[Von Bastian]
Da hat sich jemand die Mühe gemacht, herauszufinden, welche Geschlechter Facebook in den USA anbietet:
Agender, Androgyne, Androgynous, Bigender, Cis, Cisgender, Cis Female, Cis Male, Cis Man, Cis Woman, Cisgender Female, Cisgender Male, Cisgender Man, Cisgender Woman, Female to Male, FTM, Gender Fluid, Gender Nonconforming, Gender Questioning, Gender Variant, Genderqueer, Intersex ,Male to Female, MTF, Neither, Neutrois, Non-binary, Other, Pangender, Trans, Trans*, Trans Female, Trans* Female, Trans Male, Trans* Male, Trans Man, Trans* Man, Trans Person, Trans* Person, Trans Woman, Trans* Woman, Transfeminine, Transgender, Transgender Female, Transgender Male, Transgender Man, Transgender Person, Transgender Woman, Transmasculine, Transsexual, Transsexual Female, Transsexual Male, Transsexual Man, Transsexual Person, Transsexual Woman, Two-Spirit.
Es sind 56. Und jetzt? Ich meine, Amis sind zwar sicherlich anders als wir, aber auf dieser Ebene eher nicht.
All das lässt die Zuwanderungsproblematik in ganz neuem Licht erscheinen. Natürlich sind Konflikte vorprogrammiert, wenn die alle in einer Unterkunft zusammen leben sollen. Wir brauchen 56 verschieden Arten Erstunterkünfte.
Auch die VW-Krise hätte es so nie gegeben, wenn die Firma einen 56-köpfigigen, paritätisch besetzten Vorstand gehabt hätte.
Wenn ich bei meinen Kindern erlebe, dass auf Klassenfahrten nur ein Mann und eine Frau als Begleitung mit müssen, wird mir ganz anders. Da fehlen 54 Lehrer!
Jetzt begreife ich auch das Streben nach Unisex-Toiletten: die Alternative hätte Labyrinth-Charakter.
Die Fußgängerampeln in Duisburg werden künftig sicher lustig, ebenso wie die Namensgebung von Hoch- und Tiefdruckgebieten.
Die Tagesschau wird künftig 5min länger, da sich „Guten Abend, meine Damen und Herren“ nicht mehr halten lässt. Am Ersatztext wird noch gefeilt.
Gut, dass es uns gibt! Wir kennen die eine, die heute wichtige, die weltbewegende, die Große Frage und die Antwort darauf. Addio, Deep Thougt, du hast Dich verrechnet. Die Antwort ist 56.
Mittwoch, September 30, 2015
Freitag, September 25, 2015
Bauernregel
Im Herbst wird es wieder Zeit für Bauernregeln. Was sagen die Zeichen?
Meine Lieblingsregel sei hier verraten, eine die IMMER zutrifft:
"Wenn die Störche zieh'n, braucht der Bauer nicht zu schieben."
"Wenn die Störche zieh'n, braucht der Bauer nicht zu schieben."
Dienstag, September 22, 2015
Vortrag zum Thema "..und die Wahrheit wird Euch frei machen."
[Von Bastian]
Heute Abend soll es um einen Satz gehen:
"…und die Wahrheit wird Euch frei machen." (Joh 8,32 )
Dieser Halbsatz reicht für riesige Bücher, ohne an ein Ende zu kommen. Ich möchte ebenfalls versuchen, ein Licht darauf zu werfen. Unvollständig natürlich, doch es dient dazu einen bestimmten Gedanken zu verfolgen, wozu es hoffentlich reicht.
3 Dinge sind es, die zu betrachten wären:
- Was ist Wahrheit?
- Was ist Freiheit?
- Wie kann die Wahrheit – doch wohl ein Abstraktum – etwas machen? Oder ist das nicht wörtlich zu nehmen, sondern eher zu verstehen wie: „Wo Wahrheit ist, da ist Freiheit.“?
Wir werden sehen.
Wahrheit
Für die Wahrheit gilt erst einmal etwas ganz grundlegendes, fast banales: sie muss stimmen.
Vor Gericht aufgefordert, die Wahrheit zu sagen, muss ich das sagen, von dem ich überzeugt bin, dass es den Tatsachen entspricht. Dabei ist nicht das gemeint, was ich gern als richtig sähe, weil es mir Glaube oder Weltanschauung vorschreiben. Auch nicht, was besser für mich oder einen anderen Menschen wäre. Wahr ist, was stimmt, nicht, was moralisch wünschenswert wäre. Die Wahrheit ist etwas Unzensiertes, Ungeschminktes, geradezu Nacktes: sie beschreibt schlicht das, was ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger: auch das Verschweigen von Tatsachen ist eine Abkehr von der Wahrheit.
Ich habe den Verdächtigen am Tatort gesehen. Auch wenn ich ihn mag: darüber falsch auszusagen wäre genauso unwahr, wie zu verschweigen, dass er nicht allein war.
Ich kann nichts als Wahrheit bezeichnen, von dem ich weiß, dass es nicht stimmt. Genauso wenig kann ich etwas, das ich als stimmig erkenne, verleugnen, wenn ich die Wahrheit sagen will.
Die Wahrheit sei vorläufig einmal die Summe all dessen, was stimmt.
Doch hier stellt sich natürlich die Frage: was stimmt denn alles?
Einmal gehören zur Wahrheit die erkennbaren Tatsachen. In einem Raum liegt ein Haufen Glasstücke und Drähte. Gefragt, was in dem Raum ist, antworte ich: Glas und Drähte, zusammen auf einem Haufen. Es stimmt. Zweifellos ist die Aussage daher erst einmal wahr, denn sie stimmt mit den Tatsachen überein. Doch ist es damit auch das, was wir Wahrheit nennen?
Die Frage ist berechtigt, denn bei dem Haufen Glasstücken und Drähten handelt es sich um einen Kronleuchter, der noch nicht hängt. Ich erkenne das vielleicht nicht, und doch ist das, was in meiner Beschreibung nach Sperrmüll klingt, in Wirklichkeit eine wunderschöne Lichtquelle - man muss sie nur aufhängen und anschließen.
Glas und Drähte sind mehr, als sie mir zu sein scheinen. Sie haben ein Potential, das nicht sofort ersichtlich ist; dennoch gehört es unbestreitbar zur Wahrheit über diesen Glashaufen, denn auch dies stimmt: das ist ein Leuchter. Es hat keinen Sinn, das Potential aus der Wahrheit ausklammern zu wollen, weil es keine Tatsache sei: es ist eine. Für mich wird das spätestens dann ersichtlich, wenn die Müllabfuhr auf mein beschränktes Urteil hin Glasstückchen und Drähte entsorgt hat und der Besitzer es bemerkt: ich zahle Schadenersatz für einen Kronleuchter, nicht für Scherben und Draht. Das Potential gehört zur Wahrheit, wenn sie der Definition, dass sie alles Stimmende enthält, standhalten soll.
Doch hier ergibt sich ein weiteres Problem: es gibt viele Potentiale. Der Einwand, aus den Drähten hätte man auch einen schönen glasbehängten Zaun fertigen können, ist wichtig. Ein Zaun könnte durchaus sinnvoll sein. Was spricht dagegen? Der Zaun ist machbar, das stimmt. Doch ebenso stimmt, dass das Kronleuchter zu sein dem Glashaufen mehr entspricht. Ist es nun ein Kronleuchter, aus dem man auch einen Zaun machen kann, oder ein Zaun, der auch als Leuchter aufgehängt werden könnte, oder ist es schlicht beides? Was bevorzugt Kronleuchter gegenüber Zaun? Wie soll man unter mehreren Potentialen das wahre herausfinden?
Dazu ein anderes Beispiel, das dieses Problem noch schärfer beleuchtet. Ein Ziegelstein eignet sich zum Bauen – das stimmt. Er eignet sich ebenso dazu, ein Fenster einzuwerfen – auch das stimmt. Verstehe ich die Wahrheit als Summe aller offenbaren und versteckten Eigenschaften und Potentiale einer Sache oder Person, stehen dort Hausbau und Zerstörung als Möglichkeiten gleichberechtigt nebeneinander. Was unterscheidet beide? Die Moral ist es nicht. Sie könnte mein Handeln bewerten, aber nicht den Stein selbst.
Der Unterschied liegt in etwas, was gar nicht mehr im Stein selbst zu finden ist, sondern außerhalb: der Stein ist zum Bauen gedacht, nicht zum Zerstören.
Unter all den Potentialen, die in jedem Ding verborgen sind, ist eines das wahre: das, was angedacht wurde. Es ist wahr, dass es viele Möglichkeiten, die man mit einem Ziegelstein hätte: zerbrechen, in den See werfen, vergraben, meinem Nächsten den Schädel einschlagen, als Briefbeschwerer nutzen etc…, von denen durchaus nicht alle schlecht sind. Doch es ist auch wahr, dass nur eine oder wenige davon dem Gegenstand wirklich entsprechen. Die Bestimmung gehört zur Wahrheit. (Wenn Sie das nicht glauben, fragen Sie einmal einen Ziegelhersteller, warum er tausende Mordwaffen herstellt. Er wird Ihnen sehr deutlich erklären, dass es darauf ankommt, wozu etwas gedacht ist.)
Für all diese Aspekte dessen, was stimmt, gibt es ein deutsches Wort: das Wesen einer Sache. Es ist die Summe all dessen, was eine Sache zu dem macht, was sie ist, auch und gerade dann, wenn das nicht sofort ersichtlich ist. Es ist das Wesen eines Ziegelsteins, hart, kantig und Baustein zu sein. Es ist das Wesen eines Kronleuchters, aus Glas und Drähten zu bestehen und Lichtquelle zu sein. Es gehört zum Wesen eines jeden Dinges, das sein zu sollen, wozu es gedacht ist, wozu es bestimmt ist.
Was also ist die Wahrheit? Ich definiere sie als das Licht, in dem das Wesen von etwas sichtbar wird. In diese Definition passen auch wahre Freunde du wahre Klugheit, abstrakte „Dinge“ also, die mit messbaren Tatsachen nicht erfassbar sind.
C.S. Lewis schreibt: "Die Freiheit, eine Giraffe mit kurzem Hals und kurzen Beinen zu zeichnen, gibt es nicht. Es wäre eben keine Giraffe mehr... Ich kann einen Tiger von seinen Gitterstäben befreien, doch nicht von seinen Streifen."
Einem Vogel die Flügel mit der Begründung abzuschneiden, man wolle ihn davon befreien, verbietet sich. Es wäre Befreiung in die Unfreiheit hinein: er kann nicht mehr fliegen. Die Giraffe ist sie selbst durch ihren langen Hals, der Tiger durch seine Streifen, der Vogel durch seine Flügel. Davon kann man nicht befreien. Es gibt also Dinge, von denen man nicht frei sein kann: Freiheit existiert prinzipiell nur mit Einschränkungen. Es sind die Aspekte, die das Wesen der zu befreienden Sache oder Person beeinträchtigen.
Tolkien gibt in seinem „Herrn der Ringe“ eine hervorragende Definition von Freiheit. Saruman hat einen Damm gebaut, um zu verhindern, dass Wasser seine Rodungsarbeiten stört, und er vernichtet den Wald. Als die Ents kommen und seinen Turm angreifen, ertönt der Ruf: „Zerstört den Damm – befreit den Fluss!“. Jeder versteht es sofort: der Fluss wir nicht AUS seinem Bett befreit, sondern IN sein Bett. Er wird dazu befreit, Fluss zu sein. Er wird dazu befreit, seinem Wesen gerecht zu werden. Ist er ein wahrer Fluss, ist er wirklich frei.
Freiheit ist dort, wo die Wahrheit regieren kann. Freiheit ist dort, wo etwas seinem Wesen gemäß sein kann.
Eigentlich ist dieses Prinzip jedem klar, doch meist ist es einem nicht bewusst, wo wir es überall einsetzen. Wenn heute versucht wird, verschwundene Tierarten wieder einzubürgern, erhofft man natürlich, dass die frei gelassenen Tiere sich möglichst genau ihrem Wesen getreu verhalten. Der frei gelassene Biber soll Dämme bauen, der Uhu Mäuse jagen, das Wisent im Wald leben. Die Voraussetzungen dafür habe ich mit meinem Wissen über diese Tiere geschaffen. Hier ist es für jeden offensichtlich: die Wahrheit macht das eigentliche Wesen sichtbar – in der Freiheit kann es sein. Ich brauche also beides, Wahrheit und Freiheit, denn beide gehen zusammen.
Hier gibt es einen begrenzenden Faktor: mich. Die Wahrheit über irgendeinen Menschen kenne ich nicht, nicht einmal über mich selbst. Nicht einmal meine eigenen Potentiale kenne ich wirklich. Ich weiß nicht einmal, ob es sie gibt. Wie soll ich gemäß meinem Wesen frei sein, wenn ich es nicht kenne?
Unsere Möglichkeit, die Wahrheit zu erkennen, ist definitiv beschränkt. Tatsächlich beschränkt sie sich auf die Wahrnehmung des Status Quo mit meinen Sinnen, und selbst die sind sehr beschränkt. Ich kann mein Erkennen durch Erfahrungen und erlerntes Wissen erweitern, doch niemals werden mir alle faktischen Aspekte, jedes Potential und jedes Gedacht-Sein zur Verfügung stehen. Es ist immer nur ein Teilbereich.
Darüber hinaus kann ich bei der Wahrheitssuche, der Wesenssuche, Dinge und Aspekte verwechseln, vermischen und meinen Vorlieben unwissentlich den Vorzug geben. Mein eigenes Bild von Wahrheit ist zwingend unvollständig und subjektiv. Eine Wahrheit, die über das hinausgeht, ist für mich nicht erreichbar.
Das Konzept einer befreienden Wahrheit kann für mich daher nur momentan sein. Aussagen eines Menschen über einen Bereich, der dem Mensch nicht zugänglich ist, verbieten sich logischerweise. Eine Lehre ist sinnvoll, solange sie mich bereichert. Darüber hinaus ist sie Anmaßung und Indoktrination. Jeder erkennt einen anderen Teilbereich und hat eine daher andere Wahrheit. Jeder erkennt seins; Glauben und Religion sind somit Privatsache. Die Wahrheit kann bestenfalls theoretisch definiert werden, als Summe aller Teilwahrheiten.
Dass ein Mensch, und sei er Papst, Verbindlichkeit für alle verkündet, verbietet sich dementsprechend. Daher lehnen viele die Kirche ab, die sich anmaßt, Wahrheit für alle zu verkünden, ohne sich intern überhaupt einig zu sein. Absurd! Diese Ablehnung ist durchdacht, mit gutem Gewissen begründet und darf nicht abgetan werden, denn sie ist logisch und entspricht dem Erleben.
Entsprechend ist heute Freiheit für viele die Erlaubnis zur Unverbindlichkeit, zum Leben aus dem Moment, denn Unverbindlichkeit scheint das einzige Konzept zu sein, das niemanden einschränkt. Ich bin frei, wenn ich letztlich in jedem Moment etwas anderes sein kann und von meinen Mitmenschen keine Kontinuität erwarte. Denn ich habe die Gültigkeit meiner eigenen Teilwahrheiten zu respektieren, wie auch die Gültigkeit der Wahrheit eines jeden anderen Menschen.
Doch hier tut sich eine Sackgasse auf, ein Dilemma: Der Tiger wurde zum Tiger-Sein befreit, der Fluss in sein Bett. Befreiung ist die Befreiung des Wesens. Der Mensch aber kann, wie gezeigt, die Wahrheit über sich selbst aufgrund seiner Schranken nicht wirklich vollständig wissen. Doch es gilt: mangels beleuchtender Wahrheit kein erkanntes Wesen, mangels erkanntem Wesen keine sinnvolle Freiheit. Es sind Teilbereiche, die da sichtbar werden. Ich muss mich mit der subjektiven Wahrheit und der daraus resultierenden immer falschen Freiheit zufrieden geben.
Doch das ist gefährlich. Wenn man einen Baum dazu befreit, Blatt zu sein, ist das zwar ein wahrer Aspekt, doch zugleich eine schlimme Verstümmelung. Die subjektiven Wahrheiten führen zu Freiheiten, die gar nicht frei sind, sondern selbstgewählte Versklavungen, die mich von meinem Wesen abschneiden. Denn: das Wesen ist da, ob ich es nun kenne oder nicht.
An dieser Stelle habe ich drei Möglichkeiten.
Ich entscheide mich für die dritte Lösung. Wenn ich diese Logik nicht widerlegen kann, denke ich sie eben zu Ende. Ich weiß, dass ich die Wahrheit nicht finden kann. Wenn alles Menschliche automatisch begrenzt ist, gibt es nur noch eine Möglichkeit: Weiterführendes muss aus dem Bereich jenseits der Grenzen zu mir kommen. Es kann nicht erdacht worden sein, nicht einmal gezielt gesucht worden sein. Es muss aus eigenem Antrieb zu uns kommen.
Meine Anforderungen an eine Wahrheit über den Menschen sind also: Die Wahrheit muss größer sein, als ich fassen kann. Ich muss sie nicht finden, sondern sie muss mich finden. Ich brauche eine Wahrheit, die selbst freiwillig handeln kann. Ich brauche eine Wahrheit, die eine Person ist, die Interesse an mir hat.
Doch reicht das? Wenn, wie gezeigt, der Mensch als Medium zur Weitergabe der Wahrheit nicht ausreicht, benötigt der offenbarte Glaube eine Pflege durch seinen Offenbarer selbst. Uns überlassen ginge sie den Weg alles Bewussten: sie würde zum Teilbereich und damit untauglich.
Im Alten Testament wurde das durch die Propheten und von Gott berührte Menschen getan: immer hat Gott selbst dafür gesorgt, dass seine Wahrheit nicht in den Köpfen der Menschen langsam verkümmerte.
Und heute? Keine Propheten. Aber eine Zusage, die alles erklärt: „Ich bin bei Euch bis ans Ende der Welt!“. Und ein Konzept: „Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen!“. Gott selbst garantiert für Seine Wahrheit und sagt, wo wir sie finden.
Ohne diese Garantie wäre die Lehre der Kirche eine Sammlung alter Sitten und begrenzter Erkenntnis, mit ihr ist sie die immer deutlicher werdende Auskristallisation von Gottes Willen. Ohne diese Garantie wäre die Kirche dazu verdammt, die Offenbarung langsam zu verschleiern. Mit ihr ist sie hingegen die notwendige Pflege, die Gott selbst Seiner Offenbarung angedeihen lässt.
In Seiner Kirche finden wir die Wahrheit. Nicht in den Personen, sondern in Ihm der durch sie hindurch scheint. Das Vertrauen, das wir in die Kirche haben können, ist umso größer, je weniger wir in ihr die Menschen sehen. Ihre Aufgabe ist keinerlei Selbstzweck: durch sie soll Gottes Licht scheinen, sonst nichts. Kein Heiliger hat je auf etwas anderes vertraut als auf Gott.
Die strahlendste Kirche ist die, die sich von allem frei macht, was nicht von Gott kommt, die sich entweltlicht. Die nicht uns, sondern Gott in den Mittelpunkt stellt, damit nicht wir die Wahrheit auf uns selbst zurechtstutzen, weil wir sie haben müssen, sondern selbst wachsen in der Wahrheit, die uns ergriffen hat. Weil sie uns liebt, es will und deshalb selbst zu uns kommt.
Unsere Ausgangspunkte waren: was wahr ist, muss stimmen. Freiheit ist, wo die Wahrheit, wo das Wesen, sein können. Wir sind den Gedanken derer gefolgt, die aus guten Gründen die Kirche ablehnen, haben nicht widersprochen, sondern nur zu Ende gedacht und unsere Grenzen akzeptiert.
Das Denken diente dazu, diese eigenen Grenzen zu finden. Und es macht zugleich sensibel, weil man zu erahnen beginnt, was es heißt, dass Gott sich offenbart.
Und damit wir finden uns wieder bei Christus, der uns frei macht, indem er uns sein Wort verkündet. Der uns unser wahres Wesen zeigt, indem er uns erklärt, wozu wir gedacht sind. Und wir finden uns wieder in Seiner Kirche. Nicht weil wir Regeln suchen, sondern weil wir dort Sein Wort finden, das uns frei macht.
„Ich bin das Licht der Welt“ sagt Christus. „Ich bin die Wahrheit“. Die Wahrheit ist Person, handelnde Person. Und die Wahrheit wird uns frei machen. Sie machte es, nicht wir.
Dazu ein anderes Beispiel, das dieses Problem noch schärfer beleuchtet. Ein Ziegelstein eignet sich zum Bauen – das stimmt. Er eignet sich ebenso dazu, ein Fenster einzuwerfen – auch das stimmt. Verstehe ich die Wahrheit als Summe aller offenbaren und versteckten Eigenschaften und Potentiale einer Sache oder Person, stehen dort Hausbau und Zerstörung als Möglichkeiten gleichberechtigt nebeneinander. Was unterscheidet beide? Die Moral ist es nicht. Sie könnte mein Handeln bewerten, aber nicht den Stein selbst.
Der Unterschied liegt in etwas, was gar nicht mehr im Stein selbst zu finden ist, sondern außerhalb: der Stein ist zum Bauen gedacht, nicht zum Zerstören.
Unter all den Potentialen, die in jedem Ding verborgen sind, ist eines das wahre: das, was angedacht wurde. Es ist wahr, dass es viele Möglichkeiten, die man mit einem Ziegelstein hätte: zerbrechen, in den See werfen, vergraben, meinem Nächsten den Schädel einschlagen, als Briefbeschwerer nutzen etc…, von denen durchaus nicht alle schlecht sind. Doch es ist auch wahr, dass nur eine oder wenige davon dem Gegenstand wirklich entsprechen. Die Bestimmung gehört zur Wahrheit. (Wenn Sie das nicht glauben, fragen Sie einmal einen Ziegelhersteller, warum er tausende Mordwaffen herstellt. Er wird Ihnen sehr deutlich erklären, dass es darauf ankommt, wozu etwas gedacht ist.)
Für all diese Aspekte dessen, was stimmt, gibt es ein deutsches Wort: das Wesen einer Sache. Es ist die Summe all dessen, was eine Sache zu dem macht, was sie ist, auch und gerade dann, wenn das nicht sofort ersichtlich ist. Es ist das Wesen eines Ziegelsteins, hart, kantig und Baustein zu sein. Es ist das Wesen eines Kronleuchters, aus Glas und Drähten zu bestehen und Lichtquelle zu sein. Es gehört zum Wesen eines jeden Dinges, das sein zu sollen, wozu es gedacht ist, wozu es bestimmt ist.
Was also ist die Wahrheit? Ich definiere sie als das Licht, in dem das Wesen von etwas sichtbar wird. In diese Definition passen auch wahre Freunde du wahre Klugheit, abstrakte „Dinge“ also, die mit messbaren Tatsachen nicht erfassbar sind.
Freiheit
Freiheit wird meist als Möglichkeit, sich zu bewegen, zu entwickeln und zu wandeln verstanden. Als Sein ohne Einschränkungen, ohne Begrenzungen. Doch ist es das wirklich? Ist die Freiheit frei für alles?C.S. Lewis schreibt: "Die Freiheit, eine Giraffe mit kurzem Hals und kurzen Beinen zu zeichnen, gibt es nicht. Es wäre eben keine Giraffe mehr... Ich kann einen Tiger von seinen Gitterstäben befreien, doch nicht von seinen Streifen."
Einem Vogel die Flügel mit der Begründung abzuschneiden, man wolle ihn davon befreien, verbietet sich. Es wäre Befreiung in die Unfreiheit hinein: er kann nicht mehr fliegen. Die Giraffe ist sie selbst durch ihren langen Hals, der Tiger durch seine Streifen, der Vogel durch seine Flügel. Davon kann man nicht befreien. Es gibt also Dinge, von denen man nicht frei sein kann: Freiheit existiert prinzipiell nur mit Einschränkungen. Es sind die Aspekte, die das Wesen der zu befreienden Sache oder Person beeinträchtigen.
Tolkien gibt in seinem „Herrn der Ringe“ eine hervorragende Definition von Freiheit. Saruman hat einen Damm gebaut, um zu verhindern, dass Wasser seine Rodungsarbeiten stört, und er vernichtet den Wald. Als die Ents kommen und seinen Turm angreifen, ertönt der Ruf: „Zerstört den Damm – befreit den Fluss!“. Jeder versteht es sofort: der Fluss wir nicht AUS seinem Bett befreit, sondern IN sein Bett. Er wird dazu befreit, Fluss zu sein. Er wird dazu befreit, seinem Wesen gerecht zu werden. Ist er ein wahrer Fluss, ist er wirklich frei.
Freiheit ist dort, wo die Wahrheit regieren kann. Freiheit ist dort, wo etwas seinem Wesen gemäß sein kann.
Eigentlich ist dieses Prinzip jedem klar, doch meist ist es einem nicht bewusst, wo wir es überall einsetzen. Wenn heute versucht wird, verschwundene Tierarten wieder einzubürgern, erhofft man natürlich, dass die frei gelassenen Tiere sich möglichst genau ihrem Wesen getreu verhalten. Der frei gelassene Biber soll Dämme bauen, der Uhu Mäuse jagen, das Wisent im Wald leben. Die Voraussetzungen dafür habe ich mit meinem Wissen über diese Tiere geschaffen. Hier ist es für jeden offensichtlich: die Wahrheit macht das eigentliche Wesen sichtbar – in der Freiheit kann es sein. Ich brauche also beides, Wahrheit und Freiheit, denn beide gehen zusammen.
Ein Problem
Doch woher nehme ich beides? Freiheit für Fluss und Biber mögen ja angehen – da weiß ich recht genau, was sie brauchen, da kenne ich ihr Wesen gut genug. Doch wie soll ein Mensch frei sein?Hier gibt es einen begrenzenden Faktor: mich. Die Wahrheit über irgendeinen Menschen kenne ich nicht, nicht einmal über mich selbst. Nicht einmal meine eigenen Potentiale kenne ich wirklich. Ich weiß nicht einmal, ob es sie gibt. Wie soll ich gemäß meinem Wesen frei sein, wenn ich es nicht kenne?
Unsere Möglichkeit, die Wahrheit zu erkennen, ist definitiv beschränkt. Tatsächlich beschränkt sie sich auf die Wahrnehmung des Status Quo mit meinen Sinnen, und selbst die sind sehr beschränkt. Ich kann mein Erkennen durch Erfahrungen und erlerntes Wissen erweitern, doch niemals werden mir alle faktischen Aspekte, jedes Potential und jedes Gedacht-Sein zur Verfügung stehen. Es ist immer nur ein Teilbereich.
Darüber hinaus kann ich bei der Wahrheitssuche, der Wesenssuche, Dinge und Aspekte verwechseln, vermischen und meinen Vorlieben unwissentlich den Vorzug geben. Mein eigenes Bild von Wahrheit ist zwingend unvollständig und subjektiv. Eine Wahrheit, die über das hinausgeht, ist für mich nicht erreichbar.
Das Konzept einer befreienden Wahrheit kann für mich daher nur momentan sein. Aussagen eines Menschen über einen Bereich, der dem Mensch nicht zugänglich ist, verbieten sich logischerweise. Eine Lehre ist sinnvoll, solange sie mich bereichert. Darüber hinaus ist sie Anmaßung und Indoktrination. Jeder erkennt einen anderen Teilbereich und hat eine daher andere Wahrheit. Jeder erkennt seins; Glauben und Religion sind somit Privatsache. Die Wahrheit kann bestenfalls theoretisch definiert werden, als Summe aller Teilwahrheiten.
Dass ein Mensch, und sei er Papst, Verbindlichkeit für alle verkündet, verbietet sich dementsprechend. Daher lehnen viele die Kirche ab, die sich anmaßt, Wahrheit für alle zu verkünden, ohne sich intern überhaupt einig zu sein. Absurd! Diese Ablehnung ist durchdacht, mit gutem Gewissen begründet und darf nicht abgetan werden, denn sie ist logisch und entspricht dem Erleben.
Entsprechend ist heute Freiheit für viele die Erlaubnis zur Unverbindlichkeit, zum Leben aus dem Moment, denn Unverbindlichkeit scheint das einzige Konzept zu sein, das niemanden einschränkt. Ich bin frei, wenn ich letztlich in jedem Moment etwas anderes sein kann und von meinen Mitmenschen keine Kontinuität erwarte. Denn ich habe die Gültigkeit meiner eigenen Teilwahrheiten zu respektieren, wie auch die Gültigkeit der Wahrheit eines jeden anderen Menschen.
Doch hier tut sich eine Sackgasse auf, ein Dilemma: Der Tiger wurde zum Tiger-Sein befreit, der Fluss in sein Bett. Befreiung ist die Befreiung des Wesens. Der Mensch aber kann, wie gezeigt, die Wahrheit über sich selbst aufgrund seiner Schranken nicht wirklich vollständig wissen. Doch es gilt: mangels beleuchtender Wahrheit kein erkanntes Wesen, mangels erkanntem Wesen keine sinnvolle Freiheit. Es sind Teilbereiche, die da sichtbar werden. Ich muss mich mit der subjektiven Wahrheit und der daraus resultierenden immer falschen Freiheit zufrieden geben.
Doch das ist gefährlich. Wenn man einen Baum dazu befreit, Blatt zu sein, ist das zwar ein wahrer Aspekt, doch zugleich eine schlimme Verstümmelung. Die subjektiven Wahrheiten führen zu Freiheiten, die gar nicht frei sind, sondern selbstgewählte Versklavungen, die mich von meinem Wesen abschneiden. Denn: das Wesen ist da, ob ich es nun kenne oder nicht.
An dieser Stelle habe ich drei Möglichkeiten.
- Die erste Möglichkeit: ich verschließe die Augen vor dem Problem und lebe vor mich hin. Diese Möglichkeit soll hier ausscheiden, auch wenn jeder sicher häufig danach handelt.
- Die zweite Möglichkeit: ich glaube an die Subjektivität der Wahrheit. Dieser Glaube wäre gleichermaßen die mutige Erkenntnis der eigenen Begrenztheit und die Kapitulation davor. Ich würde sagen: es gibt keine absolute Wahrheit. Und ich würde damit paradoxerweise diesen einen Satz zur absoluten Wahrheit erheben. Ich lebte in diesem ständigen Paradoxon, das ich letztlich selbst wäre.
- Schwerer ist die dritte Möglichkeit: ich ertrage meine Unfertigkeit. Ich akzeptiere die Stichhaltigkeit der Logik, der sie Einwände folgen, und erwarte dennoch eine Lösung.
Ich entscheide mich für die dritte Lösung. Wenn ich diese Logik nicht widerlegen kann, denke ich sie eben zu Ende. Ich weiß, dass ich die Wahrheit nicht finden kann. Wenn alles Menschliche automatisch begrenzt ist, gibt es nur noch eine Möglichkeit: Weiterführendes muss aus dem Bereich jenseits der Grenzen zu mir kommen. Es kann nicht erdacht worden sein, nicht einmal gezielt gesucht worden sein. Es muss aus eigenem Antrieb zu uns kommen.
Meine Anforderungen an eine Wahrheit über den Menschen sind also: Die Wahrheit muss größer sein, als ich fassen kann. Ich muss sie nicht finden, sondern sie muss mich finden. Ich brauche eine Wahrheit, die selbst freiwillig handeln kann. Ich brauche eine Wahrheit, die eine Person ist, die Interesse an mir hat.
Die Wahrheit macht etwas
Damit sind wir am Herzen des Christentums angelangt, denn genau das ist passiert: Gott hat sich uns offenbart. Das, was wir glauben, kam aktiv zu uns, wurde uns aus eigenem Antrieb erzählt. Deshalb kommt unser Glaube vom Hören, nicht vom Nachdenken. Gott ist die Wahrheit, die von sich aus zu uns kommt. Nicht wir haben die Wahrheit gefunden, sondern sie hat uns ergriffen.Doch reicht das? Wenn, wie gezeigt, der Mensch als Medium zur Weitergabe der Wahrheit nicht ausreicht, benötigt der offenbarte Glaube eine Pflege durch seinen Offenbarer selbst. Uns überlassen ginge sie den Weg alles Bewussten: sie würde zum Teilbereich und damit untauglich.
Im Alten Testament wurde das durch die Propheten und von Gott berührte Menschen getan: immer hat Gott selbst dafür gesorgt, dass seine Wahrheit nicht in den Köpfen der Menschen langsam verkümmerte.
Und heute? Keine Propheten. Aber eine Zusage, die alles erklärt: „Ich bin bei Euch bis ans Ende der Welt!“. Und ein Konzept: „Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen!“. Gott selbst garantiert für Seine Wahrheit und sagt, wo wir sie finden.
Ohne diese Garantie wäre die Lehre der Kirche eine Sammlung alter Sitten und begrenzter Erkenntnis, mit ihr ist sie die immer deutlicher werdende Auskristallisation von Gottes Willen. Ohne diese Garantie wäre die Kirche dazu verdammt, die Offenbarung langsam zu verschleiern. Mit ihr ist sie hingegen die notwendige Pflege, die Gott selbst Seiner Offenbarung angedeihen lässt.
In Seiner Kirche finden wir die Wahrheit. Nicht in den Personen, sondern in Ihm der durch sie hindurch scheint. Das Vertrauen, das wir in die Kirche haben können, ist umso größer, je weniger wir in ihr die Menschen sehen. Ihre Aufgabe ist keinerlei Selbstzweck: durch sie soll Gottes Licht scheinen, sonst nichts. Kein Heiliger hat je auf etwas anderes vertraut als auf Gott.
Die strahlendste Kirche ist die, die sich von allem frei macht, was nicht von Gott kommt, die sich entweltlicht. Die nicht uns, sondern Gott in den Mittelpunkt stellt, damit nicht wir die Wahrheit auf uns selbst zurechtstutzen, weil wir sie haben müssen, sondern selbst wachsen in der Wahrheit, die uns ergriffen hat. Weil sie uns liebt, es will und deshalb selbst zu uns kommt.
Unsere Ausgangspunkte waren: was wahr ist, muss stimmen. Freiheit ist, wo die Wahrheit, wo das Wesen, sein können. Wir sind den Gedanken derer gefolgt, die aus guten Gründen die Kirche ablehnen, haben nicht widersprochen, sondern nur zu Ende gedacht und unsere Grenzen akzeptiert.
Das Denken diente dazu, diese eigenen Grenzen zu finden. Und es macht zugleich sensibel, weil man zu erahnen beginnt, was es heißt, dass Gott sich offenbart.
Und damit wir finden uns wieder bei Christus, der uns frei macht, indem er uns sein Wort verkündet. Der uns unser wahres Wesen zeigt, indem er uns erklärt, wozu wir gedacht sind. Und wir finden uns wieder in Seiner Kirche. Nicht weil wir Regeln suchen, sondern weil wir dort Sein Wort finden, das uns frei macht.
„Ich bin das Licht der Welt“ sagt Christus. „Ich bin die Wahrheit“. Die Wahrheit ist Person, handelnde Person. Und die Wahrheit wird uns frei machen. Sie machte es, nicht wir.
Mittwoch, September 16, 2015
Unverständlich!
[Von Bastian]
Die Schrift lehrt uns, Waisen und Witwen zu helfen, Fremde aufzunehmen und den Armen zu geben. Und sie lehrt, dass da Segen drauf liegt. Einen Zusatz wie "außer bei Moslems, dann bringt es nämlich Unheil!" gibt es nicht.
Warum machen sich eigentlich gerade so viele Christen derart in die Hose, wenn es um die Flüchtlinge geht?
Wir sollten sie nicht abweisen, weil wir Angst haben, sondern sie aufnehmen und uns auf den Segen freuen. Ich meine, wir haben doch Gott. Der ist doch stärker, oder?
Die Schrift lehrt uns, Waisen und Witwen zu helfen, Fremde aufzunehmen und den Armen zu geben. Und sie lehrt, dass da Segen drauf liegt. Einen Zusatz wie "außer bei Moslems, dann bringt es nämlich Unheil!" gibt es nicht.
Warum machen sich eigentlich gerade so viele Christen derart in die Hose, wenn es um die Flüchtlinge geht?
Wir sollten sie nicht abweisen, weil wir Angst haben, sondern sie aufnehmen und uns auf den Segen freuen. Ich meine, wir haben doch Gott. Der ist doch stärker, oder?
Freitag, September 04, 2015
Wie es mir zu stehen scheint
[Eine Polemik von Bastian]
Wir erleben einen Zeitenaufbruch: eine neue Völkerwanderung. Klingt vielleicht zu dramatisch, scheint mir aber so zu sein. Die Flüchtlingswelle dürfte der erste Gipfel einer Entwicklung sein, die längst nicht mehr umkehrbar ist.
Der Politik ist seit langem klar, dass man die Schere zwischen Arm und Reich nicht zu groß werden lassen darf. Es muss einen Mindestausgleich und eine möglichst hohe Transparenz zwischen beiden Bereichen geben, sonst kommt es zu Unruhen. Auf die Idee, dass diese Erkenntnis auch über Staatengrenzen hinweg Anwendung finden sollte, ist offenbar keiner derer, die Verantwortung tragen, ernsthaft gekommen. Die Folgen sehen wir jetzt, oder besser: diese Folgen beginnen gerade. Es ist erst der Anfang: es werden Millionen von Zuwanderern sein.
Der Versuch der Politik, die Situation in den Griff zu bekommen, hat etwas Rührendes an sich. Man versucht den Spagat zwischen vermeintlicher Wählermeinung, Mitleid und Political Correctness (haben die Flüchtlinge bei der Einreise eigentlich auch die Wahl zwischen Dutzenden möglicher Geschlechter?). Man versucht es mit den richtigen berücksichtigten Gesichtspunkten und guten Regeln, die fein trennen zwischen berechtigt und unberechtigt, kurz, indem man das Problem verwaltet.
Große Teile der Bevölkerung polarisieren sich inzwischen in zwei Lager, die beide völlig unbrauchbar sind. Die einen sehen ihren Wohlstand gefährdet. Ausgestattet mit einem Einkommen, das locker 20 Flüchtlinge ernähren könnte, fragen sie: „Und wer tut was für uns?“. Die anderen interessieren sich nicht für die Flüchtlinge, wie sie sind, sondern vereinnahmen sie für ihre Alles-egal-Weltanschauung. Angezogen mit Klamotten, für die sie in den meisten islamischen Staaten im Knast säßen, fordern sie die Freigabe der Burka. Und damit natürlich auch die Macht derer, die sie sofort in den Knast stecken würden, hätten sie das Sagen.
Beide Positionen haben selbstzufriedene Mitläufer, zufrieden, weil sie das Problem nicht ignorieren, sondern sich „Gedanken machen“. Sie kommen mit dem Erhalt des Christlichen Abendlandes, meinen damit aber nicht das Christentum, das sie erhalten wollen (in Messe oder Gottesdienst sieht man sie jedenfalls meist nicht), sondern unsere Kultur, an die sie sich gewöhnt haben. Andere kommen mit der Erkenntnis, dass auch der Islam zu uns gehöre. Da sie die Anwendung der Scharia für sich selbst natürlich nie akzeptieren würden, meinen sie tatsächlich wohl eher: Der Islam gehört zu denen, die nicht zu uns gehören. Gleichwie – sie halten sich für integrativ.
Nun werden in den nächsten Jahren wohl einige Millionen Menschen zu uns kommen. Verwaltungsfreudig, wie wir sind, bestehen diese Menschen für uns meist aus Kosten und Unterbringungsproblemen. Für die „Aufgeklärten“ unter uns zudem aus Traumatisierung und berechtigten Ansprüchen, für die „Rückständigen“ unter uns auch aus Gefahr. Und alles schreit nach der Verwaltung. Deren Chef möchte allerdings von Aufgeklärten wie Rückständigen wiedergewählt werden.
Tatsächlich allerdings bringen diese Menschen vor allem einmal sich selbst, und das heißt: Persönlichkeit, geprägt durch Religion und Kultur. Diese Persönlichkeit wird künftig ein Teil der Summe sein, die unsere Gesellschaft ausmacht. Dagegen hilft weder ein „Ich will das nicht“ noch ein „Das stimmt doch gar nicht, die sind doch letztlich wie wir!“. Beides ignoriert die Menschlichkeit derer, die zu uns kommen.
Integration bedeutet, die Menschen anzunehmen, wie sie sind, und in unsere Kultur einzufügen, wie es möglich ist. Wie sie sind: also nicht ohne ihre Eigenschaften und auch Probleme. Die zu leugnen wäre Ignoranz diesen Menschen gegenüber. Einfügen in unsere Kultur: keine Nebenkulturen (möglichst mit eigenem Rechtssystem) akzeptieren, sondern wirklich aufnehmen und zu akzeptieren, dass sich unser Land dadurch ändern wird.
Dazu allerdings muss unsere Kultur auch kraftvoll auftreten. Wir brauchen Identität, damit überhaupt etwas da ist, in das wir aufnehmen können. Doch was ist da? Wir ändern die Sprache, damit sie nicht mehr eindeutig ist, weil wir gegebene Identität nicht mehr ertragen: es ist das höchste, das eigene Geschlecht nicht mehr zu kennen. Wir reduzieren unsere Identität auf unsere Lebensqualität, die wiederum auf Geld und Sex. Daneben lieben wir nur Beliebigkeit.
Diese Gesellschaft ist nicht integrationsfähig, weil es sie gar nicht mehr gibt. Sie besteht nur noch in einem System, das unsere Beliebigkeit schützen soll. Für einen gläubigen Muslim sind wir als Gesprächspartner weit unter seinem Niveau. Christliche Kultur ist offenbar geistige Verwahrlosung und Identitätslosigkeit. Das ist zwar unbeschreiblich dumm, aber man kann darin recht ordentlich leben, interessiert es doch niemanden, was man tut. Denn was kann man bei uns holen? Geld. Und während wir nach einer Verwaltungslösung dafür suchen, wie wir unsere Beliebigkeit, den Islam und fremde Kulturen unter einen Hut bekommen, beobachten uns die anderen Länder fassungslos. Mit Recht.
All das wird uns über den Hut wachsen. Unsere Systeme werden es nicht schaffen. Es wird sich zeigen, ob Deutschland dann noch ein Herz hat und offen ist. Oder ob wir unser Herz verschließen und als Grund auf unsere Partner zeigen, weil die das auch tun und niemanden aufnehmen. Es ist schließlich nur gerecht, genauso ungerecht zu sein wie die. Eins werden wir opfern müssen: Einen großen Teil unseres Wohlstands, den wir auf unseren Werten aufgebaut haben, oder unsere Werte selbst, um den Wohlstand zu sichern. Letzteres wäre Selbstmord. Die Flüchtlinge sind unsere Chance, uns selbst in unserer selbstgewählten Identitätslosigkeit wiederzufinden. Entweder wir schaffen das, oder wir verschwinden als Land und Kultur.
Wir erleben einen Zeitenaufbruch: eine neue Völkerwanderung. Klingt vielleicht zu dramatisch, scheint mir aber so zu sein. Die Flüchtlingswelle dürfte der erste Gipfel einer Entwicklung sein, die längst nicht mehr umkehrbar ist.
Der Politik ist seit langem klar, dass man die Schere zwischen Arm und Reich nicht zu groß werden lassen darf. Es muss einen Mindestausgleich und eine möglichst hohe Transparenz zwischen beiden Bereichen geben, sonst kommt es zu Unruhen. Auf die Idee, dass diese Erkenntnis auch über Staatengrenzen hinweg Anwendung finden sollte, ist offenbar keiner derer, die Verantwortung tragen, ernsthaft gekommen. Die Folgen sehen wir jetzt, oder besser: diese Folgen beginnen gerade. Es ist erst der Anfang: es werden Millionen von Zuwanderern sein.
Der Versuch der Politik, die Situation in den Griff zu bekommen, hat etwas Rührendes an sich. Man versucht den Spagat zwischen vermeintlicher Wählermeinung, Mitleid und Political Correctness (haben die Flüchtlinge bei der Einreise eigentlich auch die Wahl zwischen Dutzenden möglicher Geschlechter?). Man versucht es mit den richtigen berücksichtigten Gesichtspunkten und guten Regeln, die fein trennen zwischen berechtigt und unberechtigt, kurz, indem man das Problem verwaltet.
Große Teile der Bevölkerung polarisieren sich inzwischen in zwei Lager, die beide völlig unbrauchbar sind. Die einen sehen ihren Wohlstand gefährdet. Ausgestattet mit einem Einkommen, das locker 20 Flüchtlinge ernähren könnte, fragen sie: „Und wer tut was für uns?“. Die anderen interessieren sich nicht für die Flüchtlinge, wie sie sind, sondern vereinnahmen sie für ihre Alles-egal-Weltanschauung. Angezogen mit Klamotten, für die sie in den meisten islamischen Staaten im Knast säßen, fordern sie die Freigabe der Burka. Und damit natürlich auch die Macht derer, die sie sofort in den Knast stecken würden, hätten sie das Sagen.
Beide Positionen haben selbstzufriedene Mitläufer, zufrieden, weil sie das Problem nicht ignorieren, sondern sich „Gedanken machen“. Sie kommen mit dem Erhalt des Christlichen Abendlandes, meinen damit aber nicht das Christentum, das sie erhalten wollen (in Messe oder Gottesdienst sieht man sie jedenfalls meist nicht), sondern unsere Kultur, an die sie sich gewöhnt haben. Andere kommen mit der Erkenntnis, dass auch der Islam zu uns gehöre. Da sie die Anwendung der Scharia für sich selbst natürlich nie akzeptieren würden, meinen sie tatsächlich wohl eher: Der Islam gehört zu denen, die nicht zu uns gehören. Gleichwie – sie halten sich für integrativ.
Nun werden in den nächsten Jahren wohl einige Millionen Menschen zu uns kommen. Verwaltungsfreudig, wie wir sind, bestehen diese Menschen für uns meist aus Kosten und Unterbringungsproblemen. Für die „Aufgeklärten“ unter uns zudem aus Traumatisierung und berechtigten Ansprüchen, für die „Rückständigen“ unter uns auch aus Gefahr. Und alles schreit nach der Verwaltung. Deren Chef möchte allerdings von Aufgeklärten wie Rückständigen wiedergewählt werden.
Tatsächlich allerdings bringen diese Menschen vor allem einmal sich selbst, und das heißt: Persönlichkeit, geprägt durch Religion und Kultur. Diese Persönlichkeit wird künftig ein Teil der Summe sein, die unsere Gesellschaft ausmacht. Dagegen hilft weder ein „Ich will das nicht“ noch ein „Das stimmt doch gar nicht, die sind doch letztlich wie wir!“. Beides ignoriert die Menschlichkeit derer, die zu uns kommen.
Integration bedeutet, die Menschen anzunehmen, wie sie sind, und in unsere Kultur einzufügen, wie es möglich ist. Wie sie sind: also nicht ohne ihre Eigenschaften und auch Probleme. Die zu leugnen wäre Ignoranz diesen Menschen gegenüber. Einfügen in unsere Kultur: keine Nebenkulturen (möglichst mit eigenem Rechtssystem) akzeptieren, sondern wirklich aufnehmen und zu akzeptieren, dass sich unser Land dadurch ändern wird.
Dazu allerdings muss unsere Kultur auch kraftvoll auftreten. Wir brauchen Identität, damit überhaupt etwas da ist, in das wir aufnehmen können. Doch was ist da? Wir ändern die Sprache, damit sie nicht mehr eindeutig ist, weil wir gegebene Identität nicht mehr ertragen: es ist das höchste, das eigene Geschlecht nicht mehr zu kennen. Wir reduzieren unsere Identität auf unsere Lebensqualität, die wiederum auf Geld und Sex. Daneben lieben wir nur Beliebigkeit.
Diese Gesellschaft ist nicht integrationsfähig, weil es sie gar nicht mehr gibt. Sie besteht nur noch in einem System, das unsere Beliebigkeit schützen soll. Für einen gläubigen Muslim sind wir als Gesprächspartner weit unter seinem Niveau. Christliche Kultur ist offenbar geistige Verwahrlosung und Identitätslosigkeit. Das ist zwar unbeschreiblich dumm, aber man kann darin recht ordentlich leben, interessiert es doch niemanden, was man tut. Denn was kann man bei uns holen? Geld. Und während wir nach einer Verwaltungslösung dafür suchen, wie wir unsere Beliebigkeit, den Islam und fremde Kulturen unter einen Hut bekommen, beobachten uns die anderen Länder fassungslos. Mit Recht.
All das wird uns über den Hut wachsen. Unsere Systeme werden es nicht schaffen. Es wird sich zeigen, ob Deutschland dann noch ein Herz hat und offen ist. Oder ob wir unser Herz verschließen und als Grund auf unsere Partner zeigen, weil die das auch tun und niemanden aufnehmen. Es ist schließlich nur gerecht, genauso ungerecht zu sein wie die. Eins werden wir opfern müssen: Einen großen Teil unseres Wohlstands, den wir auf unseren Werten aufgebaut haben, oder unsere Werte selbst, um den Wohlstand zu sichern. Letzteres wäre Selbstmord. Die Flüchtlinge sind unsere Chance, uns selbst in unserer selbstgewählten Identitätslosigkeit wiederzufinden. Entweder wir schaffen das, oder wir verschwinden als Land und Kultur.
Dienstag, September 01, 2015
Ranzige Toleranz
[Von Bastian]
Die Farbe der Reissäcke in China gefällt mir möglicherweise nicht, doch ich beklage mich nicht. Im Gegenteil bin ich der Ansicht, dass die Sackdesigner auf mich gar nicht achten, sondern nur wichtigere Gesichtspunkte berücksichtigen sollen. Bin ich jetzt tolerant?
Erst einmal ist es mir schlicht egal, wie Reissäcke aussehen. Es gibt überhaupt sehr, sehr viel, das mir völlig wurscht ist. Wäre das Toleranz – ich wäre der Tolerantesten einer!
Nur gehört zur Toleranz leider auch eine kleine persönliche Leistung, nämlich das Tolerieren. Etwas, das mir egal ist, brauche ich nicht zu tolerieren, ebenso wenig wie etwas, dass ich gar nicht weiß. Tolerieren muss ich etwas, das mich berührt. Folglich bin ich tolerant, weil ich Frau und Kinder im Hause dulde? Nein, denn die liebe ich. Ich freue mich, dass sie da sind. Ich muss sie nicht tolerieren.
Berühren allein genügt nicht: es muss eine Berührung sein, die nicht notwendig unangenehm aber doch wenigstens andersartig ist. Eine Berührung, die ich mir so nicht ausgesucht hätte. Akzeptiere ich die als gegeben und lebe mit ihr, ohne dagegen anzugehen, dann bin ich tolerant.
Da ich Katholik bin, gibt es heute selbstverständlich die Nagelprobe: Schwule. Bin ich da tolerant?
Klare Antwort: nein. Denn: ich kann es nicht sein, weil mir erst einmal völlig wurscht ist, wer mit wem in Bett geht. Von den meisten Menschen weiß ich nicht einmal, wie sie sich ihr Liebes- und Sexualleben vorstellen. Es geht mich auch nichts an. Mangels Berührung ist keine Toleranz möglich.
Doch dann kommt das Outing. Da wird es schwieriger. Wer sich als homosexuell outet, sendet mir in dieser Hinsicht eine Botschaft, und zwar eine sehr persönliche. Der Inhalt dieser Botschaft interessiert mich nicht. Keine Berührung, keine Toleranz.
Die Tatsache, dass ich ungefragt mit intimen Details Fremder konfrontiert werde, stört mich hingegen massiv. Es geht mich nichts an und ich will es nicht wissen. Ich empfinde es als unangemessene intime Annäherung von Personen, die mich nicht danach gefragt haben, ob ich das überhaupt will. Da ich jedoch hinter solchen Outings das Recht auf freie Äußerung der eigenen Position erkenne, akzeptiere ich dieses für mich unpassende Verhalten. Da bin ich tolerant.
Doch das Problem ist damit nicht geklärt, denn Toleranz birgt einen inhärenten Reibungspunkt: wer tolerant ist, stimmt damit nicht zu, sondern lässt etwas stehen, das er so nicht hingestellt hätte. Toleranz beinhaltet immer auch den kritischen Blickwinkel, und den muss ich aushalten, wenn ich toleriert werde. Kurz gesagt: der Tolerierte muss, wenn ihn Anders-Denken berührt, die ihm entgegengebrachte Toleranz selbst tolerieren. Toleranz ist zweiseitig – anders funktioniert sie nicht.
Wer selbst intolerant ist, für den ist entgegengebrachte Toleranz unerträglich. Er fordert gegenüber seinen Positionen daher entweder Gleichgültigkeit oder Zustimmung. Hat er zudem ein hohes Geltungsbedürfnis, scheidet die auch Gleichgültigkeit aus. Es bleibt der Schrei nach Zustimmung. Ein ranziger Abklatsch wahrer Toleranz.
Nun haben wir inzwischen eine Gesellschaft, in der viele gar nicht damit leben können, dass mich ihr Sex nicht interessiert. Es stört sie, dass ich da nicht drauf abfahre, und sie versuchen, dagegen vorzugehen. Sie sind mir gegenüber also erst einmal intolerant und alle ihre Handlungen, die auf dieser Haltung beruhen, entspringen dementsprechend ihrer Intoleranz.
Ihr Ziel ist daher auch nicht meine Toleranz. Genau die wird abgelehnt, weil mein Denken falsch ist, da ich nicht interessiert bin. In einer Pervertierung des Toleranzbegriffs erklären sie meine Distanziertheit zur Intoleranz (sie ist das Gegenteil!) und fordern von mir Zustimmung ohne Vorbehalte – nur die sei tolerant. Nur hat das, wie gezeigt, mit Toleranz nichts zu tun.
Vorbehaltlose Zustimmung ist nicht möglich, denn spätestens wenn ich anfange, über meine eigene Sexualität nachzudenken, komme ich zu eigenen Schlüssen. Und genauso, wie die Schlüsse der Fordernden von meinen abweichen können, ist es umgekehrt natürlich auch.
Man muss mir das eigene Denken absprechen, wenn das Konstrukt der zwingenden Toleranz stehen bleiben soll. Zwingen lasse ich mich aber nicht – ob dies in den Augen der Ranzigen Intoleranz gegenüber dem Zwingenden darstellt, ist mir wieder erst einmal wurscht.
Die Farbe der Reissäcke in China gefällt mir möglicherweise nicht, doch ich beklage mich nicht. Im Gegenteil bin ich der Ansicht, dass die Sackdesigner auf mich gar nicht achten, sondern nur wichtigere Gesichtspunkte berücksichtigen sollen. Bin ich jetzt tolerant?
Erst einmal ist es mir schlicht egal, wie Reissäcke aussehen. Es gibt überhaupt sehr, sehr viel, das mir völlig wurscht ist. Wäre das Toleranz – ich wäre der Tolerantesten einer!
Nur gehört zur Toleranz leider auch eine kleine persönliche Leistung, nämlich das Tolerieren. Etwas, das mir egal ist, brauche ich nicht zu tolerieren, ebenso wenig wie etwas, dass ich gar nicht weiß. Tolerieren muss ich etwas, das mich berührt. Folglich bin ich tolerant, weil ich Frau und Kinder im Hause dulde? Nein, denn die liebe ich. Ich freue mich, dass sie da sind. Ich muss sie nicht tolerieren.
Berühren allein genügt nicht: es muss eine Berührung sein, die nicht notwendig unangenehm aber doch wenigstens andersartig ist. Eine Berührung, die ich mir so nicht ausgesucht hätte. Akzeptiere ich die als gegeben und lebe mit ihr, ohne dagegen anzugehen, dann bin ich tolerant.
Da ich Katholik bin, gibt es heute selbstverständlich die Nagelprobe: Schwule. Bin ich da tolerant?
Klare Antwort: nein. Denn: ich kann es nicht sein, weil mir erst einmal völlig wurscht ist, wer mit wem in Bett geht. Von den meisten Menschen weiß ich nicht einmal, wie sie sich ihr Liebes- und Sexualleben vorstellen. Es geht mich auch nichts an. Mangels Berührung ist keine Toleranz möglich.
Doch dann kommt das Outing. Da wird es schwieriger. Wer sich als homosexuell outet, sendet mir in dieser Hinsicht eine Botschaft, und zwar eine sehr persönliche. Der Inhalt dieser Botschaft interessiert mich nicht. Keine Berührung, keine Toleranz.
Die Tatsache, dass ich ungefragt mit intimen Details Fremder konfrontiert werde, stört mich hingegen massiv. Es geht mich nichts an und ich will es nicht wissen. Ich empfinde es als unangemessene intime Annäherung von Personen, die mich nicht danach gefragt haben, ob ich das überhaupt will. Da ich jedoch hinter solchen Outings das Recht auf freie Äußerung der eigenen Position erkenne, akzeptiere ich dieses für mich unpassende Verhalten. Da bin ich tolerant.
Doch das Problem ist damit nicht geklärt, denn Toleranz birgt einen inhärenten Reibungspunkt: wer tolerant ist, stimmt damit nicht zu, sondern lässt etwas stehen, das er so nicht hingestellt hätte. Toleranz beinhaltet immer auch den kritischen Blickwinkel, und den muss ich aushalten, wenn ich toleriert werde. Kurz gesagt: der Tolerierte muss, wenn ihn Anders-Denken berührt, die ihm entgegengebrachte Toleranz selbst tolerieren. Toleranz ist zweiseitig – anders funktioniert sie nicht.
Wer selbst intolerant ist, für den ist entgegengebrachte Toleranz unerträglich. Er fordert gegenüber seinen Positionen daher entweder Gleichgültigkeit oder Zustimmung. Hat er zudem ein hohes Geltungsbedürfnis, scheidet die auch Gleichgültigkeit aus. Es bleibt der Schrei nach Zustimmung. Ein ranziger Abklatsch wahrer Toleranz.
Nun haben wir inzwischen eine Gesellschaft, in der viele gar nicht damit leben können, dass mich ihr Sex nicht interessiert. Es stört sie, dass ich da nicht drauf abfahre, und sie versuchen, dagegen vorzugehen. Sie sind mir gegenüber also erst einmal intolerant und alle ihre Handlungen, die auf dieser Haltung beruhen, entspringen dementsprechend ihrer Intoleranz.
Ihr Ziel ist daher auch nicht meine Toleranz. Genau die wird abgelehnt, weil mein Denken falsch ist, da ich nicht interessiert bin. In einer Pervertierung des Toleranzbegriffs erklären sie meine Distanziertheit zur Intoleranz (sie ist das Gegenteil!) und fordern von mir Zustimmung ohne Vorbehalte – nur die sei tolerant. Nur hat das, wie gezeigt, mit Toleranz nichts zu tun.
Vorbehaltlose Zustimmung ist nicht möglich, denn spätestens wenn ich anfange, über meine eigene Sexualität nachzudenken, komme ich zu eigenen Schlüssen. Und genauso, wie die Schlüsse der Fordernden von meinen abweichen können, ist es umgekehrt natürlich auch.
Man muss mir das eigene Denken absprechen, wenn das Konstrukt der zwingenden Toleranz stehen bleiben soll. Zwingen lasse ich mich aber nicht – ob dies in den Augen der Ranzigen Intoleranz gegenüber dem Zwingenden darstellt, ist mir wieder erst einmal wurscht.