Wenn sich das Bistum zur Wallfahrt nach Rom aufmacht, sollte man mehr als eine Gruppenreise in frommer, netter Gemeinschaft erwarten, denn man bekommt mehr: ein kleiner Bericht über eine beeindruckende Reise.
Am Montag, dem 10.10., ging es los. Zur Wallfahrt passte die Herrgottsfrühe, in der wir aufstehen mussten, um rechtzeitig am Flughafen zu sein. In guter Stimmung flogen wir nach Rom, fuhren dort in unsere Unterkunft „Casa Mater Mundi“, bezogen unsere Zimmer, die schon fertig auf uns warteten, bekamen ein paar Informationen und hatten erst einmal bis zum Abend frei. Mancher blieb im Gästehaus, das von Schwestern betrieben wurde und einfach, aber sehr nett und gut geführt war. Andere nutzten den Tag in der Stadt, bis wir uns am Abend gegen 20:00h alle auf dem Platz St. Maria in Trastevere trafen. Die Anfahrt erfolgte in Eigenregie, was im Wesentlichen bedeutete, zu warten: der ÖPNV Roms trug sicherlich einen wesentlichen Teil dazu bei, dass man merkte, in einem anderen Land zu sein, bei längerer Wartezeit in einer anderen Kultur und sich am Ende gar in einer anderen Welt wähnte. Dieses Grauen hat einen Namen, oder besser, eine Nummer: 870, der Bus, auf den wir mindestens 15min, höchstens aber 70min warteten. Eine Tatsache, die über die ganze Woche hinweg Gesprächsstoff lieferte, doch letztlich nichts verdarb: am Ende funktionierte immer alles.
In Trastevere nahmen wir dann teil am Abendgebet der Gemeinschaft Sant´Egidio und wurden von unserem Kardinal begrüßt. Diese Gemeinschaft engagiert sich sozial als gelebte Nachfolge Jesu. Ihre Grundlagen sind Gebet, Solidarität, Ökumene und Dialog – ein Einblick, der nachdenklich machte. Nach dem Abendgebet gab es „Brot und Wein“, ein gemeinsames Abendbrot mit interessanten Gesprächen. Reisebusse brachten uns nach Hause – eine Erleichterung.
Am nächsten Morgen, Dienstag 11.10., geht es früh weiter: 9:00h Treffen vor der Engelsburg. Anfahrt wieder in Eigenregie, also Aufbruch noch deutlich vor 8:00h. Viele sind müde. Von der Engelsburg geht es gemeinsam in einer Prozession zum Petersplatz und durch die dortigen Kontrollen. Es ist traurig zu erleben, wie die Kirche ihr Zentrum, das offen für alle sein soll, schützen muss. Doch nach der Kontrolle geht es in den Dom, durch die Heilige Pforte, die das Eintreten in die barmherzige Gegenwart Gottes versinnbildlicht. Viele bekreuzigen sich, berühren kurz die Türflügel. Es ist bewegend und still, der Schritt verlangsamt sich. Die Andacht ist greifbar und dicht, fast als könne man die gewährten Gnaden mit den Sinnen wahrnehmen. Auch das „Avanti, avanti!“ der Türsteher änderte daran nichts: es ist der Eintritt ins Herz der Kirche. Ein großes Herz im wahrsten Sinne: als sich die weit über 1000 Pilger am Altar der Kathedra versammelt haben, ist vom Dom nur ein kleiner Teil besetzt. Der Publikumsbetrieb geht weit hinter uns seinen gewohnten Gang, während wir mit unserem Kardinal die Heilige Messe feiern.
Der Nachmittag kann zum Besuch „besonderer Orte“ genutzt werden. Engelsburg, Katakomben, Petrusgrab, Radio Vatikan und vieles mehr steht zur Auswahl, wenn es gebucht wurde: viele Führungen erfolgen in kleinen Gruppen. Meine Familie und ich besuchen in Eigenregie das Pantheon und trinken am Platz davor einen Kaffee, der im Vergleich zur Heimat mindestens um so viel besser ist wie der ÖPNV schlechter.
Es beginnt zu regnen. Ich weiß nicht, was Petrus wollte, aber er wollte es nachdrücklich: in kurzer Zeit sind wir so nass, dass nur noch ein Taxi nach Hause uns helfen kann. Alles klebt klitschnass am Körper, auch wenn der Himmel inzwischen wieder großenteils blau ist. So verpassen wir und etliche andere die Lichterprozession durch die vatikanischen Gärten, die verspätet und verkürzt am Ende doch noch stattfand. Sehr schade.
Am Mittwoch, 12.10., ist Papstaudienz. Um 8:00h sollen wir am Petersplatz sein – mit Ausschlafen wird das nichts in Rom. Sogar an diesem Tag gibt es ein Morgengebet. Inzwischen ist auch bei mir angekommen, dass man die Linie 870 vermeiden kann, wenn man etwas weiter bis hinunter zum Supermarkt geht – dort fahren gleich zwei Linien, und beide häufiger. Auf dem Petersplatz kommen wir in den bestuhlten Bereich vorn in der Mitte. Wirklich viele Stühle stehen da. Ein kurzer Überschlag – Stühle pro Reihe mal Anzahl der Reihen mal Blöcke – ergibt rund 20.000 Stühle. Und sie bedecken doch nur einen Teil der vorderen Hälfte des Platzes.
Ein Sprecher begrüßt die anwesenden Gruppen – allein die Aufzählung und der kurze Jubel der genannten Gruppen dauern eine viertel Stunde. Als der Papst kommt und die Reihen abfährt, stehen plötzlich viele auf den Stühlen. Man sieht fast nichts mehr, aber das ist auch nicht nötig, denn das Papamobil ist hoch, und oft scheint Papst Fanciscus über den Reihen zu schweben. Er strahlt, winkt und segnet. Ein paar Kinder nimmt er ein Stück mit im Papamobil. Es ist heiter, wie überhaupt die Stimmung Roms in seinen großen Kirchen heiter ist. Die Predigt ist ein Aufruf, die Nachfolge Christi im Leben umzusetzen. Sie behandelt besonders die sieben leiblichen und die sieben geistlichen Werke der Barmherzigkeit. Genaueres hier:
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Die päpstliche Ansprache ist auf Italienisch, doch danach wird sie in vielen Sprachen zusammengefasst, von Sprechern, die bei dieser Gelegenheit den Papst grüßen und ihm danken. Dass einer von ihnen den Heiligen Vater versehentlich mit Johannes bezeichnet, lässt viele zusammenzucken – den Papst selbst allerdings nicht. Es ist schön, den Heiligen Vater zu treffen. Ja, wir sind wirklich in Rom, im Herzen der Kirche.
Nach der Audienz ist freie Zeit. Ich besuche das vatikanische Museum und die Sixtina. Die Vorstellung, dass hier das Konklave abgehalten wird und der Heilige Geist wirkt, trifft mich mehr als alle Kunstwerke, obwohl die wirklich gewaltig sind. Hinterher bin ich sehr müde. Keiner meiner Familie schafft es, am Treffen in Sant’Ignazio mit Abendgebet und offenem Singen teilzunehmen.
Donnerstag, 13.10. Nach Morgengebet und Frühstück ist der Vormittag und frühe Nachmittag wieder frei für die „besonderen Orte“. Wir besuchen die Domitilla-Katakomben. Die Anfahrt erfolgt in Eigenregie. Bitte pünktlich, wegen der geplanten Führung. Wir schauen auf den Stadtplan, den wir erhalten haben: dort sind die Katakomben eingezeichnet, zwischen zwei Brücken am Tiberufer. Wir fahren dorthin. Doch vor Ort gibt es nichts, was nach Katakomben aussieht. Wir fragen und erfahren zu unserem Erstaunen, dass sie ca. 7km entfernt liegen. Das Handy sagt: 2h zu Fuß. Wir sind ratlos. Plötzlich taucht ein Mann auf, der neben uns auch andere Ratlose einsammelt, und erklärt: was im Plan eingezeichnet ist, sind nicht die Katakomben, sondern der Abfahrtsplatz dorthin. Die Anreise ist im Viator-Bus, in Eigenregie erfolgte nur die Anreise zur Anreise. Das soll man wissen? Doch wieder: am Ende klappt alles.
Die Gruppe ist nett. Der Ausflug enthält neben den Katakomben vorab noch einen Besuch der Kirche, die dort errichtet wurde, wo Paulus enthauptet wurde, im Kloster Tre Fontane. Drei Quellen sollen dort entsprungen sein, wo das Haupt des Apostels nach seiner Hinrichtung im Jahre 67 den Boden berührte. Die Quellen und die Hinrichtungsstätte sind hinter Glas, aber ganz nah – bewegend!
Dort zu beten ist – irgendwie anders!
Nach Tre Fontane geht es in die Katakomben.
Die Führung hat eine junge Frau, die die Gänge so gut kennt, dass sie anderen Gruppen ausweichen und den Weg improvisieren kann. Bei 17km Gängen auf 4 Ebenen eine wirkliche Leistung! Eine schwer zu beschreibende Faszination geht von diesem Ort aus, der seinerzeit so grauenvoll gerochen haben muss, dass in den Licht spendenden Öllampen stets auch Parfümöl verbrannt wurde. Doch es ist nicht Makabres oder Morbides hier, sondern Stille und Ruhe. Interessant ist es überdies. Die meisten Grabstätten sind offen, da Eindringlinge einst nach Grabbeigaben suchten, bei den Christen jedoch nichts fanden und deshalb das einzige mitnahmen, was Wert hatte: die Ton- und Marmorplatten, mit denen die Grabnischen verschlossen waren. Im feuchtwarmen Klima der Gänge ist von den Gebeinen heute nichts mehr übrig, außer manchmal einem hellen Fleck auf dem porösen Gestein. Mit den Platten, die übrig bleiben, wurde die dazugehörige Kirche eingerichtet und geschmückt.
Am Abend ist Messe mit unserem Kardinal in der Lateranbasilika. Noch eine Heilige Pforte und schon die zweite der ganz großen katholischen Kirchen, an deren Altar wir feiern dürfen.
Am Freitag, 14.10., ist nach Morgengebet und Frühstück wieder Zeit für „besondere Orte“. Wieder nehmen wir die 870 und warten 20min. Unser Pastor schafft es, auf die Sekunde genau zur Abfahrt zu kommen – das muss eine besondere Amtsgnade sein!
Für mich bringt dieser Tag das intensivste Erlebnis der Fahrt – ich bin noch immer damit beschäftigt, es zu verarbeiten: Meine Familie und ich besuchen das Petrusgrab unter dem Dom. Die Führung ist hervorragend. Ein junger Priester, der bestens Bescheid weiß, zeigt uns, was es zu sehen gibt: Fundamente, die über 1000 Jahre alt sind, schon den ersten Dom trugen und teilweise aussehen, als wären sie gestern gemauert. Sarkophage der ausgegrabenen römischen Nekropole, deren Reliefs und Inschriften teils die römischen, teils die ägyptischen Götter anrufen. Dazwischen auch Sarkophage mit christlichen Texten und Motiven. Gott zwischen Göttern – die Situation der frühen Christen. Ca. 10m unter dem Altar des Petersdoms dann das erste Grab des Petrus, über dem man mehrere kleine Monumente errichtet hatte, deren Fundament ein Gewölbe über der Grabstelle hatte: das Märtyrergrab wurde nicht angetastet. In die Wände eingeritzte Fürbittgebete, die den Ort bestätigen. Doch das Grab ist leer, als einziges der vielen dort: als in einer Verfolgungszeit sogar die Gräber geschändet wurden, brachte man - für Forscher ein wichtiges Indiz - genau diese Gebeine in den Sebastianus-Katakomben in Sicherheit. Auch dieser Ort wurde gefunden. Als dann der erste Petersdom gebaut wurde, wurden die noch übrigen Gebeine zurückgeholt und nahe der ersten Grabesstätte in einer Nische in den Kirchenfundamenten erneut beigesetzt. Dort fand man sie bei den Grabungen. Die Knochen wurden inzwischen untersucht: es sind die Überreste eines Mannes, der 60-70 Jahre alt wurde, in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts starb und möglicherweise viel am Wasser arbeitete. Dass wir an dieser Nische standen, die freigelegt wurde, die Gebeine sahen und dort gemeinsam beteten, dafür fehlen mir die Worte.
Ob das alles stimmt? Was ich hier schreibe, ist was ich verstanden und behalten habe. Beweisen kann man es nicht. Doch wie es auch in der Führung gesagt wurde: unser Glaube beruht auf geschichtlichen Ereignissen, nicht auf Sagen. Christus hat auf Erden gelebt, ebenso Petrus und Paulus. Wir dürfen nach diesen Tatsachen suchen und der Wissenschaft trauen, wo sie Aussagen dazu machen kann. Es ist ein starkes Erlebnis, vor diesen Tatsachen wirklich zu stehen!
Am Grab des Petrus darf man nicht fotografieren. Doch diesem Ort auf dem Foto ist es ganz nah: ca. 10m darunter, ca. 10m nach vorn: der Altar des Petersdoms steht darüber.
Der Abend ist der letzte in Rom. Die Abschlussmesse ist in Sankt Paul vor den Mauern. Die Dritte der großen Kirchen in Rom, und wir feiern dort mit unserem Kardinal die Messe. Wieder eine Heilige Pforte. Für mich mit Abstand die eleganteste der großen Kirchen.
Nach der Messe gibt es vor der Kirche gute Nudeln, Getränke und wie immer eine schöne Gemeinschaft. Unsere Bischöfe sind wieder dabei.
Dann werden die einzelnen Unterkünfte per Schild zusammen gerufen. Nach Hause geht es im Viator-Bus – eine große Erleichterung, da es morgen sehr früh losgehen muss. Deshalb trifft man sich an diesem Abend im Gästehaus auch nicht auf ein Glas Wein, wie an früheren Abenden oft: es war eine schöne Gemeinschaft!
Man kann nicht alles erzählen. Von den ganzen Gesprächen, der Stadt, den anderen Kirchen, den Gassen, dem Kaffee und dem italienischen Essen. Jede der Predigten hätte eine ausführliche Zusammenfassung verdient! Es war viel.
Der Rückflug war dann schließlich, wie Rückflüge eben sind: man war eher müde und voll mit Eindrücken. Eindrücke, die noch lange nachwirken werden. Dafür ein herzlicher Dank an alle Organisatoren und Reiseführer, besonders aber an unseren Kardinal Woelki, unsere Bischöfe und an unseren Pastor für Messen, Gebete und Segen. Es war für mich eine rundum gelungene Fahrt.