Der Christ hat mehr als jeder andere die Freude nötig. Die Traurigkeit ist schlimm für alle, für ihn aber ist sie verhängnisvoll. Das war für mich die Veranlassung, diese Seiten zu schreiben.
Wohl verstanden ist die Freude, um die es sich hier handelt, nicht irgendwelche Freude. Es ist nicht die Freude, die man leicht mit Vergnügen verwechselt. Selbst wenn es richtig ist, zu behaupten, daß beim Menschen eine gewisse Freude mit jedem Vergnügen verbunden ist, so ist die Freude, genau gesehen, geistiger Art, das Vergnügen sinnlicher Art: Die Freude entstammt aus einer Wertschätzung der Vernunft, das Vergnügen aus einer Empfindung. Es gibt sogar Freuden, die nicht fühlbar, also nicht von Vergnügen begleitet sind und nur in der Tiefe des Geistes schwingen. Freuden des Denkens und der Betrachtung, der Selbsthingabe und des Opfers. Die Freude, von der hier die Rede sein soll, gehört zu diesen letzten.
Sie ist eine der geistigsten unter den geistigen Freuden, eine tiefe Freude, tiefer als der tiefe Schmerz, und es kommt vor, daß sie nur in der Tiefe lebt. Sie ist fähig, inmitten aller Arten von Prüfungen und selbst Bitterkeiten fortzudauern. Sie ist eine Freude der Ewigkeit, die nach der Ewigkeit verlangt. Sie bezeugt die Größe des Menschen und seine wesensmäßige Freiheit, da sie zeigt, daß er fähig ist, sich über die gegenwärtige Stunde zu erheben, so schwer sie auch sein mag. Die Freude verleiht dem Christen, diesem unvermeidlich geprüften Wesen, Flügel, jene Freude nämlich, wie sie die Apostel verkosteten, wenn sie etwas um des Namens Jesu willen zu leiden hatten (Apg 5, 41). Kurz, es handelt sich um die Freude, die zum Wesen der Menschwerdung gehört, um die Freude, die mit Jesus geboren wurde und die, wie die Liebe, stärker ist als der Tod.
Freitag, Dezember 16, 2005
Freude – stärker als der Tod
Pius-Aimone Reggio in seinem Vorwort zu dem kleinen Buch »Vergiß die Freude nicht«, Herder, Freiburg 1958:
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