[Von Bastian]
„Auge um Auge, Zahn um Zahn…“ 3.Mose 24,19-20 wird in Diskussionen immer wieder als Beweis für die Brutalität des Alten Testaments herangezogen. Zu Unrecht, wie ich meine.
Klar kann man sich hinstellen und aus heutiger Sich vertreten, es wäre menschlicher, hieße es „Hilfe um Auge, Therapie um Zahn…“
Doch was war der Spruch vor Tausenden von Jahren? Ich denke, er war eine Revolution: der Rache waren Grenzen gesetzt, die Rechtsprechung war der Willkür entzogen, die Höhe der Strafe stand fest. Und jeder konnte es nachvollziehen. Plötzlich hatte der Beschuldigte in seiner Schuld Rechte. Der Ankläger war gezwungen, mit dem Angeklagten auf einer Stufe zu stehen. Ihm wie dem Angeklagten widerfuhr Gerechtigkeit.
Eine Sichtweise, die völlig neu gewesen sein dürfte. Und die ausbaufähig war: im Laufe der Zeit wurde Israel so bereitet, dass einige aus dem Volk dem folgen konnten, der diese Sichtweise auf die Spitze trieb: wenn mein Gegner vor Gott dieselben Rechte hat wie ich, hat er dieselbe Würde wie ich. Er ist mein Nächster und ich muss ihn lieben. Wenn ich Sünder bin, brauche ich Gnade. Und wenn nach dem Prinzip der Gerechtigkeit mir und meinem Feind dasselbe widerfahren soll, muss ich für ihn um Gnade bitten, denn es ist zugleich Gnade für mich.
Vom vielleicht umstrittensten Punkt des Alten Testaments zur Feindesliebe ist für mich eine Entwicklung erkennbar, die Augen und Zähne in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen