[Von Bastian]
Bei vielen herrscht heute das Idealbild einer modernen Zivilisation, in der alle Kulturen zusammenleben und es völlig normal ist, dass Türken, Araber, Asiaten, Deutsche, andere Europäer, Amerikaner, Schwarzafrikaner und viele andere eng zusammenleben sich gegenseitig bereichern.
Dieses Ideal beruht auf einem Irrtum.
Nicht, dass es daran etwas auszusetzen gäbe, wenn unterschiedliche Menschen zusammenleben. Im Gegenteil: so entsteht Verständnis, Kenntnis und neues Kulturgut. So entsteht Lebensqualität. Der Irrtum besteht darin, diesen Zustand als gesellschaftliches Modell für alle zu sehen, denn das geht nicht. Damit dieses Zusammenleben bereichernd und bunt ist, müssen die Kulturen eben unterschiedlich sein – anderenfalls herrschte überhaupt keine Vielfalt. Dazu aber müssen sie für sich sein und sich entwickeln können. Es gäbe keine chinesische Kultur, wenn es nicht China gäbe. Es gäbe keine französische Küche, wenn sie sich nicht in Frankreich entwickeln könnte. In Manhattan würde sie sich wohl kaum so herausbilden. Und ohne die italienische Landbevölkerung gäbe es heute nicht einmal Nudeln oder Pizza.
Der „moderne Mensch“ aber wünscht sich die italienische Pizza in der türkischen Dönerbude direkt neben dem Chinesen, bei dem man ein günstiges Mittagessen bekommt, um danach gleich um die Ecke zum Nachtisch einen Cappuccino zu trinken, wahlweise auch einen guten englischen Tee aus Ceylon. Der Schwerpunkt liegt auf Multi – auf die Grundlage für Kulti wird wenig Rücksicht genommen. Im Gegenteil: das ist rückständig, vor allem im eigenen Land. Deutsches Essen? Deutsche Kultur? Wie spießig. (Außer auf Mallorca – da ist das ein Qualitätsmerkmal.)
Die gängige Vorstellung von Multikulti ist ein Agglomerat von Länderklischees, deren vermeintlich kleinbürgerliche Herkunft gleichzeitig abgelehnt wird. Ein Agglomerat, das vorgibt, auf der Basis von Toleranz die Einheit in Vielfalt zu fördern, doch in Wirklichkeit auf der Basis von Arroganz die Einheit im Brei sucht.
Multikulti gibt es, wenn es viele gesunde Kulturen gibt. Die Orte, an denen sie nebeneinander auftreten, ohne sich selbst zu verlieren, werden immer die Minderheit sein. Genau deshalb sind sie auch so interessant. Doch um das wirklich genießen zu können, muss man eines mitbringen: eine eigene Kultur. Wie sonst will ich begreifen, was ich da gerade erlebe? Multikulti als politisch opportuner Ersatz für die eigene Kulturlosigkeit ist eine reine Konsumhaltung, die dem anderen das, was sie von ihm erwartet, selbst schuldig bleibt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen