlte Logik?): Wer von einem Hund gebissen wurde, hat danach Angst vor Hunden. Wurden in einer Siedlung viele Leute gebissen, macht sich Angst vor Hunden breit. Das ist irrational, aber Fakt. Doch Fakten fangen längst an, unterzugehen.
Hundehalter bekommen Drohbriefe, meine Kinder werden als Tierfeinde beschimpft, jeder beschuldigt den anderen, ihn zu beschuldigen. Leserbriefe werden geschrieben, Podiumsdiskussionen finden statt. Militante Tierschützer werben unerlaubt mit Fotos meiner Kinder gegen Hundehaltung.
Mir bleibt nur eins: ich nehme meine Kinder tröstend in die Arme. Denn sie sind die Leidtragenden.

Manchmal frage ich mich: worüber reden wir hier eigentlich? Aufforderungen zur Vorsicht werden als Schuldzuweisung verstanden. Sinnvolle Suche wird zum Generalverdacht erklärt. Berechtigter Angst wird die Rationalität abgesprochen, die Rationalität hingegen wird ob ihrer Gefühlslosigkeit aufs Schärfste kritisiert. Sind wir noch krisenfähig?

(Und noch einmal: ich bitte jeden um Verzeihung, der sich durch das Beispiel in irgendeiner Weise verletzt fühlen könnte! Es soll KEIN Vergleich sein, sondern eine Parallelkonstruktion, die mir hilft, das Chaos, das ich sehe, zu beschreiben.)

Mittwoch, Januar 06, 2016

Kollektiv in den falschen Hals

Wir sind es gewohnt, draufzuhauen. Sensibilisiert, wie wir sind, erkennen wir rasch das Ziel und – patsch! „Aufschrei“ nennt man das oder „im Keim ersticken“. Da auch unsere Gegner regelmäßig aufschreien und dabei durchaus Treffer landen, ziehen wir die Schilde noch höher. Noch schneller müssen wir werden, noch vorausschauender und noch treffsicherer. Die Folge: ein rasantes gegenseitiges Draufhauen in den sozialen Netzen, das kein Mensch mehr überschauen kann und von dem nur noch die Teilnehmenden denken, es habe irgendeine Bedeutung. Gut, die Teilnehmenden und die Politiker, denn die orientieren sich bekanntlich an Volkes Stimmung. Und die ist, was die Kölner Vorfälle angeht, schlecht. Aus teilweise völlig unterschiedlichen Gründen, aber schlecht ist sie auf jeden Fall. Gerne würde sich die Politik so manchen Aufschrei zu Eigen machen; nirgends kann man sich besser an die Spitze der Emotionen setzen, als in der Krise. Geht das daneben, riskiert man allerdings, selbst getroffen zu werden. Frau Reker hat das Ziel offenbar um Armeslänge verfehlt und wird nun selbst nun selbst zum Ziel – patsch!

Natürlich mache ich mich selbst zur Zielscheibe, wenn ich hier sage: Frau Reker hat Recht mit Ihrer Idee. Der Grund für die hoch gehenden Emotionen zum vorgeschlagenen Sicherheitsabstand, so scheint mir, ist die erwähnte Schlagbereitschaft. Da war ein falsches Wort, ein missverständliches – hauen wir drauf. Doch warum?
Da heißt es: man darf die Schuld nicht den Frauen zuschieben. Nur dass es hier noch gar nicht um Schuld geht, sondern um Gefahrenvermeidung. Und in diesem Zusammenhang werden viele Frauen künftig genau darauf achten. Aus einer einfachen Erkenntnis heraus: Natürlich haben nicht sie den Fehler gemacht haben, sondern die Täter, doch solange die sind, wie sie sind, und das auch noch in Freiheit, ist es sicher besser, aufzupassen. Mir ist jedenfalls keine Frau bekannt, die sich in den nächsten Tagen leicht bekleidet in ein muslimisches Männergewühl stürzen will, mit dem Hinweis auf den Lippen: „Nicht ich liege falsch, sondern Ihr!“. Zwischen einer Vorsichtsmaßnahme und einem Schuldeingeständnis liegen Welten. Es ist schlicht unsinnig, wenn Selbstverständlichkeiten nicht ausgesprochen werden dürfen, weil man sie uminterpretieren könnte.
Auch wird kritisiert, der Vorschlag sei schlicht unsinnig. Er sei unpraktikabel und wirke nur bei Männern, die ohnehin nichts wollen. Nicht unlogisch - schließlich ist für die anderen ein Frauenarm nichts, was sie abhält, eher im Gegenteil. Zudem fehlt in der Einkaufsschlange, der U-Bahn oder auf einer vollen Straße einfach der Platz dazu, irgendeinen Sicherheitsradius zu definieren und zu verteidigen. Das stimmt alles. Selbstverständlich ist der Vorschlag keine eierlegende Wollmilchsau. Die Idee verhindert ebenso wenig Übergriffe wie ein Rauchmelder Brände. Doch beide schaffen das, was am besten weiter hilft: Gefahrenbewusstsein. Und das muss eine Frau derzeit leider haben, da gibt es nichts zu deuteln. Bis diese Gefahr weitestgehend ausgeräumt ist, muss frau leider auf genau das achten, was Frau Reker anregt: zur Sicherheit einen gewissen Abstand, und, wo der nicht möglich ist, erhöhte Wachsamkeit.

Es ist ein schmerzliches Thema! Gerade deshalb ist es für politische Diskussionen ungeeignet. Die Feinfühligkeit, die hier gebraucht wird, scheint mir doch sehr in eine gewisse Hysterie umzuschlagen: wir Sensiblen bekommen offenbar alles, was sperrig ist, sofort kollektiv in den falschen Hals und husten uns dann öffentlich und publikumswirksam aus. Dass wir uns zugleich Politiker wünschen, die den Mut haben, nicht ständig nur Aalglattes von sich zu geben versteht sich. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht nur einer einzigen Sache erlauben, sperrig zu sein: dem eigenen Brett vor dem Kopf.