[von Bastian]
In unserer Stadt gibt es eine Gemeinschaft von evangelikalen Freikirchlern, die seit gut 25 Jahren ein besonderes Apostolat leben. Sie wohnen mit mehreren Ehepaaren (mit Kindern) und einigen Alleinstehenden zusammen in einem Mietshaus, in dem sie im Dach eine Wohnung für Gäste eingerichtet haben. Diese Gäste sind Drogenabhängige und Prostituierte, die aussteigen wollen. Die Drogenabhängigen machen dort ihren Entzug. Alle werden so lange beherbergt, bis sie in eine christliche Therapie vermittelt werden können.
Die Mitglieder der Gemeinschaft haben regelmäßig gemeinsame Mahlzeiten und Gebetszeiten. Sie arbeiten am Bahnhof in der Szene und besuchen Bordells. Sie haben nur wenig eigenes Einkommen und leben zum großen Teil von Spenden. Ich habe sie gebeten, ab und zu aus ihrem Rundbrief bloggen zu dürfen. Solange ich keine Namen nenne, darf ich. Hier ein erster Artikel aus einem ihrer Rundbriefe, ungekürzt und wörtlich übernommen.
Was keiner kann
Die Probewoche ist fast um. Morgen müssen wir ihm sagen, ob er bleiben kann oder gehen muss. „Gehen!“ „Das tun wir uns nicht noch länger an. Das halten wir keine drei Monate aus. Und solange würde es bestimmt dauern, bis wir ihn in Therapie bringen können. Es ist so bedrückend, so schwer. Irgendwas Finsteres geht von ihm aus, zieht alle runter. Wir sind dieser Sache nicht gewachsen. Das können wir auch den anderen Gästen nicht zumuten.“
War das jetzt eine klare Entscheidung mit dem Gehen? Wenn, dann mehr, um sich zu vergewissern, dass man nicht muss, dass einen nichts und niemand zwingt ihn zu halten.
Eine Idee noch, ein letzter Versuch, etwas, was eine Entscheidung seinerseits herausfordern könnte. Suche überall nach diesem alten Johannes-Evangelium mit Anmerkungen von Werner Heukelbach, das noch irgendwo sein muss. Finde es schließlich. Gehe heute ein letztesmal hoch zur Gästeetage, drücke ihm das Heftchen in die Hand. „Du hältst morgen früh die Andacht. Lies in diesem Evangelium, egal wo, egal wieviel oder wie wenig, und morgen erzählst Du uns, ob Du irgendwas interessant findest, ob Du was für Dich entdeckt hast, kannst aber auch sagen, was Dich ärgert, kannst Dich aufregen – irgendwas sagst Du jedenfalls."
Sowas habe ich noch nie gemacht.
8.30 Uhr. Er sitzt wirklich da mit diesem Heft. Hatte die ganzen Tage davor keine Miene verzogen, bei jeder Andacht rumgegähnt. „Also, Du bist dran. Erzähl mal, was Dich beschäftigt hat. Hast Du reingeschaut?“ Was dann kam ließ uns allen den Mund offen stehen. Er fing an Johannes, Kap. 1 auszulegen, zitierte auswendig einzelne Verse. Er redete wie einer, der begriffen hat, dem ein Licht aufgegangen ist, einer der erkannt hat, dass er im Dunkel lebt und der gerade umkehrt von seinem falschen Weg. Wir trauten unseren Ohren nicht. Bis Kapitel drei hatte er alles im Kopf, auch die Geschichte mit Nikodemus, dem alten Mann, der es ganz genau wissen wollte und dem Jesus gesagt hatte: Du musst von neuem Geboren werden. Eine heilige Atmosphäre breitete sich aus während er immer noch redete, er, den wir gestern noch unbedingt loshaben wollten. Darüber brauchte man jetzt nicht mehr nachzudenken, nicht mehr zu diskutieren. Jedem war klar, da geschieht gerade ein Wunder vor unseren Augen, etwas, was kein Mensch machen könnte, was von oben kommt, was einfach passiert.
„Sein Gesicht! Schaut Euch sein Gesicht an!“ Es war nicht mehr dasselbe. Er war nicht mehr derselbe, wir irgendwie auch nicht. Kein Jubel, keine großen Worte, nur stille ehrfürchtige Dankbarkeit machte sich breit.
Boah... Komme von Peters Kommentar auf meinem Blog hier herüber, und mich erwischt gerade jene katholische Sprachlosigkeit, von der er spricht...
AntwortenLöschenWann hast Du das letzte mal mit einem Alexianerbruder geredet? Die paar dies es noch gibt, können ähnliches erzählen, aber aus irgendwelchen Gründen nehmen wir deren Arbeit als selbstverständlich hin, oder?
AntwortenLöschenEiner von den CFR, die ich beim Papstbesuch in Berlin getroffen habe, is ein Ex-Junky, der später dem Orden beigetreten ist, der ihn aus der Gosse gezogen hat. Es gibt bei uns sooo gute Leute und wir tun häufig nix, um sie zu unterstützen. Und wenn sie für unseren Geschmack ein bisschen zu weit links spielen, müssen sie sogar aufpassen, dass wir sie nicht auspfeifen.
Das geht mir im Moment ganz zünftig auf die Nerven. Was wir bei den einen irgenwie total schön finden, läuft bei uns Gefahr abgeblockt zu werden. Ich erinnere an die Diskussionen über Laienpredigten oder Dialogepredigten in der Messe. Nochwas!Achziger, Befreiungstheologie, ganz heiße Klamotte, wo Leute einfach aufstanden und sagten wie sie das Sonntagsevangelium verstehen. Alter Falter,würde das hier rappeln, wenns einer nochmal versuchen würde, oder? Wenn bei uns ein Pfarrer jemanden die Bibel in die Hand drücken würde und "Mach was draus, egal was", na, da möchte ich unsere fromme Bogszene mal zu hören und es wäre wohl egal wie wundersam die Auslegung wäre. Ich find, hier wird ganz schön mit zweierlei Maß gemessen.
B., dieser Beitrag ist nicht als Provokation oder Widerspruch gedacht, sondern als Bericht. Ich glaube nicht, dass irgendjemand derartiges in der katholischen Kirche abblocken würde. Warum auch?
AntwortenLöschenLieber B.,
AntwortenLöschenIch finde es nicht richtig, Erfahrungen und Stellungnahmen, die du irgendwo in der Blogoezese machst, als Maßstab an diesen Artikel anzulegen.
Abgesehen davon, daß ein Unterschied zwischen einer Hausandacht und einer Eucharistiefeier besteht.
Daß die Alexianer und viele andere Christen so in das Werk Gottes eintreten, daß es eine Freude ist, stellt hier niemand in Frage. Bastians Beitrag ist im Kontext der Ökumene mit freikirchlichen und evangelikalen Geschwistern zu sehen.
Das ist der Hintergrund, vor dem die Wiedergabe dieses Zeugnisses auf Echo Romeo gesehen wird.
Wir müssen zur Zeit das Legerdenken in der Kirche überwinden, ohne die Klarheit in der theologischen oder vor-theologischen Diskussion zu verlieren.