An einem Sonntagabend, den sich Millionen im Voraus frei halten, erfährt man live, was unsere Kanzlerkandidaten zu sagen haben. Aha. Es war schon immer aussagekräftig, was Politiker reden. Besonders vor Wahlen. Erfahrungsgemäß hat das mit der Wirklichkeit so wenig zu tun, dass mir dazu kein Vergleich einfällt.
„Herr Doktor, mir bleibt immer öfter die Puste weg!“
„Tja, Sie sind jetzt bald 70. Das ist normal.“
„Aber mein Freund ist schon 74 und erzählt, er joggt noch täglich 10km.“
„Dann erzählen Sie das doch einfach auch!“
So läuft Wahlkampf.
Die einzigen Stellen im Kanzlerduell, die etwas mit der Realität zu tun hatten waren:
Merkel: „Nach der Wahl ist es anders als im Wahlkampf, wo jeder den anderen mit noch etwas mehr Härte übertrumpfen will.“
Schulz: „Vor der letzten Wahl wussten wir genau, dass die Maut nicht kommt.“
Klar: beide sehen den Fehler nur beim anderen. Und auf eigentümliche Weise faszinierend: die scheinen wirklich nicht zu begreifen, dass ihre Wirklichkeitsfremdheit die Menschen nur noch nervt.
So bleibt mir als einziges Resümee des Abends: es ist eine unglaubliche Werbeleistung der Sendeanstalten, dass sie es schaffen, Millionen vor den Bildschirm zu holen, um Politiker reden zu hören. Genauso erstaunlich, dass die Kandidaten mitmachen, denn wer, bitte, wählt freiwillig jemanden, der ihm einen Sonntagabend sinnlos wegquatscht?
Was also könnte denn Grundlage für eine Wahlentscheidung sein? Im Wahlkampf interessiert mich nur, wer am realistischsten auftritt. Ich wähle NICHT den, der mir am überzeugendsten erklärt, dass es das Beste für ALLE ist, wenn ICH am meisten Geld bekomme.
Was also tue ich?
Solange es um Ökologie geht, mag ich die Grünen. Da ich die Umweltproblematik nicht für ein Phantasiegebilde von Verschwörungstheoretikern halte, sondern für ein existenzielles Problem der gesamten Menschheit, gehört sie angemahnt, ständig und nachdrücklich. Die Grünen deshalb bitte in die Opposition. Dort können sie poltern und sind sehr erfolgreich: wie kein anderer geben sie Themen vor. Sehr oft sehr gut. Wenn sie allerdings ihr Menschenbild auspacken, fasse ich sie nicht mit der Zange an.
Fazit: nötig.
Wenn es um klare Worte geht, mag ich die FDP. Auch Blödsinn kann klar formuliert werden und hebt sich dann wohltuend vom Rest der Reden ab. Ab und zu ist auch Sinnvolles dabei. Das Menschenbild kann mir auch hier gestohlen bleiben. Allerdings sind sie die einzigen, die erkennen, dass überflüssige Bürokratie Freiheitsberaubung ist, und begreifen, dass auch sie selbst nicht überall gebraucht werden. Eine wohltuende Abgrenzung zu den Grünen, die meinen, man könne ohne sie und ihre Erkenntnisse kein Frühstücksei kochen.
Fazit: nötig, aber mit Bauchweh.
Wenn es um Konservativismus geht, liebe ich die Linken. Niemand pflegt das Alte wie sie! Fast schon reaktionär halten sie an alten Ideen, Strukturen und Feindbildern fest. Die pressen noch jedes Problem in die alten Formeln. Die Resultate sind so abstrus, dass man selbst nie darauf käme und schon fast ein Aha-Erlebnis hat. Sie haben oft gute Redner. Wenn man sich um Inhalt keine Sorgen machen muss, lässt sich der Rest leicht geschliffen formulieren.
Fazit: hoffentlich bald Geschichte.
Wenn es darum geht, Stimmungen aufzudecken, ist die AfD hilfreich. Sie hat zwei Seiten: Problembewusstsein und Umsetzung. Das Problembewusstsein ist in einigem (bei weitem nicht in allem!) dringend nötig. Sie mischt den Laden gewaltig auf, denn was sonst niemand ausspricht, fasst sie in Worte. Leider in oft sehr üble Worte. Sie kämpft gegen die allgegenwärtige politische Korrektheit (sehr nötig!), doch sie bietet als Alternative zur Pest die Cholera: muffiges Spießertum mit Hang zur intern bejubelten Menschenverachtung. Die anderen Parteien leben recht gut mit ihr, denn sie können sich gegenseitig die Schuld daran zuzuschieben. Was wiederum die AfD am Leben hält. Wahlkampf lebt nun einmal von Übeln, an denen die anderen schuld sind.
Fazit: eine Peinlichkeit für unser System, doch logische Folge des Handelns aller anderen Parteien.
Wenn es um Träume geht, mag ich die SPD. Solange es im Abstrakten bleibt, ist die vorgegebene Richtung oft sehr gut. Sie hat immer wieder Köpfe, die in der Lage sind, Teile der Träume umzusetzen (Ostentspannung) und Notwendigkeiten zu erkennen und anzugehen (Mindestlohn). Ihre politischen Analysen decken mühelos das gesamte Feld zwischen genial und abstrus ab. So zwingt sie den Wähler zum Mitdenken (wäre das Taktik, wäre es richtig gut!). Ihre Überzeugung, nicht erreichbare Zustände einfach vorschreiben zu können, macht sie gefühlt zum Herrn über die Logik und faktisch nur begrenzt regierungsfähig.
Fazit: ohne Sie läuft nichts.
Die CSU ist wie Cidre. Sie hat den Konservativismus als Chance erkannt: lässt man denselben Saft lange genug stehen, gärt er und wird plötzlich spritzig. So wirkt die Partei, die am altbackensten ist, häufig am lustigsten. Das tut sie gekonnt und hat damit etlichen Erfolg. Sie hat einen deutlichen Hang zu Stammtischen: das ist nun einmal der Ort, an dem Dinge wie Apfelwein konsumiert werden, da gehört sie hin. Dass sie häufiger einen Kater hat, zurückrudert und sich für das gestern Abend gesagte schämt, bleibt nicht aus.
Fazit: eine Bereicherung.
Der CDU hat man nachgesagt, sie sei die erste Wahl, wenn einem alles gleich sei. Ein Computerprogramm sei zu diesem Schluss gekommen. Und alle fanden das treffend - Fake-News mit hohem Wirklichkeitsgehalt. Die CDU polarisiert, allerdings nur innerhalb des eigenen Klientels. Während die einen meinen, sie sei endlich modern, stecken die anderen sie nostalgisch ins frühere Outfit. Sie ist die einzige Partei, die es geschafft hat, viele der eigenen Wähler zu überzeugen, sie sei an der AfD schuld, und trotzdem gewählt zu werden. Das Menschenbild kann ich nicht einmal mit der Zange anfassen, weil ich keines finde. Ihre Stärke ist ihre Trägheit: in unruhigen Wassern sucht man sich das dickste Schiff. Der Postillon schrieb: Merkel so beliebt wegen ihrer hohen Beliebtheitswerte. Da ist was dran. Ihr Regierungsfazit ist schwer zu beurteilen, denn wie will man Erreichtes mit dem vergleichen, was hätte sein können? Sie hätte, sie müsste, sie sollte - da ist jeder Schluss legitim und falsch zugleich. Sinnlose Diskussionen. Vieles würde ich mir anders wünschen, doch die anderen Parteien hätten es meistens noch schlimmer gemacht, wie sie zumindest stolz verkünden. Wir könnten wahrscheinlich besser fahren, aber definitiv auch schlechter.
Fazit: die Frage ob nötig oder nicht stellt sich nicht. Derzeit einfach nicht wegzudenken.
Und jetzt habe ich die Wahl.
Dienstag, September 05, 2017
Freitag, September 01, 2017
Erinnerungen an ein Seminar
Es gibt letztlich nur einen einzigen Grund, an Christus zu glauben: man ist überzeugt, dass es wahr ist.
Die Zustimmung dazu bleibt meist aus, was beunruhigend ist. Nein!, heißt es erleuchtet. Glaube ist viel mehr, als ein Für-wahr-Halten. Glaube ist Beziehung! Glaube ist Befreiung! Glaube ist innere Heilung! Daran ist nichts falsch, außer dem Nein vorne dran; das allerdings ist sehr falsch. Daran ist nichts bedenklich, außer der Tatsache, dass es als Widerspruch angesehen wird – das allerdings ist höchst bedenklich!
Vor einigen Monaten wurde im Rahmen eines christlich-philosophischen Seminars die Frage aufgeworfen, warum man denn glaube. In den Antworten, die daraufhin gegeben wurden, schwang etwas mit, das schwer zu greifen war: eine subtile Ich-Bezogenheit in den Aussagen, als sei man selbst der Grund dafür, dass es richtig sei, zu glauben. Als sei es eine Frage der persönlichen Wahl, was wahr ist. Die Qualität einer Beziehung wurde daran festgemacht, dass sie MIR etwas brachte; auf eine kaum zu fassende Weise wurde von Gott gesprochen, ohne dass er anwesend war.
Ich machte daraufhin mit ungefähr folgender Wortmeldung einen provokanten Versuch: Es sei mir erst einmal gleich, was der Glaube mir bringe. Denn bevor ich die Folgen betrachte, wolle ich erst einmal wissen, ob das denn stimmt, was ich da glauben soll. Ich hätte kein Interesse an Heilung durch jemanden, den es nicht gebe, denn dann wäre sie nichts als eine Selbsttäuschung. Für Gebete zu einem Gegenüber, dass gar nicht da sei, sei ich mir zu schade; Selbstgespräche könne ich auch ohne derlei Spielchen führen. Zudem fände ich diese Haltung Gott gegenüber, wenn es ihn denn gebe, reichlich unverschämt: ihm zu sagen, es sei gleich, ob er nun da sei oder nicht, solange nur die rechten Folgen für mich dabei herauskämen, wenn ich so tue, als halte ich ihn für anwesend. Kurz, ein Glaube, der letztlich eine Selbsttäuschung darstelle und zudem Gott gegenüber sehr ungehobelt sei, sei uninteressant. Ich glaube, ich schloss: „Um mich selbst zu verarschen, brauche ich Gott nicht.“
Spontanes Grinsen bei einigen, betretenes Schweigen bei anderen. Ich habe mir mit dieser Wortmeldung keine neuen Freunde gemacht, außer Gott sei Dank den hervorragenden Seminarleiter. Man fand das sehr befremdlich, wo doch der Glaube etwas so wohltuendes sei. Und plötzlich stand mehr oder weniger klar im Raum: Glaube funktioniert für viele genauso gut auch ohne Gott, solange die Endorphine fließen.
Ich habe über diese Situation viel nachgedacht. Ich habe natürlich keinerlei Einblick in die Tiefe dieser Menschen. In ihrem Glauben kann eine große Liebe und Treue liegen. Es kann darin eine Standhaftigkeit vorhanden sein, von der ich nur träumen kann. Dennoch halte ich es für eine der wesentlichen Grundlagen unseres Glaubens, dass er auf Tatsachen beruht, nicht auf Suggestionen. Er ist kein Denksystem mit positiver Wirkung, dass so viel Hoffnung bringt, wie positives Denken – er ist die Wahrheit. Wir müssen uns nicht, bildlich gesprochen, Äpfel vorstellen, um uns satt zu fühlen, sondern wir haben einen Baum, der sie wirklich hervorbringt. Wenn wir beten, meinen wir nicht Wohlfühl-Meditationen für unser kurzes Hier-und-Jetzt. Wir reden mit dem, der uns das Ewige Leben schenken will. Und, für mich entscheidend: ein Glaube, der nur solange sinnvoll, ja existent ist, solange ich ihn hervorbringe, kann mich im Tod nicht tragen, denn er stirbt mit mir. Spätestens im Tod stellt sich plötzlich die Frage mit aller Vehemenz: Gibt es Dich, Gott, und wenn ja, hast Du Gutes mit mir vor? Für viele wird diese erste Frage, die eigentlich Grundlage allen Glaubens sein sollte, erst als letzte Frage interessant.
Wenn ich jetzt eines wünschen darf, Herr, dann: lass mich mit der ersten Frage nicht bis zum Schluss warten. Lass mich im Blick auf das Kreuz niemals zweifeln, dass Du mit Deiner Liebe mich meinst, und lass mich Dich niemals wie einen eigenen Gedanken behandeln. Ich behandele Dich ohnehin schon schlecht genug. Alles Leiden dieser Welt ist wie ein Tropfen gegen den Ozean von Freuden, den Du für uns bereithältst. Leeres Geschwätz für den, der seine Wahrheit selber machen muss. Doch was für eine Verheißung, wenn es stimmt, was wir glauben.
Die Zustimmung dazu bleibt meist aus, was beunruhigend ist. Nein!, heißt es erleuchtet. Glaube ist viel mehr, als ein Für-wahr-Halten. Glaube ist Beziehung! Glaube ist Befreiung! Glaube ist innere Heilung! Daran ist nichts falsch, außer dem Nein vorne dran; das allerdings ist sehr falsch. Daran ist nichts bedenklich, außer der Tatsache, dass es als Widerspruch angesehen wird – das allerdings ist höchst bedenklich!
Vor einigen Monaten wurde im Rahmen eines christlich-philosophischen Seminars die Frage aufgeworfen, warum man denn glaube. In den Antworten, die daraufhin gegeben wurden, schwang etwas mit, das schwer zu greifen war: eine subtile Ich-Bezogenheit in den Aussagen, als sei man selbst der Grund dafür, dass es richtig sei, zu glauben. Als sei es eine Frage der persönlichen Wahl, was wahr ist. Die Qualität einer Beziehung wurde daran festgemacht, dass sie MIR etwas brachte; auf eine kaum zu fassende Weise wurde von Gott gesprochen, ohne dass er anwesend war.
Ich machte daraufhin mit ungefähr folgender Wortmeldung einen provokanten Versuch: Es sei mir erst einmal gleich, was der Glaube mir bringe. Denn bevor ich die Folgen betrachte, wolle ich erst einmal wissen, ob das denn stimmt, was ich da glauben soll. Ich hätte kein Interesse an Heilung durch jemanden, den es nicht gebe, denn dann wäre sie nichts als eine Selbsttäuschung. Für Gebete zu einem Gegenüber, dass gar nicht da sei, sei ich mir zu schade; Selbstgespräche könne ich auch ohne derlei Spielchen führen. Zudem fände ich diese Haltung Gott gegenüber, wenn es ihn denn gebe, reichlich unverschämt: ihm zu sagen, es sei gleich, ob er nun da sei oder nicht, solange nur die rechten Folgen für mich dabei herauskämen, wenn ich so tue, als halte ich ihn für anwesend. Kurz, ein Glaube, der letztlich eine Selbsttäuschung darstelle und zudem Gott gegenüber sehr ungehobelt sei, sei uninteressant. Ich glaube, ich schloss: „Um mich selbst zu verarschen, brauche ich Gott nicht.“
Spontanes Grinsen bei einigen, betretenes Schweigen bei anderen. Ich habe mir mit dieser Wortmeldung keine neuen Freunde gemacht, außer Gott sei Dank den hervorragenden Seminarleiter. Man fand das sehr befremdlich, wo doch der Glaube etwas so wohltuendes sei. Und plötzlich stand mehr oder weniger klar im Raum: Glaube funktioniert für viele genauso gut auch ohne Gott, solange die Endorphine fließen.
Ich habe über diese Situation viel nachgedacht. Ich habe natürlich keinerlei Einblick in die Tiefe dieser Menschen. In ihrem Glauben kann eine große Liebe und Treue liegen. Es kann darin eine Standhaftigkeit vorhanden sein, von der ich nur träumen kann. Dennoch halte ich es für eine der wesentlichen Grundlagen unseres Glaubens, dass er auf Tatsachen beruht, nicht auf Suggestionen. Er ist kein Denksystem mit positiver Wirkung, dass so viel Hoffnung bringt, wie positives Denken – er ist die Wahrheit. Wir müssen uns nicht, bildlich gesprochen, Äpfel vorstellen, um uns satt zu fühlen, sondern wir haben einen Baum, der sie wirklich hervorbringt. Wenn wir beten, meinen wir nicht Wohlfühl-Meditationen für unser kurzes Hier-und-Jetzt. Wir reden mit dem, der uns das Ewige Leben schenken will. Und, für mich entscheidend: ein Glaube, der nur solange sinnvoll, ja existent ist, solange ich ihn hervorbringe, kann mich im Tod nicht tragen, denn er stirbt mit mir. Spätestens im Tod stellt sich plötzlich die Frage mit aller Vehemenz: Gibt es Dich, Gott, und wenn ja, hast Du Gutes mit mir vor? Für viele wird diese erste Frage, die eigentlich Grundlage allen Glaubens sein sollte, erst als letzte Frage interessant.
Wenn ich jetzt eines wünschen darf, Herr, dann: lass mich mit der ersten Frage nicht bis zum Schluss warten. Lass mich im Blick auf das Kreuz niemals zweifeln, dass Du mit Deiner Liebe mich meinst, und lass mich Dich niemals wie einen eigenen Gedanken behandeln. Ich behandele Dich ohnehin schon schlecht genug. Alles Leiden dieser Welt ist wie ein Tropfen gegen den Ozean von Freuden, den Du für uns bereithältst. Leeres Geschwätz für den, der seine Wahrheit selber machen muss. Doch was für eine Verheißung, wenn es stimmt, was wir glauben.